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Blaues Brot und Bier: Sind Lebensmittel aus Mikroalgen die Zukunft?

Zehn Milliarden Menschen könnten bis zur Mitte des Jahrhunderts auf der Erde leben, essen und Energie verbrauchen.

Erdöl und Ackerflächen werden bis dahin knapper – die Frage nach alternativen Rohstoffen wird daher immer drängender.

Noch etwa 20 Jahre hat die Menschheit Zeit, geeignete Alternativen zu herkömmlichen Nahrungs- und Energiequellen zu finden, schätzt Carola Griehl von der Hochschule für angewandte Wissenschaft Anhalt.

In Mikroalgen sieht die Wissenschaftlerin eine vielversprechende Option: „Algen sind Multitalente.“

Forschung an Mikroalgen

Die Biochemikerin leitet das Algenkompetenzzentrum der Hochschule und forscht mit ihrem Team vor allem an Mikroalgen, einzelligen Lebewesen, die fast überall vorkommen.

Die Forscher begnügen sich dabei aber nicht mit Aufsätzen und anderen Denkschriften: Sie wollen ihre Forschung – wie es sich für eine Hochschule für angewandte Wissenschaft gehört – nutzbar machen.

„Das Besondere an unserem Standort ist, dass wir nicht nur eine eigene Stammsammlung und Labore zur Anzucht der Algen haben, sondern auch ein Technikum“, erklärt die Professorin.

„Damit können wir die wissenschaftlichen Ergebnisse direkt in die industrielle Praxis überführen.“

Ein guter Rohstoff allein genüge aber nicht, sagt Griehl. Man müsse auch Produkte entwickeln, die auf dem Markt funktionieren, um wirkliche Alternativen zu schaffen.

Von der Grundlagenforschung über die Zucht und Aufbereitung der Algen bis zur Produktentwicklung, Produktion und Vermarktung der Algenprodukte geschieht daher alles in den Räumen der Hochschule in Köthen und Bernburg.

Versuche im Ernährungsbereich

Kekse und Eis haben sie aus Algen schon hergestellt.

Auf der Grünen Woche zeigen die Forscher nun aber ausgerechnet an zwei kulinarischen Heiligtümern der Deutschen, wie vielseitig Algen allein im Ernährungsbereich einsetzbar sind: Mit blauem Bier und blauem Brot will die Hochschule beim Sachsen-Anhalt-Tag am Montag die Öffentlichkeit von den winzigen Wunderzellen überzeugen.

Das Brot entwickelten drei Ökotrophologie-Studentinnen in einem Praxis-Seminar. Ein Bäcker aus Barleben war nach der Grünen Woche 2019 mit der Idee eines blauen Brotes an die Hochschule herangetreten.

Die Studentinnen nahmen sich der Sache an, probierten im Frühling und Sommer mit der Alge herum und entwickelten Stück für Stück je ein Rezept für ein Sauerteigbrot und ein Baguette.

Schon eine Messerspitze eines aus der Mikroalge Spirulina gewonnenen Farbstoffes genügt, um ein ganzes Brot knallig grünblau zu färben.

Das blaue Bier hingegen war ursprünglich nur als Gag gedacht. Griehl und ihre Kollegen wollten damit Gäste einer Informationsveranstaltung überraschen.

Das ebenfalls durch Spirulina gebläute Gebräu – das genaue Rezept bleibt vorerst das Geheimnis der Hochschule – kam dann aber so gut an, dass die Algen-Forscher weiter brauten.

Allein im Januar hat Griehl schon zwei Anfragen über mehrere hundert Liter des von den Forschern „Real Ocean Blue“ getauften Getränks erreicht. Aber man könne ja nicht ständig brauen, sonst kämen Forschung und Lehre zu kurz, sagt Griehl.

Zumal die Kapazitäten in der Hochschulbrauerei begrenzt sind. Das Algenzentrum steht bereits in Kontakt mit einer Brauerei, die größere Mengen produzieren soll.

Mikroalgen haben großes Potenzial

„Wir wollen den Fortschritt, den wir an der Hochschule Anhalt entwickelt haben, auch hier in der Region wirtschaftlich installieren“, sagt Griehl.

Die Wissenschaftlerin sieht die Zeit der Alge langsam, aber sicher gekommen: „Jetzt ist die Zeit dafür auf jeden Fall reifer als vor 20 Jahren. Die Menschen denken umweltbewusster, viele junge Menschen ernähren sich vegetarisch.“

Doch Mikroalgen sind weit mehr als einfach nur vegetarisch: Die Zehntausenden verschiedenen Arten enthalten unzählige verschiedene Inhaltsstoffe, aus denen sich Nahrung, Arzneimittel oder Kunststoffe entwickeln lassen.

Sie wachsen 15- bis 20-mal schneller als die meisten Pflanzen und brauchen dafür nur sehr wenig Platz.

Die Hochschule Anhalt züchtet ihre Algen in Bioreaktoren, die an die Form von Tannenbäumen erinnern: Transparente Schläuche, durch die das algenhaltige Wasser fließt, wickeln sich um ein konisches Gerüst.

So können die Einzeller das einfallende Licht optimal nutzen.

In nur 14 Tagen wächst aus wenigen Algen-Zellen, Wasser, Licht und CO2 eine ganze Charge der schlammigen Biomasse heran. Die wird dann mit Heißluft getrocknet und ist als feines, grünes Pulver bereit zur Weiterverarbeitung.

Für die Versorgung der Massen mit Essen, Kraftstoff oder Kunststoff reicht die Anlage der Hochschule nicht. Noch in diesem Jahr soll in Sachsen-Anhalt aber eine Farm für die Massenproduktion entstehen.

Deutsche Presse-Agentur (dpa)

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