Gesundheit

Schlaganfälle, Infarkte, Krebs: Ärzte appellieren, mit Symptomen in Klinik zu gehen

Viele Kliniken in Deutschland liefen die vergangenen Wochen im Notbetrieb, planbare Operationen mussten aufgrund der Corona-Krise verschoben werden. Das hat auch zur Folge, dass immer weniger Menschen sich in die Krankenhäuser trauen. Experten vermuten deshalb einen hohen Kollateralschaden.

Mediziner und Krankenhäuser beobachten in der Corona-Krise einen beunruhigenden Trend. Aus Angst vor einer Infektion kommen sehr viel weniger Patienten mit akutem Behandlungsbedarf in die Kliniken. „Wir stellen fest, dass Diagnosen wie Schlaganfallverdacht, Herzinfarkt oder Blinddarmentzündung deutlich nachgelassen haben“, sagt Siegfried Hasenbein, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft in München. Gleiches gilt für Krebspatienten.

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Weniger Patienten mit dringenden Symptomen

Eine genaue Statistik gibt es noch nicht, aber Mediziner registrieren das Phänomen deutschlandweit: „Wir haben auf einmal sehr viel weniger Patienten mit dringenden Symptomen“, sagt der Lungenkrebsspezialist Niels Reinmuth, Chefarzt für Thorakale Onkologie an der Asklepios Fachklinik in Gauting bei München. „Das ist etwas, das wir alle beobachten.“ Ein Hauptgrund ist vermutlich Furcht: „Die Angst, sich zu infizieren, ist offenbar so groß, dass viele lieber gar nicht zum Arzt gehen“, meint ein Sprecher der Deutschen Krankenhausgesellschaft in Berlin.

Aus ärztlicher Sicht ist das besorgniserregend. „Wir haben die Sorge, dass wir im Sommer viele Patienten bekommen werden, die besser vier Monate früher gekommen wären“, sagt Reinmuth. Kardiologen diskutieren bereits, ob Deutschland nach Corona eine Welle der Herzschwäche bevorstehen könnte, wie eine Münchner Fachärztin berichtet. „Man muss wirklich dringend dazu aufrufen: Bleiben Sie nicht mit ernsten Problemen zu Hause“, sagt der Onkologe.  

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Herzinfarkte und Schlaganfälle bleiben aus: Virus-Angst darf keine anderen Todesfälle verursachen

2018 gab es 210.000 Herzinfarkte und etwa 300.000 Schlaganfälle in Deutschland. Dass sich diese Zahlen wegen der Corona-Epidemie plötzlich verringert haben, glaubt niemand in der medizinischen Gemeinde. Zu dem Phänomen trägt mutmaßlich der Umstand bei, dass viele niedergelassene Fachärzte ihren Praxisbetrieb eingeschränkt haben, so dass weniger Patienten überwiesen werden. „Es muss aber vermieden werden, dass Angst vor dem Virus andere Krankheiten und Todesfälle verursacht“, sagt ein Sprecher der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf.

Auch weniger Krebsbehandlungen

Doch nicht nur Herzinfarkte und Schlaganfälle bleiben aus. Britische Forscher beobachten zudem einen Rückgang von Krebs-Diagnosen. In den kommenden zwölf Monaten könnten in Großbritannien wegen des Corona-Lockdowns deshalb den Forschern zufolge rund 20 Prozent mehr neu diagnostizierte Krebspatienten sterben als sonst in diesem Zeitraum. Zu diesem Schätzwert kommen die Wissenschaftler wegen der stark zurückgegangenen Aktivitäten bei der Diagnostik und Behandlung von Krebserkrankungen.

Die Analyse von Daten aus wichtigen Krebszentren in Großbritannien habe ergeben, dass die Zahl der Dringlichkeitsüberweisungen mit Verdacht auf Krebs von Hausärzten um 76 Prozent zurückging. Die Zahl der Chemotherapie-Termine schrumpfte um 60 Prozent im Vergleich zu dem Niveau vor der Pandemie.

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    Doch nicht nur körperliche, auch psychische Beschwerden sollten in der Corona-Krise nicht auf die leichte Schulter genommen werden. So erklärte Wolfram Kawohl, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Windisch in der Schweiz, in „Bild“: „Ich befürchte, dass durch die weltweite Massenarbeitslosigkeit in Folge der Corona-Krise die Zahl der Suizide stark zunehmen wird.“ Er selbst veröffentlichte in der Vergangenheit eine Studie,  die zu dem Ergebnis kam, dass Arbeitslosigkeit mit jedem fünften Suizid zusammenhänge.

    Wenn Sie sich während der Corona-Krise niedergeschlagen fühlen oder die Lust am Leben zu verlieren drohen, kann ein Anruf bei einer Hilfe-Hotline sinnvoll sein. Erste Beratung finden Sie beispielsweise bei den Mitarbeitern der Telefonseelsorge unter der Rufnummer 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222.

    Deutsche Krankenhäuser sind sehr schwach ausgelastet

    Die befürchtete Welle von Corona-Patienten in deutschen Krankenhäusern ist zur Erleichterung aller Beteiligten ausgeblieben. Die größte medizinische Krise der vergangenen Jahrzehnte hat für die Krankenhäuser bisher die eigenartige Folge einer außergewöhnlich schwachen Auslastung. Notfallmediziner und Kardiologen mahnen daher: Wer mit dem Notruf zögert, gefährdet sein Leben. Kliniken seien trotz Corona-Pandemie für Herzprobleme und andere Notfälle gerüstet.

    Notfälle müssen schnell versorgt werden

    Das unterstrich auch die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Schmidtke, in einem Statement: „Notfälle, etwa nach Unfällen, oder akute Erkrankungen, wie z. B. ein Schlaganfall oder ein Herzinfarkt, bedürfen einer schnellen Versorgung im Krankenhaus. Niemand sollte im Notfall aus Angst vor einer Infektion mit dem Coronavirus auf die dringend notwendige medizinische Hilfe in einem Krankenhaus verzichten. Die Versorgung von Notfällen in den Krankenhäusern ist sichergestellt. Sie erfolgt unter Beachtung der notwendigen Isolationsmaßnahmen von Covid-19-Patientinnen und Patienten.“

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