Gesundheit

Hamsterkäufe sind nicht nur ignorant, sondern auch asozial und gefährlich

Am Anfang war es noch ganz witzig. Kommt schließlich selten vor, dass man in deutschen Supermärkten vor leeren Regalen steht, in denen nur noch ein paar Krümel Zucker oder eine letzte Packung Toilettenpapier darauf hinweisen, was hier normalerweise dutzendfach vorrätig sein müsste. Hat was von Katastrophenfilm. Die Apokalypse naht. Jaja. Haha.

Aber spätestens jetzt ist der Spaß vorbei. Denn die Hamsterkäufe der vergangenen Tage, die der diffusen Angst vor dem Coronavirus geschuldet sind, haben bei den Tafeln in Deutschland eine schlechtere Versorgung zur Folge. Mehrere Tafeln hätten zuletzt deutlich weniger Lebensmittel für die Weiterverteilung an Bedürftige erhalten, beklagt der Verbandsvorsitzende Jochen Brühl in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Wegen der Vorratskäufe durch viele Kunden bleibe den Supermärkten am Ende weniger Ware, die sie spenden könnten. Laut Brühl mussten die Tafeln daher in den vergangenen Tagen „stark improvisieren“ und konnten weniger Lebensmittel ausgeben.

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Die Hamsterkäufe und der Hilferuf der Tafeln

Der Hilferuf der Tafeln ist jüngster Beleg dafür, dass die Hamsterkäufe nicht nur ignorant sind, sondern schlicht asozial – und gefährlich. Die Übersprungshandlung, mit der viele Bürger dem unsichtbaren Feind begegnen wollen, lässt sich längst nicht mehr rechtfertigen als Reaktion auf unruhige und unsichere Zeiten.

Experten versichern landauf, landab seit Tagen, dass es wegen des Coronavirus keinen Anlass für das Horten von Lebensmitteln gebe. Zwar raten Innenministerium und Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ohnehin, stets Vorräte für rund zehn Tage im Haushalt zu haben – damit beziehen sie sich aber auf Stromausfälle oder extreme Wetterlagen.

Die Verbreitung des Coronavirus ist aber gerade kein Katastrophenfall und demnach kein Grund, plötzlich wieder auf verschmähtes Dosenbrot zurückzugreifen oder Ravioli in Festivalmengen einzukaufen. Doch die Angst vor Covid-19 ist mindestens so ansteckend wie das neuartige Virus selbst: Wer leere Regale sieht, den befällt womöglich selbst die Panik, am Ende mit leeren Händen dazustehen. „Die Erregung breitet sich schneller aus als der Erreger“, bringt Stephan Grünewald, Psychologe und Geschäftsführer des Markt- und Medienforschungsinstituts Rheingold, diese psychologische Kettenreaktion bei „tagesschau.de“ auf den Punkt.

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Wenn sich also die Tafeln um den Lebensmittelnachschub sorgen, wenn deshalb sogar Ausgabestellen für Bedürftige geschlossen bleiben müssen, dann ist eine Grenze überschritten, und dann ist es die Pflicht der Stresskäufer, endlich einmal tief durchzuatmen und das eigene Verhalten zu hinterfragen.

Das gilt erst recht für medizinische Produkte: Gesichtsmasken und Desinfektionsmittel sind Alltagsgegenstände für medizinisches Personal, nicht für Privatpersonen. Wer diese Produkte hortet, verursacht dort Engpässe, wo sie wirklich gebraucht werden.

Neue Desinfektionsmittel: Ansturm auf Aldi-Märkte

Dies auch als womöglich interessante Information für all jene, die gerade bei Aldi Schlange stehen, um das neu eingetroffene Desinfektionsmittel abzugreifen. Zwar steht die Aktion offiziell nicht in Zusammenhang mit dem Coronavirus – „Wir haben seit Jahren im März, wenn die Reisezeit beginnt, immer wieder ein Aktionssortiment mit Desinfektionsmittel“, betont eine Sprecherin von Aldi Süd –, aber der Ansturm spricht für sich.

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Ein Ansturm, der wie alle Motivation für die aktuellen Hamsterkäufe jeder rationalen Grundlage entbehrt. Aber was ist in diesen Tagen schon rational? Psychologe Grünewald sieht in eventueller 14-tägiger Quarantäne schließlich auch die Verheißung mitschwingen, „mal zwei Wochen lang aus allen Zwängen raus zu sein, den Stress los zu sein und sich allein oder im Kreis der Familie den eigenen Interessen widmen zu können.“ Diesen Hamsterkäufern signalisiere die Ausnahmesituation ein „temporäres Ende des Hamsterrades“.

Das lässt sich wiederum sogar nachvollziehen. Denn: Wer wegen Corona palettenweise hamstert, um seinen Alltag zu pimpen, der sollte wirklich in Panik verfallen. Aber nicht wegen Corona. Sondern weil in seinem Leben grundsätzlich etwas schief läuft.

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