Gesundheit

Bluthochdruck: Den Blutdruck reduzieren ist nicht immer gesundheitlich besser

Bei manchen Patienten ist Blutdruck senken nicht gesund

Menschen mit hohem Blutdruck wird in der Regel geraten, diesen zu senken, um dadurch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt zu reduzieren. Doch deutsche Forscher haben nun festgestellt, dass es nicht für alle Patienten ratsam ist, wenn ihr Blutdruck auf die geltenden Richtwerte eingestellt wird.

Sterberisiko steigt

Mediziner haben bislang angenommen, dass es für ältere Menschen gesünder ist, wenn ihr Blutdruck auf unter 140/90 mmHg eingestellt wird. Doch Forscher der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben festgestellt, dass diese Annahme nicht für alle Bluthochdruck-Patienten gilt. Im Gegenteil: Bei Personen, die älter als 80 Jahre sind oder die bereits einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt hatten, steigt das Sterberisiko sogar.

In einer Studie hat sich gezeigt, dass es nicht für alle Patienten ratsam ist, wenn ihr Blutdruck auf die geltenden Richtwerte eingestellt wird. (Bild: Minerva Studio/fotolia.com)

Veränderte Blutdruckrichtwerte

Wie der Berufsverband Deutscher Internisten (BDI) auf seiner Webseite „Internisten im Netz“ schreibt, haben etwa 70 bis 80 Prozent der über 70-Jährigen einen erhöhten Blutdruck, der langfristig lebensbedrohliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall nach sich ziehen kann.

Bei der Entscheidung, ob und wie Ärztinnen und Ärzte Menschen mit Hypertonie behandeln, richten sie sich nach den Empfehlungen der Fachgesellschaften.

Bei über 65-Jährigen soll der Blutdruck laut den europäischen Leitlinien auf unter 140/90 mmHg eingestellt werden, um sie vor lebensbedrohlichen Herzkrankheiten zu schützen.

Diese Zielwerte gelten auch für über 80-Jährige, bei ihnen sind aber verstärkt individuelle Faktoren wie Begleiterkrankungen zu berücksichtigen.

In den USA gelten seit 2017 neue Blutdruckrichtwerte. Fachgesellschaften wie die American College of Cardiology (ACC) und die American Heart Association (AHA) empfehlen für alle Bluthochdruckpatienten, die älter sind als 65 Jahre, eine Einstellung des Blutdrucks auf unter 130/80 mmHg.

Welche Zielwerte nun aber tatsächlich für die Behandlung älterer Menschen mit Bluthochdruck die besten sind, ist Gegenstand einer aktuellen wissenschaftlichen Debatte.

Keine grundsätzlich schützende Wirkung

Forschende der Charité konnten jetzt in einer Beobachtungsstudie zeigen, dass die medikamentöse Senkung des Blutdrucks auf unter 140/90 mmHg – und insbesondere auf unter 130/90 mmHg – nicht grundsätzlich eine schützende Wirkung hat.

Grundlage der Analyse sind epidemiologische Daten von über 1.600 Frauen und Männern, die zu Beginn der Studie im Jahr 2009 mindestens 70 Jahre alt waren und unter blutdrucksenkender Behandlung standen.

Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler feststellten, hatten bei den über 80-Jährigen diejenigen, deren Blutdruck bei unter 140/90 mmHg lag, ein um 40 Prozent höheres Sterberisiko als diejenigen, deren Blutdruck über 140/90 mmHg betrug.

Eine ähnliche Beobachtung machte das Forscherteam bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Studie, die in der Vergangenheit einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erlitten hatten:

Bei denjenigen, deren Blutdruck bei unter 140/90 mmHg lag, stieg das Sterberisiko sogar um 61 Prozent im Vergleich zu denjenigen, deren Blutdruck trotz der medikamentösen Behandlung oberhalb dieses Grenzwertes blieb.

Die Studienergebnisse wurden im Fachmagazin „European Heart Journal“ veröffentlicht.

„Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass die Behandlung eines erhöhten Blutdrucks bei diesen Patientengruppen individuell angepasst werden sollte“, erklärte Dr. Antonios Douros vom Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité in einer Mitteilung.

„Wir sollten davon abkommen, die Empfehlungen der Fachgesellschaften pauschal bei allen Patientengruppen anzuwenden“, betonte der Erstautor der Studie.

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Über die Studie

Den Angaben zufolge wurden die epidemiologischen Daten im Rahmen der „Berliner Initiative Studie“, die von Prof. Dr. Elke Schäffner, Stellvertretende Direktorin des Instituts für Public Health der Charité, geleitet wird, erfasst.

Ihr Team befragte die Studienteilnehmer alle zwei Jahre zu ihren Erkrankungen und Medikamenten, maß Blutdruck und Nierenfunktion und analysierte Blut und Urin.

Nach sechs Jahren wurde mit statistischen Methoden untersucht, inwiefern der zu Beginn gemessene Blutdruck mit dem Tod in Zusammenhang stand.

Dabei wurden auch Einflussfaktoren wie Geschlecht, Body-Mass-Index, Raucherstatus, Alkoholkonsum, Diabetes und die Anzahl der blutdrucksenkenden Mittel berücksichtigt.

„Als nächstes wollen wir untersuchen, welche Patientengruppen von einer Blutdrucksenkung tatsächlich profitieren“, so Prof. Schäffner. (ad)

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