Gesundheit

Studie: Zu häufiges Fernsehen erhöht das Demenz-Risiko

Gibt es eine TV-bedingte Demenz?

In einer Studie hat sich gezeigt, dass tägliches, langes Fernsehen bei älteren Menschen zu einem Abbau des verbalen Gedächtnisses führt. Wissenschaftlern zufolge zeigt sich hier möglicherweise ein neues Krankheitsbild: die TV-bedingte Demenz.

Langes Fernsehen macht krank

Wer jeden Tag lange vor dem Fernseher sitzt, gefährdet seine Gesundheit. Erst kürzlich berichteten US-amerikanische Wissenschaftler, dass sich durch das lange Sitzen vorm TV das Risiko für Darmkrebs erhöht. Und niederländische Forscher stellten fest, dass dadurch das Typ-2-Diabetes-Risiko steigt. Zudem wird stundenlanges Verweilen vor der Flimmerkiste oft mit Beschwerden wie Rückenschmerzen in Verbindung gebracht. Doch das ist noch nicht alles. In einer neuen Studie zeigte sich, dass tägliches, mehrstündiges Fernsehen bei älteren Menschen zu einem Abbau des verbalen Gedächtnisses führt. Möglicherweise zeigt sich hier ein neues Krankheitsbild: die TV-bedingte Demenz.

Dass zu viel Fernsehen der Gesundheit schaden kann, konnte schon in verschiedenen Studien gezeigt werden. Womöglich kann es auch zu TV-bedingter Demenz führen. (Bild: Focus Pocus LTD/fotolia.com)

Wenn Informationen nicht adäquat verarbeitet werden können

Macht Fernsehen dumm? In gewisser Weise schon, so könnte man das Ergebnis einer aktuellen Studie zusammenfassen, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) in einer Mitteilung.

Denn meist werden die Menschen als dumm bezeichnet, die nicht in der Lage sind, Informationen adäquat zu verarbeiten.

Ihnen wird etwas gesagt – zum Beispiel: „biege rechts ab!“ –, doch sie sind nicht in der Lage, das Gesagte zu verstehen und umzusetzen und biegen dann falsch ab oder fahren weiter geradeaus.

Wie die Experten erklären, ist dies keine Frage des Intelligenzquotienten, sondern kann bedeuten, dass das sprachliche Gedächtnis schwach ist.

Wenn man diesen Menschen die Wegbeschreibung als Skizze an die Hand gegeben hätte, wäre die Information bei ihnen wahrscheinlich angekommen.

Doch verbal vermittelte Inhalte „erreichen“ Betroffene nicht in einem ausreichenden Maße. Dies gilt für die Durchsage am Bahnhof, dass der Zug von einem anderen Gleis abfährt, genauso wie die mündlich ausgesprochene Einladung eines Freundes.

Wenn man bedenkt, wie stark die moderne Welt von verbaler Information abhängig ist, wird klar, dass Menschen mit einem schwach ausgeprägten verbalen Gedächtnis schnell orientierungslos zurückbleiben.

Das verbale Gedächtnis ist also enorm wichtig, um sich in der heutigen Informationsgesellschaft zurechtzufinden.

Abbau des verbalen Gedächtnisses

Eine im Fachmagazin „Nature Scientific Reports“ veröffentlichte Studie aus Großbritannien zeigte nun, dass ein hoher TV-Konsum von täglich mehr als 3,5 Stunden bei über 50-Jährigen zum Abbau des verbalen Gedächtnisses führt.

Beobachtet wurden insgesamt 3.590 Studienteilnehmer, die zu Beginn der Studie über 50 Jahre alt waren (das durchschnittliche Alter betrug 67 Jahre) und keine Demenz aufwiesen.

Nach sechs Jahren wurden die Probanden im Hinblick auf ihre kognitiven Fähigkeiten untersucht und zu ihren Fernsehzeiten befragt.

Dabei zeigte sich ein „dosisabhängiger“ Effekt: je mehr TV ein Teilnehmer schaute, desto mehr hatte das verbale Gedächtnis im Vergleich zum Ausgangswert abgebaut.

Die kritische Schwelle waren demnach 3,5 Stunden Fernsehkonsum pro Tag, weniger wirkte sich nicht aus.

Kognitiver Abbau

Laut DGN hatte dieses Ergebnis auch noch Bestand und blieb statistisch signifikant, nachdem bestimmte Einflussfaktoren wie demographische Größen (Geschlecht, Alter, Beziehungsstatus, sozialer Stand, Berufsleben/Rente) und gesundheitliche Daten (Vorliegen einer Depression oder Gefäßerkrankungen, Tabak- und Alkoholkonsum) herausgerechnet worden waren.

Die Wissenschaftler korrigierten die Befunde auch gegen das Sitzen, also den Bewegungsmangel von Menschen, die viel Fernsehen schauen – und selbst dann blieb das Ergebnis robust.

Der Abbau des verbalen Gedächtnisses kann also nicht allein mit zu wenig Bewegung erklärt werden.

Schon früher hat es Studien gegeben, die zeigten, dass viel Fernsehen mit einem kognitiven Abbau einhergeht, aber andere sitzende Freizeitbeschäftigungen wie beispielsweise im Internet surfen nicht.

Forscher hatten das mit der hohen Stimulanz und dem schnellen Wechsel von Sinneswahrnehmungen (Sehen und Hören) und der gleichzeitigen Passivität der Zuschauer erklärt, die dem Fernsehschauen eigen ist.

Allerdings war nur das verbale Gedächtnis vom TV-Konsum-bedingten Abbau betroffen, nicht die sogenannte Wortflüssigkeit („semantic fluency“), die zum Beispiel bei Alzheimerpatienten ebenfalls stark reduziert ist.

„Verschiedene Studien hatten die These aufgestellt, dass viel TV das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, fördern könnte“, sagte Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN.

„Alzheimer-Patienten haben aber auch kognitive Defizite jenseits des verbalen Gedächtnisverlustes. Dennoch sind diese Studienergebnisse beunruhigend, da sich möglicherweise eine ganz eigene Krankheitsentität, die TV-bedingte Demenz, entwickelt“, so der DGN-Experte.

Durchschnittlicher TV-Konsum bei über drei Stunden

Bereits jetzt liegt der durchschnittliche TV-Konsum der Deutschen bei über drei Stunden.

Die vorliegende Studie hatte auch gezeigt, dass Menschen, die nicht mehr im Berufsleben stehen, mehr TV schauen.

Des Weiteren waren weibliches Geschlecht, geringer Bildungsgrad, geringer sozialer Status und soziale Isolation (alleine lebend) mit erhöhtem Fernsehkonsum verbunden.

„Gerade ältere Menschen sollten, um lange geistig fit zu bleiben, von zu viel Fernsehschauen absehen“, so Berlit. (ad)

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