Persönliche Gesundheit

Mehr als 1100 Tote bei Masernepidemie

Vor zwei Monaten noch durchdrang Kinderlachen das Zuhause von Dada, einem Fischer auf Madagaskar. Sein vier Jahre alter Sohn spielte mit seinen beiden jüngeren Cousins vor der Haustür, sie tobten an einem der berühmten sonnengefluteten Strände der Insel. Nur wenige Wochen später waren alle drei Kinder tot.

Sie sind Opfer des jüngsten Masernausbruchs auf Madagaskar, seit September haben mehr als 1100 Menschen ihr Leben verloren, rund 87.000 Menschen sind erkrankt. Bei den meisten Toten handelt es sich laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) um Kinder im Alter von bis zu 14 Jahren.

Die Zahl der Masernfälle steigt aktuell weltweit, betroffen sind auch reiche Nationen wie Deutschland oder die USA. Dort meiden Eltern die lebensrettenden Impfungen, weil sie Falschinformationen aufsitzen. In Madagaskar gestaltet sich die Situation anders. Das Land zählt zu den ärmsten Nationen der Welt. Viele Eltern sehnen sich danach, ihre Kinder impfen zu lassen. Doch es gibt nicht genug Impfstoff für alle – und viele können sich die Behandlung nicht leisten.

Illegaler Arzt statt Klinik

Damit der Körper einen zuverlässigen Schutz gegen das Virus aufbauen kann, sind zwei Impfdosen notwendig. Madagaskar bezahlt seinen Einwohnern jedoch nur die erste, mehr kann sich das Land aktuell nicht leisten. Diese erhielt auch Limberaza, der Sohn des Fischers Dada. Für die zweite Impfung hätte sein Vater 15 US-Dollar aufbringen müssen. Viel Geld für eine Familie, die von weniger als zwei Dollar pro Tag lebt.

„Ich konnte es mir nicht leisten, ihn ins Krankenhaus zu bringen“, sagt Dada. Stattdessen ging der Fischer zu einem illegalen Arzt, der seinem Sohn eine vermeintliche Impfung verabreichte. Im Januar begann Limberaza zu husten, auf seiner Haut entwickelte sich ein Ausschlag. Als er eine Woche später starb, glühte sein Körper vom Fieber.

Nach Limberaza erkrankte seine Cousine, die drei Jahre alte Martina. Acht Tage später starb auch sie – genauso wie Mario, der dreijährige Sohn von Dadas anderer Schwester.

Dada mit einem Foto der Cousins, von denen drei an Masern gestorben sind

Masern zählen zu den ansteckendsten Erregern überhaupt. Noch zwei Stunden nach dem Aufenthalt eines Infizierten in einem Raum können sich andere über die Luft anstecken. Besonders bei Säuglingen und Kindern im ersten Lebensjahr ist die Gefahr hoch, dass es zu schweren Komplikationen wie Lungenentzündungen, Gehirnschwellungen und im schlimmsten Fall zum Tod kommt.

Obwohl eine wirksame Impfung existiert, starben 2017 weltweit noch rund 110.000 Menschen an den Folgen der Krankheit. Die meisten waren Kinder unter fünf Jahren, berichtet die WHO. Gleichzeitig verhinderte die Impfung Schätzungen zufolge jedoch auch 21,1 Millionen Todesfälle in der Zeit von 2000 bis 2017. Das mache sie zu einer der besten Investitionen im Gesundheitswesen, erklären die Vereinten Nationen.

Impfung rettet Millionen Leben

Durch Fehlinformationen über die Impfung häufen sich die Masernerkrankungen momentan selbst an Orten, an denen das Virus als besiegt galt. Europa meldete vergangenes Jahr die meisten Masernfälle innerhalb eines Jahrzehnts. Im Januar erklärte die Weltgesundheitsorganisation Impfskepsis zu einer der zehn globalen Bedrohungen für die Gesundheit.

In Madagaskar allerdings sind nicht Fehlinformationen, sondern Armut das größte Risiko. Während reiche Touristen durch den Regenwald streifen und Geschäftsleute mit Vanille handeln, ist fast die Hälfte der einheimischen Kinder unterernährt. So viele wie in keinem anderen afrikanischen Land.

Putschversuche und politische Instabilität prägten die vergangenen Jahrzehnte in der ehemaligen französischen Kolonie. Immer wieder kam es zu Ausbrüchen von Pest, hämorrhagischen Fiebern oder anderen tödlichen Viren. Dennoch ignorierte die korrupte Führung jahrelang den Zerfall des Gesundheitssystems.

Fast zwei Dritteln der Kinder auf Madagaskar fehlt eine komplette Impfung gegen die Masern. Um zu verhindern, dass sich das Virus verbreitet, müssten rund 95 Prozent geschützt sein. Bei einem Notfallprogramm wurden jetzt 2,2 der 26 Millionen Einwohner geimpft.

„Ein Kind impfen kann hier ein richtiger Hindernislauf sein“

Madagaskar hofft, noch in diesem Jahr ein kostenloses Programm starten zu können, bei dem alle Einwohner die beiden notwendigen Dosen erhalten. Dem Land fehlen jedoch drei der sieben Millionen Dollar, die es bräuchte, um genug Impfstoff für alle Bewohner bereitzustellen, erklärte die WHO vergangenen Monat. Neben den Kosten führt das jedoch auch zu logistischen Herausforderungen.

Schon heute laufen manche Eltern meilenweit, um ihre Kinder impfen zu lassen. Am Ziel angekommen, sind die Kliniken jedoch oft geschlossen, haben keinen oder nur abgelaufenen Impfstoff vorrätig. „Ein Kind zu impfen kann hier ein richtiger Hindernislauf sein“, sagt Jean-Benoit Manhes, Vertreter des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen.

Das Versagen des Gesundheitssystems drängt vor allem arme Eltern dazu, ihre Kinder stattdessen von traditionellen Heilern therapieren zu lassen. Auch Limberazas Vater dachte, seinem Sohn so helfen zu können. Die beiden Cousins waren gar nicht geimpft. Jetzt hat die Familie nur noch ein Ziel: Ihre verbliebenen Kinder besser zu schützen.

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