Wie gut wirkt der aktuelle Grippeimpfstoff? Diese Frage stellen sich Expert:innen jedes Jahr erneut. Denn die Zusammensetzung der aktuellen Vakzine basiert auf einer Art evidenzbasiertem Blick in die Glaskugel und diese Vorhersage passt mal besser und mal weniger gut. Für die kommende Saison ist die Prognose allerdings besonders schwer. Denn pandemiebedingt ist die Datenbasis deutlich schlechter als sonst.
Influenza-Impfstoffe müssen bekanntermaßen jährlich den zirkulierenden Varianten angepasst werden. Die Wirksamkeit der Grippe-Impfstoffe für die anstehende Saison lässt sich laut dem Präsidenten des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, aktuell kaum abschätzen: „Die Datenbasis, auf der der Impfstoff erarbeitet wurde, ist nicht so gut wie die Datenbasis der Vorjahre“, sagte Wieler zum Start der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) am gestrigen Sonntag in Berlin. Grundlage der Abschätzung bildet ein weltweites Netzwerk von Überwachungsstellen, mit der die um den Globus laufende Grippewelle verfolgt und analysiert wird. Wegen der Corona-Pandemie sei aber zum einen ein Teil dieses Systems zusammengebrochen, erklärte Wieler. Zum anderen habe es im Zuge der Schutzmaßnahmen vielfach weit weniger Influenza-Fälle gegeben, auch das mache Rückschlüsse auf die in dieser Saison am stärksten kursierenden Grippestämme schwierig.
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Für Deutschland hatte das RKI im vergangenen Winter mit nur einigen Hundert im Labor bestätigten Fällen die wohl schwächste Grippe-Saison seit Jahrzehnten erfasst – im Jahr davor waren es noch mehr als 180.000 Fälle. Nach Definition der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) am RKI wurden nicht einmal die Kriterien für den Beginn einer Grippewelle erfüllt, wie es hieß. „Es hat in dieser Saison überhaupt keine Grippewelle gegeben.“ Auch die meisten anderen Länder der Nordhalbkugel blieben demnach von der Welle verschont. Bereits die Saison 2019/20 war – verglichen mit den drei vorherigen Saisons – um mindestens zwei Wochen kürzer.
Das RKI führte dies bereits auf die breiten Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie zurück. Insbesondere seien Schulschließungen zu nennen, da Kinder in der Verbreitung der jährlichen Grippe eine wesentliche Rolle spielten, erklärte das RKI.
Warum die Schutzmaßnahmen die Influenza deutlich besser eindämmen konnten als SARS-CoV2, erklärte Lothar Wieler im vergangenen Jahr anhand von drei Punkten. So übertrage sich SARS-CoV-2 sehr effektiv über Aerosole. Zudem zeige das neuartige Coronavirus eine „hohe Übertagungsrate“ noch vor Symptombeginn. Und drittens macht Wieler die „fehlende Immunität“ in der Bevölkerung dafür verantwortlich.
RKI rechnet mit einer erhöhten Inzidenz von Atemwegsinfektionen
Das Robert Koch-Institut rechnet mit einer erhöhten Inzidenz von Atemwegsinfektionen im kommenden Winter: Neben Influenza nennt das RKI hier explizit das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV): „Erschwerend ist im Herbst ein paralleler Anstieg von SARS-CoV-2, Influenza und RSV aufgrund der reduzierten Grundimmunität (ausgebliebene Booster-Infektionen für Influenza und RSV) der letzten beiden Saisons zu erwarten; das gemeinsame Auftreten dieser Infektionskrankheiten kann zu einer deutlichen Gesundheitsbelastung durch die Erkrankungen selbst und zusätzlich durch sekundäre Pneumonien führen“, schreibt das RKI. Deswegen sollten Präventions- und Versorgungsmöglichkeiten zu Influenza, RSV-Erkrankungen und Pneumonien insbesondere bei Kindern und in der älteren Bevölkerung vorbereitet werden (Influenza-Impfung, passiver Schutz gegen RSV, Impfung gegen Pneumokokken und Meningokokken etc.) und die Impfstoffe sollten frühzeitig bestellt, gelagert und eine umfangreiche Informationskampagne initiiert werden, rät das Robert Koch-Institut.
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