Übertragbarkeit von SARS-CoV-2-Mutanten
Dass sich Viren verändern, ist nicht ungewöhnlich. Im Laufe der anhaltenden Corona-Pandemie wurden in verschiedenen Ländern neue SARS-CoV-2 Varianten nachgewiesen. Sind diese und möglicherweise noch neu entstehende Mutationen ansteckender als das ursprüngliche Virus? Forschende berichten nun über ein neues Vorgehen, das es ermöglicht, die Übertragbarkeit und Gefährlichkeit von Mutanten genau zu bestimmen.
Die Maßnahmen, die zur Eindämmung der Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und der durch den Erreger ausgelösten Krankheit COVID-19 ergriffen wurden, sollen nur langsam gelockert werden. Begründet wird dies vor allem mit den möglichen Risiken durch die Mutationen des Virus. Doch wie gefährlich sind die neuen Varianten wirklich? Dies kann nun genau bestimmt werden.
Wie gefährlich sind die Virus-Mutanten?
Wie gefährlich sind neue Mutationen des Coronavirus SARS-CoV-2? Laut einer Mitteilung hat ein internationales Team mit Beteiligung des Instituts für Virologie und Immunologie (IVI) des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV und der Universität Bern (Schweiz), der Centers for Disease Control and Prevention (USA), und des Friedrich-Loeffler Instituts (Deutschland), nun ein Vorgehen entwickelt, das die Übertragbarkeit von neuen Virus-Mutanten genau bestimmen kann.
Höhere Übertragung
Vor dem Aufkommen neuer Mutanten des Coronavirus wie beispielsweise der britischen Variante B.117 war weltweit die sogenannte SARS-CoV-2-Variante D614G am weitesten verbreitet. Doch auch diese Variante war bereits eine Mutante des ursprünglichen SARS-CoV-2-Erregers, der die Pandemie ausgelöst hatte.
Ein internationales Forschungsteam konnte jetzt im Labor und an Tiermodellen zeigen, weshalb die D614G-Variante gegenüber dem ursprünglichen SARS-CoV-2-Virus die Oberhand gewinnen konnte.
„Mit unserem Vorgehen können wir auch neu auftretende Mutationen wie die britische Variante B.117 schneller und besser charakterisieren“, erklärt Volker Thiel vom Institut für Virologie und Immunologie (IVI), einer der vier Hauptautoren der Studie.
Laut den Fachleuten sind die Erkenntnisse für die Bekämpfung neuer Mutanten, die überhand zu nehmen drohen, sehr wichtig, weil sie zeigen wie ein Fitness-Vorteil von Virus-Varianten zu höherer Übertragung führen kann.
Die Resultate wurden vor kurzem in dem Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht. Erste Ergebnisse waren schon früher auf einem sogenannten Preprint-Server zur wissenschaftlichen Diskussion freigegeben worden.
Schnellere Vermehrung
Wie in der Mitteilung erklärt wird, trägt die Variante D614G eine Mutation im Spike-Protein, die es dem Virus erleichtert an menschliche Zellen anzudocken.
In einem ersten Schritt konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am IVI und im Labor von David E. Wentworth an den Centers for Disease Control and Prevention in Atlanta (USA) in Zellkulturen mit menschlichen Zellen aus den oberen Atemwegen sowie aus der Nase zeigen, dass die D614G-Variante stärker bindet und sich in den Zellen auch schneller vermehrt als das ursprüngliche Virus.
Diese Befunde bestätigten sich anschließend auch in vivo, also im lebenden Organismus, in einem neuen Mausmodell, das in dieser Studie beschrieben wird. Auch diese Experimente wurden am IVI in der Gruppe von Charaf Benarafa, Leiter Molekulare Immunologie, durchgeführt.
Neue Mutation dominiert
Allerdings lässt sich die Ausbreitung von SARS-CoV-2-Viren in anderen Tieren besser messen. Als Tiermodelle eignen sich demnach besonders Hamster und Frettchen, die in der Infektionsforschung gut etabliert sind.
Um die Varianten zu vergleichen, wurde jeweils einem Tier ein Gemisch zu gleichen Teilen der ursprünglichen Version des Coronavirus SARS-CoV-2 und der D614G-Variante unter leichter Narkose in die Nase geträufelt.
Nach einem Tag wurde es dann mit einem gesunden Tier der gleichen Art zusammengebracht, um die Übertragung der beiden Varianten im direkten Vergleich zu messen. Der Versuch wurde mit je sechs solcher Tier-Paare wiederholt.
Laut den Forschenden wurde bei praktisch allen neu infizierten Tieren der Anteil der übertragenen SARS-CoV-2-Viren schon früh fast vollständig von der D614G-Variante dominiert. Die Unterscheidung der Varianten erfolgte dabei mit modernster Sequenziertechnologie sowie PCR-Technik.
Die Versuche fanden im Team von Martin Beer am Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, in Greifswald-Insel Riems (Deutschland) statt.
„Unsere Studie zeichnet sich dadurch aus, dass wir die effizientere Übertragung der mutierten Variante im direkten Vergleich mit der ursprünglichen Variante deutlich herausarbeiten konnten“, so Volker Thiel.
Auswirkungen auf die Fitness der neuen Varianten
Den Angaben zufolge kann mit diesem Vorgehen sogar jede einzelne Mutation oder gezielte Kombination von Mutationen, wie sie jetzt bei zahlreichen Virus-Varianten auftreten, getestet werden.
Dabei kann sich das IVI auf eine vor einem Jahr entwickelte Klontechnik stützen, mit der SARS-CoV-2-Viren im Labor exakt nachgebaut werden können. Vom britischen Virus ist zum Beispiel bekannt, dass es nicht nur eine, sondern oft mehr als 14 Mutationen aufweist, wovon acht im Spike-Protein auftreten.
So können mit Hilfe der Klontechnik beliebige Mutationen von Varianten nachgebaut werden, um sie in den hier beschriebenen und erfolgreich etablierten Zellkultur- und Tiermodellen gegeneinander „antreten“ zu lassen.
Wie es in der Mitteilung heißt, zeigen die Ergebnisse, wie sich einzelne Mutationen auf die Fitness und Übertragbarkeit der neuen Varianten auswirken. „Mit unserer Teststrategie können wir jetzt auch prüfen, wieso sich andere, neu auftauchende Virus-Varianten durchsetzen“, erläutert Volker Thiel. (ad)
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