Gesundheit

Drosten fordert Strategie-Wechsel: Mit dem japanischen Weg können wir zweite tödliche Corona-Welle verhindern

In der Coronakrise ist vor allem die Sorge um sogenannte Superspreading-Events ein großes Thema. Deutschland ist laut Virologe Christian Drosten auf einem guten Weg, müsse sich nun aber an dem Weg Japans orientieren. So könne man sogar ohne Impfung eine tödliche zweite Corona-Welle im Winter verhindern.

Superspreading – dieser Ausdruck ist zum jetzigen Zeitpunkt der Coronakrise oft zu hören. Er bedeutet, dass eine infizierte Person im Vergleich übermäßig viele andere Personen ansteckt. Dies geschieht vor allem bei Ereignissen, bei denen viele Menschen zusammentreffen.

Virologe Christian Drosten nimmt sich in seinem NDR-Podcast dem Thema an und erklärt, "dass die gesamte Infektionsepidemie getragen wird von Superspreading-Events."

Drosten: Situation abschaffen, in denen Superspreading möglich ist

Der Virologe erläutert das Ganze an einem Gedankenspiel. Von zehn Patienten stecken neun genau einen weiteren an, einer von ihnen aber steckt zehn Menschen an. "Wenn wir immer wüssten, welcher Patient der hochinfektiöse ist, wäre das total einfach zu kontrollieren und man könnte einen Ausbruch immer zum Stoppen bringen", sagt Drosten.  
 

Wie könnte es gelingen, diese Herausforderung zu kontrollieren? "Es gibt ja eine Möglichkeit auf Situationen zu zielen, die wahrscheinlicher sind für so ein Superspreading-Event", meint Drosten. Ein Grund für das Vorkommen dieser Ausbrüche wegen eines solchen Patienten sei nun einmal, "dass er gerade in einer sozialen Situation ist, wo er auch die Gelegenheit hat, so viele Leute zu infizieren. Wenn man diese Situationen abschafft, schafft man auch die Superspreading-Situationen ab."

Dies ist unter anderem durch das Verbot von Großveranstaltungen wie Fußballspielen oder Konzerten bis einschließlich 31. August bereits gegeben. Trotz der Rücknahme einiger Einschränkungen meint Drosten: "Viele der übrigbleibenden Lockdown-Maßnahmen werden unterbinden, dass solche Superspreading-Cluster auftreten, weil gewisse Risiko-Situationen damit erstmal abgeschafft sind."

"Grundsituation hat sich geändert, müssen unsere Strategie ändern"

Allerdings müsse an einigen Stellen nachgebessert werden, denn: "Die Grundsituation hat sich geändert, wir müssen unsere Strategie ändern." Vor allem mit der Öffnung von Schulen und Kitas steige das Cluster-Risiko nun zwangsweise an.

Deswegen sei die Kontakt-Nachverfolgung grundlegend, wobei das Hinterlassen der Kontaktdaten, beispielsweise beim Restaurant- oder Friseurbesuch, eine große Hilfe ist.

Drostens Forderung: Wird ein Corona-Fall entdeckt, muss die Umgebung des Infizierten hinsichtlich Kontakten analysiert werden, "ob er in einem Cluster stecken könnte, einem Superspreading-Event."

Dazu kann beispielsweise ein Besuch im Fitnessstudio gehören. Ist das zu erkennen, sind alle Personen, die diesem angehören, umgehend ohne Testung zu isolieren und als infiziert zu betrachten. "Die Entscheidung der Isolierung muss sofort getroffen werden, ohne Ansicht eines Diagnostikergebnisses."

Cluster entdeckt? Diagnostik stoppen, alle Betroffenen isolieren

Das entspricht in etwa dem Weg, den Japan in der Coronakrise gegangen ist, der nun im Fachmagazin "Science" detailliert beschrieben wurde und den Drosten rückblickend als "mutig", aber richtig betitelt. Japan hatte zwar nur wenige Lockdown-Maßnahmen ergriffen, die Anzahl der Infektionen sinkt aber seit langem stetig, auch die Todeszahlen bleiben niedrig.

Der Schlüssel dazu war der gezielte Einsatz der Diagnostik auf das Erkennen von Clustern. Tritt ein solcher auf, wird die Diagnostik gestoppt und alle Cluster-Mitglieder werden isoliert.

"Das müssen wir unbedingt als Beispiel für die nächste Zeit nehmen", sagt Drosten. Somit wäre es beispielsweise auch möglich, dass bei einem infizierten Lehrer nicht die gesamte Schule geschlossen werden müsste, sondern nur die von ihm unterrichteten Klassen in Quarantäne geschickt werden könnten.

Der Virologe klingt optimistisch: "Ich glaube so langsam, dass wir sogar eine Chance haben, ohne Impfung und mit dieser generellen Steuerung von Maßnahmen glimpflich in den Herbst und den Winter zu kommen, sprich ohne eine tödliche neue zweite Welle. Wir müssen aber genau hinschauen, wie wir unseren jetzigen Maßnahmen nachadjustieren, um gezielt Superspreading-Events zu verhindern."

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