Wer am Morgen zerknüllt aufwacht und kaum die Augen aufbekommt, schiebt den miserablen Schlaf gerne auf den Vollmond. Aber schlafen wir bei Vollmond wirklich schlechter oder ist das nur ein Mythos?
Auch in der Forschung beschäftigt man sich schon länger mit dieser Frage – allerdings wird sie in Studien unterschiedlich beantwortet. In manchen Untersuchungen finden sich Hinweise darauf, dass die Mondphasen unseren Schlaf beeinflussen könnten und andere wiederum finden dafür keine Belege. Deshalb gehen viele Wissenschaftler:innen von einem subjektiven Effekt aus. So etwa der Soziologe Edgar Wunder. Er hat mehrere hundert Studien analysiert, die sich mit dem Einfluss des Mondes auf den Schlaf beschäftigen. Er kommt zu dem Ergebnis: "Es gibt aus meiner Sicht keine überzeugenden Studien, die so einen Zusammenhang aufgezeigt haben", sagte er gegenüber "Deutschlandfunk Nova".
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Vollmond und schlechter Schlaf – alles nur Einbildung?
Forschende der Washington University haben das Schlafverhalten von vier unterschiedlichen Teilnehmergruppen über zwei Mondzyklen hinweg untersucht. Eine Gruppe waren Studierende aus Seattle und die anderen drei Gruppen bestanden aus indigenen Völkern aus Argentinien, die teils auf dem Land und ohne Strom oder nur mit begrenztem Zugang zu Elektrizität leben. Die Wissenschaftler:innen statteten die Teilnehmer:innen mit einem Armband aus, welches ihren Schlaf anhand verschiedener Messwerte protokollierte.
Die Forschenden haben bei allen vier Gruppen periodische Schwankungen im Schlafverhalten festgestellt. Und das, obwohl die Teilnehmenden ganz unterschiedlich leben und nicht alle Proband:innen Kunstlicht ausgesetzt sind. Drei bis fünf Tage vor Vollmond schliefen Menschen aus allen vier Gruppen im Vergleich zu ihrer normalen Schlafenszeit 30 bis 80 Minuten später ein. Und schliefen insgesamt auch 20 bis 90 Minuten weniger. Zwischen der indigenen Bevölkerung, die keinem Zugang zu Elektrizität hat, und den Studierenden aus der Großstadt gab es nur geringe Unterschiede. "Wir sehen hier einen klaren lunaren Einfluss auf den Schlaf", sagte Studienautor Horacio de la Iglesia gegenüber "Scinexx".
Mögliche Erklärung: Evolution und die Schwerkraft
Eine mögliche Erklärung für das Phänomen: "Wir vermuten, dass die von uns beobachteten Schlafmuster für unsere Vorfahren vorteilhaft waren, weil sie dann das zusätzliche abendliche Licht dieser Mondphasen nutzen konnten", erklärte Hauptstudienautor Leonardo Casiraghi gegenüber "Scinexx". Doch wer in einer Großstadt lebt, weiß, dass Leuchtreklamen oder die beleuchtete Hausnummer des Nachbarhauses weit aus heller in die Wohnung strahlen als das Mondlicht. Die Wissenschaftler:innen haben deshalb noch eine weitere Annahme. Sie vermuten, dass der Schwerkraft-Einfluss des Mondes sich auf unseren Schlafrhythmus auswirken könnte.
Welche Faktoren genau eine Rolle auf den Schlaf in den verschiedenen Mondphasen spielt, wurde in dieser Studie nicht eindeutig geklärt, dazu ist weitere Forschung nötig. Ein Kritikpunkt an der Untersuchung: Die Studiendauer über zwei Mondzyklen (rund zwei Monate) sei zu kurz, um Scheineffekte ausschließen zu können, so Edgar Wunder. Außerdem müsste man die Wochentage kontrollieren. Denn: Am Wochenende gehen viele Menschen später ins Bett.
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Mondphasen und der Schlaf
2013 haben Christian Cajochen und sein Team der Universität Basel bereits den Einfluss des Mondes auf die Schlafqualität untersucht. Dazu haben die Wissenschaftler:innen im Schlaflabor die Gehirnströme, Augenbewegungen und Hormonspiegel von 33 Personen in den verschiedenen Schlafphasen gemessen. Die Proband:innen waren im Labor ohne Fenster untergebracht und wussten nicht, welche Mondphase ist.
Das Ergebnis: Bei Vollmond brauchten die Proband:innen im Schnitt fünf Minuten länger, bis sie einschliefen. Und sie schiefen auch insgesamt 20 Minuten weniger. Die Wissenschaftler:innen stellten außerdem fest, dass die Aktivität in jenen Hirnregionen, die mit dem Tiefschlaf in Verbindung stehen, um 30 Prozent fiel.
Doch auch an dieser Studie gibt es Kritik: Bei der kleinen Proband:innenzahl können keine Rückschlüsse von der Gruppe auf die Bevölkerung übertragen werden. Außerdem lässt sich durch die geringe Zahl an Teilnehmenden nicht ausschließen, dass es sich bei den entdeckten Ergebnissen nur um Zufallsfunde handelt. Dies müsste noch mit einer größeren Studie untersucht werden.
Eine Untersuchung des Max-Planck-Instituts hat im Gegensatz zu den beiden anderen Studien keinen Zusammenhang zwischen der Mondphase und unserem Schlaf gefunden. Die Forschenden haben die Schlafdaten von 1265 Proband:inenn aus 2097 Nächten analysiert. "Wir konnten keinen statistisch belegbaren Zusammenhang zwischen menschlichem Schlaf und den Mondphasen aufzeigen", sagte Martin Dresler Neurowissenschaftler vom Max-Planck-Institut in einer Mitteilung zur Studie.
Keine eindeutigen wissenschaftlichen Belege
Neurowissenschaftler
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Für Soziologe Edgar Wunder besteht bei der Erforschung des Einflusses des Mondes auf den Schlaf ein grundlegendes Problem. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der schlechte Schlaf bei Vollmond durch einen psychologischen Effekt verursacht wird. Wer denkt, dass er bei Vollmond schlecht schläft, wird auch schlechter schlafen, weil er gestresst ist und sich dies negativ auf die Nachtruhe auswirkt. Um den psychologischen Faktor ausschließen zu können, müssten also Proband:innen für einen langen Zeitraum (ein halbes Jahr bis ein Jahr) isoliert werden und nicht wissen, welche Mondphase ist, um den Einfluss des Mondes auf unseren Schlaf gut untersuchen zu können. Eine solche Studie ist natürlich aus ethischen Gründen nicht umsetzbar.
Heißt also: Wissenschaftlich ist ein Zusammenhang zwischen schlechtem Schlaf und Vollmond nicht belegt. Einige Studien liefern dazu lediglich Hinweise.
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