Dr. Ingmar Hoerr, Mitgründer des Biotech-Unternehmens Curevac, erklärte kürzlich in einem Interview mit den „Stuttgarter Nachrichten“: „Apotheken werden einmal überflüssig werden“. Eine ähnlich düstere Prophezeiung trifft er für die Pharmaindustrie. Ungeachtetdessen: Die Ideen und Forschungsschwerpunkte des Unternehmens fürkünftige Arzneimittel und Therapien sind fraglos spannend.
Dass Apotheker irgendwann einmalüberflüssig werden könnten, dieser Satz liest sich nur schwer für Angehörige diesesHeilberufes. Getätigt wurde diese nihilistische Aussage von Dr. Ingmar Hoerr, Mitgründer und seit 2018 Vorsitzender des Aufsichtsrates von Curevac,in einem Interview mit den „Stuttgarter Nachrichten“, das vergangen Sonntag erschienen ist. Allerdings: DerCurevac-Chef hegt wohl keine bösartige Gesinnung den Apothekern gegenüber. Vielmehrscheint Hoerr, selbst Biologe, diese von ihm prophezeite mögliche Entwicklung einfach als Folge innovativer Arzneimittel, wie die von Curevac erforschten RNA-basierten Impfstoffe oder Krebsimmuntherapien.
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Denn: „In der Grundidee von Curevac, über Erbmaterial den Körper zu programmieren, damit er sich sozusagen seine Medikamente selbst herstellen kann, steckt noch eine viel größere Revolution“, erklärt Hoerr im Interview. „Sie könnte tatsächlich die Pharmaindustrie und die Apotheken irgendwann überflüssig machen“, so der Curevac-Mitgründer. Der aufmerksame Leser entdeckt – entgegen dem von den „Stuttgarter Nachrichten“ in der Überschrift zitierten Satz im Indikativ – die Relativierung der Vorhersage Hoerrs durch den Konjunktiv mit „könnte […] überflüssig machen“. Jedoch das nur nebenbei.
Curevac
DasSteckenpferd von Curevac ist die RNA (Ribunukleinsäure). Laut der Homepage desBiotechnologieunternehmens entdeckte Dr. Ingmar Hoerr, neben Steve Pascolo und Florian von der Mülbe, im Rahmen seiner Promotion in der Biologie, dass die als sehrinstabil geltende RNA – entgegen der allgemeinen Lehrmeinung – beientsprechender Modulierung der biologischen Eigenschaften als Therapeutikum undImpfstoff direkt in das Gewebe verabreicht werden kann.
Hoerr ist Mitgründer (2000) von Curevac und seit 2018 Vorsitzender des Aufsichtsrates des Unternehmens. Curevac sei es gelungen, „RNAhandhabbar zu machen, zu stabilisieren und ihre Eigenschaften zu optimieren“,heißt es auf der Seite des Unternehmens.
Seither forscht Curevac in verschiedenen Gebieten: wie RNA-basierte Tumortherapie oder Impfstoffe auf RNA-Basis zum Schutz vor Infektionskrankheiten.
Trivial formuliert soll durch Einbringen der RNA und Ablesen derselben am Ribosom der menschliche Körper in die Lage versetzt werden, benötigte Proteine selbst zu synthetisieren. So werden laut Curecav prophylaktische RNActive®-Impfstoffe von Antigen-präsentierenden Zellen (APCs) exprimiert und präsentiert und so ein durch Antikörper und durch T-Zellen vermittelter Impfschutz hergestellt.
Curevac definiert sich selbst als Pionier„in der Entwicklung von RNA-basierten Medikamenten“. Dies sieht wohl auch dieEuropäische Kommission so: 2014erhielt Curevac den erstmals verliehenen und mit zwei Millionen Euro dotiertenInnovationspreis der EuropäischenKommission für eine neueImpftechnologie auf Basis der mRNA.
Der Name von Curevac hat durchaus Substanz:vielfältige Therapiemöglichkeiten (= Cure) auf Grundlage einerrevolutionären Vakzinierung (= Vac).
Hoerrs „Vision“ ist keineswegs ein persönlicher Angriff auf Apotheken, sondern wohl eher als Begleiterscheinung, quasi eine Art Nebenwirkung, des medizinischen und arzneimitteltherapeutischen Fortschrittes zu sehen, wenn es irgendwann vielleicht möglich ist, dass Patienten, sich die für sie passenden Medikamente in jedem Krankenhaus ja sogar in jeder Arztpraxis einfach ausdrucken lassen – so stellt sich der Biologe die Arzneimitteltherapie der Zukunft vor und vergleicht diese mit „Raumschiff Enterprise, wo der Doktor Pille McCoy einfach den Körper scannt und dann das Passende spritzt“. Allerdings: Auch wenn die Pipeline des noch nicht einmal 20-jährigen Biotechnologieunternehmens fraglosmehr als spannend und das Wachstum äußerst beeindruckend ist und man Curevav Erfolge mit innovativen RNA-Technologien mehr als wünscht – ganz so schnell fliegt das Raumschiff mit den Curevac-Innovationen aus Tübingen derzeit noch nicht. Das hat auch seinen Grund, wie Hoerr sich in den Stuttgarter Nachrichten äußert.
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