Gesundheit

PPI – wer profitiert, wer sollte sie wieder absetzen?

Zehn Punkte sollen bei der Entscheidung helfen, ob Patienten einen Protonenpumpenhemmer wie Pantoprazol oder Omeprazol weiter einnehmen sollen oder besser absetzen. Wann ist Deprescribing sinnvoll, wann gefährlich?

Protonenpumpeninhibitoren (PPI) sind gängige, recht selektiv wirksame und in der Regel auch gut verträgliche Arzneimittel. Indiziert sind sie bei Refluxösophagitis, Magen- und Darmgeschwüren, Eradikation von Helicobacter pylori-Infektionen sowie Erkrankungen, die mit pathologischer Hypersekretion von Magensäure einhergehen. Allerdings zählen PPI auch zu den Präparaten, die gerne einfach weiter verordnet oder eingenommen werden. Einer Studie1 aus UK von 2016 zufolge, nimmt mehr als ein Viertel der Patienten (26,7 Prozent) ihre PPI langfristig – also über ein Jahr – ein. Und: Davon hatten 60 Prozent der Patienten nicht vor, diesen wieder abzusetzen. Zudem fehlte laut einer weiteren Untersuchung2 aus den Vereinigten Staaten im ambulanten Setting bei 60 Prozent der PPI-Anwender:innen die Indikation für die Einnahme. Vereinfacht wird der Zugang zu PPI, seit Patienten Omeprazol, Esomeprazol und Pantoprazol auch rezeptfrei (14-tägige Behandlung von saurem Aufstoßen und Sodbrennen) erhalten.

Leicht verständlich, dass sich PPI geradezu für „Deprescribing“ anbieten: „Die Überverschreibung von PPI verursacht wirtschaftlich Kosten und trägt zur Polypharmazie bei“, erklären Wissenschaftler in einem jüngst in „Gastroenterology“3 veröffentlichten Experten-Review. Nur: Wer profitiert von PPI und sollte die Medikation beibehalten, bei wem sind die Säureblocker überflüssig? In einem klinischen Update geben sie zehn Best-Practice-Tipps, wie man diese Patienten jeweils identifizieren kann.

1. Regelmäßige Überprüfung der Indikation durch den Hausarzt

„Bei allen Patienten, die einen PPI einnehmen, sollte regelmäßig überprüft werden, ob die Indikation für die Einnahme weiterhin besteht, und diese Indikation sollte dokumentiert werden“. Zudem raten die Best-Practice-Autoren, dass die Hausärzte diese Aufgabe übernehmen sollten, da sie am ehesten mitbekommen – anders als der Gastroenterologe –, ob Patienten PPI in der Selbstmedikation einnehmen. Im klinischen Setting könne auch ein „multidisziplinärer Ansatz, der sich auf Apotheker oder Pflegepersonal stützt“, die Identifizierung von unangemessener PPI-Anwendung erleichtern.

2. Keine Indikation – versuchsweise absetzen

Liegt keine Indikation für die chronische Einnahme eines PPI vor, sollte „versuchsweise“ der PPI auch abgesetzt werden – und nicht erneut verordnet. Wann PPI kurzfristig oder langfristig oder eben gar nicht indiziert sind, erklären die Best-Practice-Autoren in einer Tabelle.

3. Zweimal tägliche Anwendung auf einmal tägliche kürzen

Bei Patienten, die PPI chronisch anwenden müssen, sollte überlegt werden, ob eine einmal tägliche Einnahme genügt. Laut den Autoren wurden PPI in doppelter Dosierung in keiner RCT untersucht, dennoch nehmen 15 Prozent der PPI-Anwender diese höher dosiert ein. Da hochdosierte PPI nur bei sehr wenigen Indikationen gerechtfertigt seien (z. B. dem sehr seltenen Zollinger-Ellison-Syndrom), sollte eine Dosisreduzierung bei den meisten hochdosierten Patienten erwogen werden. So konnten in einer Studie mit 117 GERD-Patienten, die zunächst höhere PPI-Dosen als die Standarddosen eingenommen hatten, 80 Prozent auf die Standarddosis eingestellt werden, ohne dass sich ihr Zustand signifikant verschlechterte. „Daher kann eine Deeskalation der PPI-Dosis bei GERD für die Mehrheit der Patienten wirksam sein“.

Zollinger-Ellison-Syndrom

Beim Zollinger-Ellison-Syndrom kommt es zu einer Hypersekretion von Gastrin. Ursache ist ein Gastrinom, ein Gastrin-sezernierender Tumor, der die Gastrinspiegel erhöht und dadurch auch die Produktion von Magensäure steigert. Das Zollinger-Ellison-Syndrom äußert sich dadurch durch peptische Störungen, wie Ulzera und Ösophagitis.

4. PPI sollten bei komplizierter GERD, eosinophiler Ösophagitis, peptischer Striktur und Ösophagus-Ulkus beibehalten werden

Nicht absetzen sollte man Protonenpumpenhemmer hingegen, wenn Patienten diese aufgrund von komplizierter gastroösophagealer Refluxkrankheit (GERD), z. B. mit schwerer erosiver Ösophagitis, Ösophagusulkus oder peptischer Striktur in der Vorgeschichte haben. Die Begründung: Etwa 20 Prozent der unbehandelten GERD-Patienten entwickeln eine erosive Ösophagitis, die zu Komplikationen wie GI-Blutungen führen kann. Auch Patienten mit Barrett-Ösophagitis sind häufiger von einer erosiven Ösophagitis betroffen. PPI haben sich bei der Heilung einer erosiven Ösophagitis bewährt und verhindern auch das Wiederauftreten, weswegen bei „Patienten mit bekannter schwerer erosiver Ösophagitis (Los-Angeleszolling-Klassifikation Grad C/D) oder bei Patienten mit GERD-bedingten Komplikationen ein Absetzen von PPIs im Allgemeinen nicht in Betracht gezogen werden“ sollte. Entscheidet man sich dennoch für einen Absetzversuch, sollte bei den ersten Symptomen wieder mit der PPI-Einnahme begonnen werden.

5. Kein Absetzen des PPI bei Patienten mit bekanntem Barrett-Ösophagus, eosinophiler Ösophagitis oder idiopathischer Lungenfibrose

Nicht in allen Fällen schafft Depriscribing Gutes: „Es gibt mehrere Erkrankungen, bei denen ein Versuch, die Verschreibung aufzuheben, potenziell mehr Schaden als Nutzen anrichtet und daher nicht weiterverfolgt werden sollte“, erkläre die Autoren. PPI verringern bei GERD-Patienten mit Barrett-Ösophagus (Vorläuferläsion) das Risiko für ein Adenokarzinom der Speiseröhre.

Barrett-Syndrom

Wandelt sich das Plattenepithel der Speiseröhre in eine Zylinderepithel um, spricht man von einem Barrett-Ösophagus. Diese Metaplasie stellt eine Krebsvorstufe dar (Präkanzerose für Barret-Karzinom).

Eosinophile Ösophagitis: Die Langzeitfolgen einer unbehandelten eosinophilen Ösophagitis sind „nicht gut beschrieben“. Etwa die Hälfte der Patienten spricht auf eine Behandlung mit PPI an und geht in Remission, während das Absetzen zu einer „hohen Rate an Rezidiven“ führt.
Auch gibt es Hinweise, dass PPI bei idiopathischen Lungenfibrose das Fortschreiten der Krankheit verringert. Solange das Gegenteil nicht bewiesen ist, befürworten die Autoren eine fortgeführte PPI-Therapie.

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