Diabetes frühzeitig erkennen und verhindern
Typ-2-Diabetes entsteht nicht plötzlich über Nacht, sondern in der Regel über viele Jahre hinweg langsam und schleichend aus Vorstufen heraus. Dieser Zustand der sogenannten Prädiabetes wird oft von Betroffenen und Gesundheitspersonal übersehen. Ein deutsches Forschungsteam konnte nun im Rahmen einer Langzeitstudie sechs Subtypen des Prädiabetes identifizieren, die sich in Bezug auf Risikofaktoren, Krankheitsentstehung und Prognose deutlich unterscheiden – ein wichtiger Ansatz für individuell angepasste Maßnahmen zum Gegensteuern.
Forschende der Universitätsklinik Tübingen, des Instituts für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) des Helmholtz Zentrums München und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) stellen neue Subtypen von Prädiabetes vor, aus denen sich wichtige Ansätze für individuell angepasste präventive und therapeutische Maßnahmen ableiten lassen. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature Medicine“ vorgestellt.
Diabetes als Spiegel unserer Gesellschaft
Bewegungsmangel, viel Zeit im Sitzen verbringen, schlechte Ernährung und Übergewicht sind typische Risikofaktoren für die Entstehung von Typ-2-Diabetes. Gleichzeitig sind diese Risikofaktoren auch Teil eines typischen Lebensstils in den westlichen Ländern. Dies spiegelt sich auch in den seit Jahrzehnten steigenden Zahlen von Diabeteserkrankungen wider. Bereits acht Millionen Menschen leiden allein in Deutschland unter der gravierenden Stoffwechselstörung, also rund jede zehnte Person.
Diabetes kommt auf leisen Sohlen
Prädiabetes wird von den Betroffenen selbst oft gar nicht bemerkt. Auch in der Arztpraxis werden Diabetes-Vorstufen übersehen, da die Blutzuckerwerte noch unter einem kritischen Niveau liegen. Trotzdem ist die Regulation des Blutzuckerspiegels schon zu diesem Zeitpunkt beeinträchtigt. Prädiabetes effektiv zu identifizieren und bereits früh gegenzusteuern, könnte ein Weg sein, um eine schwere, chronische Krankheit zu verhindern, die die Lebenserwartung um bis zu zehn Jahre herabsetzen kann.
Sechs Subtypen von Prädiabetes kategorisiert
Das deutsche Forschungsteam analysierte nun die Merkmale, an denen Prädiabetes besser erkannt werden kann. Dabei stellte sich heraus, dass es keine typische Form gibt, sondern vielmehr sechs Subtypen von Prädiabetes, die sich alle voneinander abgrenzen lassen.
Ergebnisse aus 25 Jahren Diabetesforschung
„Wie rasch sich aus einem Prädiabetes ein manifester Diabetes entwickelt und welches Risiko für Folgeerkrankungen besteht, ist jedoch von Patient zu Patient sehr unterschiedlich“, erklärt Professor Dr. med. Robert Wagner vom Universitätsklinikum Tübingen. Die Forschenden analysierten Daten aus einer Langzeitstudie, die bereits vor 25 Jahren von Professor Dr. med. Dr. h.c. mult. Hans-Ulrich Häring mit dem Ziel initiiert wurde, die Entstehung von Diabetes besser zu verstehen. Dabei wurden rund 900 Teilnehmende mit hohem Diabetesrisiko regelmäßig klinisch, laborchemisch sowie in der Kernspintomografie umfassend untersucht.
„Neben Parametern des Zuckerstoffwechsels wurden auch die Insulinsekretion und -sensitivität gemessen, sowie die Verteilung des Körperfetts, die Blutfettwerte und genetische Faktoren analysiert“, erläutert Wagner die Vorgehensweise der Langzeitstudie.
Mit den gewonnenen Erkenntnissen konnten die Arbeitsgruppe schließlich verschiedene Arten von Prädiabetes dingfest machen. „Es zeigten sich bei den Probanden sechs Subtypen, die sich hinsichtlich ihrer individuellen Risikofaktoren, als auch beim weiteren Krankheitsverlauf – also der Entwicklung eines manifesten Diabetes und des Risikos für Folgeerkrankungen – deutlich unterschieden“, fügt Professor Dr. med. Andreas Fritsche hinzu.
Prädiabetes setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen
So zeigte sich beispielsweise, dass nicht jeder Mensch mit Übergewicht automatisch zur Diabetes-Risikogruppe zählt. „Erst die Kombination einzelner Parameter wie Körperfettverteilung oder Insulinsensitivität macht eine klarere Einschätzung möglich“, unterstreichen die Studienleiter Häring und Fritsche.
Blutzuckerwerte messen reicht nicht
„Allein aufgrund der Blutzuckerwerte, auf der die Diagnose von einem Prädiabetes oder Diabetes meist fußt, konnten wir diese Vorhersagen zu einer späteren Manifestation eines Diabetes bei den Probanden jedoch nicht treffen“, stellen die Forschenden klar. Zur Diabetes-Risikoeinschätzung müssten andere Parameter mit einbezogen werden.
Gute Aussichten auf verbesserte Diabetes-Prävention
„Aufbauend auf diesen bahnbrechenden Ergebnissen werden wir zukünftig die Mechanismen und maßgeschneiderte therapeutische Strategien in den Hochrisikoclustern untersuchen“, ergänzt Professor Dr. med. Andreas Birkenfeld, Ärztlicher Direktor der Klinik für Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie vom Universitätsklinikum Tübingen und DZD-Sprecher.
„Es ist von immenser Bedeutung, die Frühphase der Stoffwechselerkrankung weiter zu erforschen – auch angesichts der weiter steigenden Zahlen der Diabeteserkrankten“, ergänzt die Präsidentin der Deutschen Diabetes Gesellschaft Professorin Dr. med. Monika Kellerer. Die Ergebnisse seien ein wichtiger Schritt in Richtung Präzisionsmedizin.
Neuer Therapieansatz bei Diabetes
Nicht nur in der Prävention von Diabetes sondern auch bei der Erforschung neuer Behandlungsmethoden konnte ein Erfolg verzeichnet werden. Eine deutsche Arbeitsgruppe stellte kürzlich einen neuen Ansatz zur medikamentösen Behandlung von Typ-1- und Typ-2-Diabetes vor, der erstmalig darauf abzielt, die Krankheit zu heilen. Kernpunkt der Forschung ist ein neu entdeckter Rezeptor namens „Inceptor“, dessen Blockierung das Potenzial hat, Insulin-produzierende Betazellen zu regenerieren und vor einer Insulinresistenz zu schützen. Mehr Informationen hierzu finden Sie in dem Artikel: Diabetes: Erster heilender Therapieansatz vorgestellt. (vb)
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