Gesundheit

Forschung: Viele Medikamente schädigen fortlaufend unsere Darmflora

Neue schädliche Nebenwirkung bei jedem vierten Medikament entdeckt

Antibiotika sind bekanntermaßen ein Bakterienkiller, die sowohl nützliche als auch schädliche Bakterien bekämpfen. Eine aktuelle Studie offenbarte nun, dass darüber hinaus mehr als jedes vierte Medikament die natürlicherweise im menschlichen Darm vorkommenden Bakterien beeinflusst. Diese bislang unbekannte Nebenwirkung könne sich langfristig negativ auf die Gesundheit auswirken und darüber hinaus zur Entwicklung einer Antibiotikaresistenz beitragen, ohne Antibiotika einzunehmen.

Ein Europäisches Forschungsteam des „European Molecular Biology Laboratory“ fand bei mehr als einem Viertel der über 1000 untersuchten Medikamente eine bislang unbekannte Nebenwirkung. Der Studie zufolge hat rund jedes vierte Medikament eine schädliche Wirkung auf bis zu 40 verschiedene Bakterienarten, die für unsere Darmflora (Mikrobiom) von entscheidender Bedeutung sind. Die genauen Auswirkungen dieser Beeinflussung sind bislang nicht abzusehen. Die Forschenden halten einen langfristigen negativen Effekt auf die Gesundheit für wahrscheinlich. Die Studienergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature“ präsentiert.

Darmflora gewinnt an Bedeutung in der Gesundheitsforschung

In Studien der letzten zehn Jahre hat sich immer wieder gezeigt, wie wichtig die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms für den allgemeinen Gesundheitszustand ist. Bei Antibiotika-Medikamenten ist schon lange bekannt, dass sie massive Schäden an der Darmflora anrichten können. Dass dieser Effekt auch bei zahlreichen Nicht-Antibiotika auftritt, war in diesem Umfang bislang allerdings unbekannt.

Dies ist nur die Spitze des Eisberges

In der aktuellen Nature-Studie wird zum ersten Mal beschrieben, wie rund jedes vierte nicht-antibiotische Medikament das Wachstum verschiedener Darmbakterien hemmt. Diese unbekannte Nebenwirkung zeigte sich bei Arzneien aus allen therapeutischen Klassen. „Wie viele verschiedene Arten von Medikamenten die Darm-Mikroben in Mitleidenschaft ziehen, war wirklich überraschend“, betont Gruppenleiter Peer Bork in einer Pressemitteilung zu den Studienergebnissen. Bork hält diese Entdeckung nur für die Spitze des Eisberges. Die Daten aus der Untersuchung legen nahe, dass die tatsächliche Zahl der Medikamente mit dieser Nebenwirkung noch größer ist.

Nebenwirkung mit unbekannter Folge

„Wir wissen noch nicht, auf welche Art die meisten dieser Medikamente auf die Mikroben wirken, wie diese Effekte im menschlichen Wirt zu Tage treten und wie sich das zum Beispiel auf die Gesundheit der Patienten auswirkt“, ergänzt Kollege Kiran Patil. Diese Beziehung müsse umgehend untersucht werden, um das Verständnis und die Wirksamkeit vorhandener Medikamente zu verbessern.

Antibiotika-Resistenz ohne Antibiotika

Neben den möglichen Gesundheitsrisiken könne die Beeinflussung der Darm-Mikroben auch zur Entwicklung einer Antibiotikaresistenz beitragen, ohne dass man Antibiotika einnimmt. Die Forschenden erklären, dass dies mit allgemeinen Resistenzmechanismen zusammenhängt, die sowohl gegen Antibiotika als auch gegen andere Medikamente wirken. „Das ist wirklich beängstigend, wenn man bedenkt, dass Menschen ihr ganzes Leben lang, häufig über längere Zeiträume hinweg, Medikamente einnehmen“, erläutert Nassos Typas aus dem Studienteam.

Im Bereich der Darmbakterien ist noch vieles nicht verstanden

„Zum Glück wirken sich nicht alle Nicht-Antibiotika auf Darmbakterien aus und nicht alle Resistenzen werden sich weiter verbreiten“, so Typas. Interessanterweise könne eine Resistenz gegen bestimmte Nicht-Antibiotika sogar die Wirksamkeit bestimmter Antibiotika erhöhen. Dies eröffne wiederum neue Möglichkeiten für optimale Medikamentenkombinationen.

Jeder Mensch hat eine unterschiedliche Darmflora

„Alle Menschen unterscheiden sich in der Zusammensetzung ihres Mikrobioms, was erklären könnte, wieso verschiedene Patienten unterschiedlich auf die gleichen Medikamente reagieren“, berichtet Georg Zeller aus dem Forschungsteam. Neben einigen Bakterienarten, die wir alle gemeinsam haben, hätten manche Personen völlig andere Bakterienstämme innerhalb ihres Mikrobioms, so der Experte. Dies spreche für eine personalisierte, auf das individuelle Darm-Mikrobiom des Patienten abgestimmte Behandlung. Weitere Informationen zur Darmflora finden Sie in dem Artikel: Darmflora aufbauen: So gehts!

Der Darm hat massive Auswirkungen auf unseren Gesundheitszustand

Die genauen Auswirkungen der Darm-Mikroben wird immer noch in zahlreichen Forschungen untersucht. Dabei wird zunehmend deutlich, dass das Mikrobiom im Darm einen gewaltigen Einfluss auf unseren allgemeinen Gesundheitszustand hat. Beispielsweise steckt das Geheimnis eines gesunden Herzens in der Darmflora. Dies entdeckte erst kürzlich ein anderes Forschungsteam der University of Colorado Boulder. Die Forschenden zeigten, dass sich Veränderungen des Darmmikrobioms mit zunehmendem Alter auf die Gesundheit des Herzens auswirken können. (vb)

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