Gesundheit

Drosten zu Intensivbelegung: "Dies ist ein Notruf"

Die Intensivstationen füllen sich Tag um Tag mehr mit Corona-Patienten. Seit Wochen warnen die Intensivmediziner vor einem drohenden Kollaps und fordern ein schnelles Handeln, einen kurzen aber strikten Lockdown. Bisher aber ist nichts passiert. Nun springt Charité-Virologe Christian Drosten den Intensivmedizinern zur Seite. Er teilte einen Beitrag des wissenschaftlichen Leiters des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Christian Karagiannidis, auf Twitter, und schrieb: "Dies ist ein Notruf". 

"Liebe Entscheidungsträger, wie hoch sollen die Zahlen denn noch steigen bevor Ihr reagieren wollt???", schrieb Karagiannidis in seinem Tweet. Dazu stellte er mehrere Grafiken der Divi. "Wir verpassen jede Ausfahrt zur Senkung der Zahlen. Unser Prognosemodell im Abgleich mit den realen Zahlen (in Grün) spricht Bände. Bitte handelt endlich!"

Corona Pandemie


In der Coronakrise schlägt die Wissenschaft die Politik – das sollte Folgen haben

„Wie hoch sollen die Zahlen noch steigen?“

Es ist gerade einmal drei Monate her, da war die Lage auf den Intensivstationen bereits prekär. Die Zahl an Corona-Patienten, die dort betreut werden mussten, kletterte auf knapp 5800. Die Krankenhäuser arbeiteten am Limit. Dieser Höchststand aber, das befürchten die Intensivmediziner, könnte bald getoppt werden. Seit Wochen warnen sie vor einer drohenden Überlastung und forderten bereits vor Ostern einen strikten Lockdown, um die Dynamik der nun wieder steigenden Zahlen auszubremsen. Ansonsten, so die Befürchtung, steige die Zahl auf mehr als 6000 Corona-Patienten, die intensivmedizinisch betreut werden müssten. 

Die Einschätzung beruht auf einem Divi-Modell. Dass diese Prognose alles andere als aus der Luft gegriffen ist, zeigt der derzeitige Trend. Die Entwicklung der vergangenen Wochen ist sehr nah an der vorausgesagten Kurve. "Wenn das so weiter geht, werden wir in Kürze auch leider Gottes über 5000 Covid-19 Patienten haben", sagte der ehemalige Divi-Präsident Uwe Janssens am Mittwoch den Sendern "RTL/ntv". Ab einer Zahl von 5000 bis 6000 Intensivpatienten könne es sein, dass einige Krankenhäuser wieder auf den Notbetrieb umstellen müssten. 

Die Kapazitäten schrumpfen

Binnen der vergangenen vier Wochen ist die Zahl der Corona-Intensivpatienten nach oben geschnellt. Von 2727 am 10. März, das entsprach etwa dem Höchstwert der ersten Welle im Frühjahr 2020, auf nun mehr als 4474. Derzeit sind noch 2988 Betten der insgesamt deutschlandweit 23.856 laut Vereinigung frei. Das entspricht aktuell einem Zuwachs von rund 20 Prozent wöchentlich. Die Kapazitäten in den Krankenhäusern schrumpfen. "Städte wie Bonn oder Bremen oder Köln haben kaum noch freie Betten für den nächsten Herzinfarkt, Verkehrsunfall oder Covid-Patienten", schrieb Karagiannidis am Mittwoch auf Twitter. Demnach hat Bonn noch sieben, Bremen noch acht freie Betten. "Und einen instabilen Patienten kann man NICHT einfach dorthin verlegen wo gerade Platz ist. Ein freies Bett in Ostwestfalen hilft da NICHT!"

Die Intensivstationen kämpfen noch mit einem weiteren Problem: fehlendem Personal. Genau das gilt als Nadelöhr bei der Versorgung. Schon vor der Corona-Pandemie war die Lage nicht rosig. Pflegekräfte wurden händeringend gesucht. In der Coronakrise aber verstärke sich der Personalmangel, sagen Experten. Die, die da sind, leisten seit einem Jahr einen Knochenjob. "Die Erschöpfung geht bei einigen so tief, dass sie unter posttraumatischen Erschöpfungszuständen leiden", sagte Mitte März bereits Franz Wagner, Präsident des Deutschen Pflegerates.

Rund ein Drittel denke laut Umfrage über einen Berufswechsel nach. Schon jetzt steht es vielerorts Spitz auf Knopf. Mehr als die Hälfte der Stationen haben bereits Probleme, überhaupt noch Betten zur Verfügung zu stellen. "588 kämpfen bereits wieder mit Personalmangel", schrieb Karagiannidis am Ostermontag. 

Die Berliner Charité kündigte bereits an, ab kommender Woche wieder die Zahl planbarer Eingriffe zurückzufahren und vermehrt Mitarbeiter in Covid-Bereichen einzusetzen.

Quellen: Divi, Twitter, dpa

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