Die Vorsorge-Möglichkeiten für Darmkrebs sind so gut wie nie. Trotzdem gibt es eine Reihe von Patienten mit fortgeschrittenem Darmkrebs, bei denen die gängigen Behandlungen zu spät kommen. Für sie werden aktuell neue Therapien entwickelt.
Darmkrebs ist mit rund 65.000 Neuerkrankungen pro Jahr nach Brust- beziehungsweise Prostatakrebs die zweithäufigste Krebserkrankung bei beiden Geschlechtern. Die aktuellen Heilungschancen bei Darmkrebs im frühen Stadium liegen bei 80 bis über 90 Prozent, „bei fortgeschrittenem, also ab Stadium drei und höher, jedoch deutlich unter 60 Prozent“, berichtet Thomas Seufferlein, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Ulm.
Forschung: Personalisierte Krebstherapie
Deshalb suchen Wissenschaftler nach neuen Therapieansätzen, um die gängige Behandlung – Operation, Bestrahlung, Chemotherapie – zu ergänzen oder zu verbessern. Der vielversprechendste Ansatz zur Zeit: Organoide. Dabei handelt es sich um spezielle Zellkulturen, sozusagen „Zellklumpen“, die aus Krebszellen des Patienten im Labor gezüchtet werden. Die Krebszellen stammen aus einer Biopsie.
An den Organoiden können Experten nun prüfen, auf welche Substanz der Tumor empfindlich reagiert und welche ihn unberührt lassen. Auf diese Weise könnten sie eine maßgeschneiderte Therapie für den Patienten erstellen. Allerdings dürfte es noch etwas dauern, bis dieses aufwendige Testverfahren allgemein zum Einsatz kommt.
Immuntherapie bei Darmkrebs
Speziell für die Patientengruppe mit fortgeschrittenem Darmkrebs gibt es jedoch jetzt schon einige vielversprechende neue Therapieansätze. Rund vier Prozent von ihnen haben etwa ein Karzinom mit sogenannten instabilen Mikrosatelliten (DNA-Abschnitten). Das bedeutet, die Tumoren weisen sehr viele Mutationen auf. „Wir sprechen dann von einem ‚heißen‘ Tumor, der vom körpereigenen Immunsystem gut erkennbar ist“, erklärt der Onkologe.
Damit die Abwehrkräfte die identifizierten Krebszellen auch tatkräftig angreifen, werden jetzt Immun-Checkpoint-Inhibitoren eingesetzt. Das sind Antikörper, die im Immunsystem natürliche Bremsen lockern und damit die Schlagkraft erhöhen. „Dieser neue Ansatz ist sensationell erfolgreich“, sagt Thomas Seufferlein. Patienten, die sonst nur noch eine Lebenserwartung von wenigen Wochen haben, überleben mit dieser Immuntherapie noch ein Jahr und länger.
Allerdings wirkt diese Behandlung nur bei wenigen Patienten, denn die meisten haben einen „kalten“ Tumor, das bedeutet, er wächst sozusagen unter dem Radar des Immunsystems, ist für die Abwehrzellen nicht erkennbar. „Eine neue Methode ist, diese kalten Tumoren durch sogenannte BiTEs (bispecific T cell engagers) heiß zu machen und damit Immunzellen in den Tumor einzubringen, die dann zum Beispiel programmierten Zelltod auslösen“, erklärt der Onkologe.
Lage des Tumors ist entscheidend
Daneben hat die Forschung der letzten Jahre immer weitere Unterscheidungsmerkmale bei Darmkrebs gefunden, die wiederum eine zielgerichtete und damit erfolgreichere Therapie ermöglichen. Ein auf den ersten Blick banaler, aber wichtiger Unterschied ist, ob der Tumor im rechten oder linken Teil des Darms entstanden ist. „Je nach Lage des Primärtumors weist er nämlich unterschiedliche molekulare Merkmale auf“, berichtet Thomas Seufferlein.
Diese molekularen Merkmale werden auch durch verschiedene Mutationen bestimmt, die sich jetzt klar identifizieren lassen, etwa BRAF- oder KRAS-Mutation. Andere Tumore verfügen über eine Amplifikation (Vermehrung) von HER2-Rezeptoren und sind auf diesem Wege mit speziellen Wirkstoffen angreifbar.
Anhand dieser Typisierung kann bei Darmkrebs also die Therapie zielgerichtet ausgewählt werden. „Leider wird diese Möglichkeit in der Praxis noch viel zu wenig genutzt“ bedauert der Experte. Er ist jedoch davon überzeugt, dass in Zukunft diese neuen Therapieansätze die Heilungschancen stark erhöhen könnten. So ist etwa auch für bestimmte Patienten nach der Operation eine Immuntherapie mit Checkpoint-Hemmern denkbar, was die Heilungschancen wesentlich verbessern könnte.
Heilungschancen steigen – auch durch optimale Vorsorge
Allgemein sind die Heilungschancen bei Darmkrebs deutlich gestiegen. Das liegt nicht nur daran, dass es nun mehr und zielgerichtete Therapiemöglichkeiten gibt. Durch Vorsorgemaßnahmen, vor allem die Darmspiegelung (Koloskopie) werden „bereits Vorstufen von Darmkrebs entdeckt und im Rahmen der Untersuchung gleich abgetragen, sowie Frühstadien erkannt“, sagt der Onkologe.
Deshalb ist die Darmspiegelung immer noch Goldstandard, wenn es um Darmkrebsvorsorge und Früherkennung geht – denn Untersuchung des Darms, Entnahme von Gewebeproben und Abtragen von Darmpolypen erfolgen zeitgleich, sozusagen in einem Aufwasch. Das kann der Stuhltest nicht leisten. Wenn er positiv reagiert, ist zusätzlich noch eine Koloskopie nötig, um Genaueres zu erkennen und eventuell zu behandeln.
Atemtest statt Koloskopie ist noch zu unsicher
Allerdings haben viele Patienten immer noch Angst vor der Koloskopie, obwohl sie sehr sicher und wenig belastend ist. Für diese könnte es bereits in fünf Jahren eine Alternative geben. Derzeit seien verschiedene Blut- und sogar ein Atemtest für die Früherkennung von Darmkrebs in der Prüfung, die schon eine hohe Zuverlässigkeit hätten, berichtet Thomas Seufferlein. Allerdings haben auch diese Vorsorgetests das Problem: Sie sind noch sehr unzuverlässsig hinsichtlich von „kritischen“ Polypen.
Fazit
Es wird in Zukunft zwar weitere, einfache und sehr zuverlässige Vorsorgetests für Darmkrebs geben, die Darmspiegelung bleibt wegen ihrer Eigenschaft, zugleich Diagnose- und Behandlungsmittel zu sein, jedoch unschlagbar. Bei der Behandlung vor allem von fortgeschrittenem Darmkrebs gibt es eine ganze Palette von neuen Therapiemöglichkeiten, die sozusagen die Schwachstelle des Tumors aufspüren, ihn dort empfindlich treffen oder ihn verletzlich machen – und zumindest aufhalten können.
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