Die Delta-Variante des Coronavirus wütet in den USA. Zuletzt wurden fast 100.000 Neuinfektionen täglich gemeldet. Zunehmend sind auch Kinder betroffen. Allein in der ersten Augustwoche wurden fast 94.000 Coronafälle bei Kindern dokumentiert, melden die American Academy of Pediatrics und die Children's Hospital Association in einem Wochenbericht, in dem die Fälle nach US-Staaten aufgedröselt werden. Die Gesundheitsexperten schlagen Alarm.
In Florida, Louisiana, Texas schnellen die Fallzahlen in die Höhe. In Louisiana haben sich bereits mehr als 6000 Kinder mit dem Virus infiziert, rund 3000 Fälle kamen allein binnen vier Tagen dazu. Das Mehr an Infektionen führt auch dazu, dass die Zahl der schwer an Covid-19 erkrankten Kinder, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, zunimmt. Derzeit sind es so viele wie nie zuvor in der Pandemie, in Florida knapp 180, in Texas etwa 160, in Kalifornien fast 100. Die Zahl der Krankenhauseinweisungen in der Pädiatrie liege aktuell gemessen an der Bevölkerungszahl 3,75-mal höher als noch vor einem Monat, rechnet "ABC News" vor.
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Kinderkrankenhäuser am Limit
"Unsere Kinderärzte, die Krankenschwestern, das Personal sind erschöpft, und die Kinder leiden. Und es ist absolut verheerend … unsere Kinder sind sehr stark betroffen. Solche Zahlen haben wir noch nie gesehen", so Aileen Marty, Expertin für Infektionskrankheiten an der Florida International University, zu "CNN". Und auch Mark Kline, Chefarzt des Kinderkrankenhauses New Orleans, berichtete am Montag in der ABC-Sendung "Good Morning America": "Wir haben eine Rekordzahl von Kindern im Krankenhaus." Es handele sich um eine Epidemie "bei sehr jungen Kindern".
Und: "Die Hälfte der Kinder in unserem Krankenhaus ist heute unter zwei Jahre alt. Die meisten anderen sind zwischen fünf und zehn Jahre alt – zu jung, um noch geimpft zu werden." Das mittlere Alter lag im Juni noch bei 16 Jahren, im Juli bereits bei 12 Jahren und ist nun noch weiter abgesunken. "Das Ochsner Medical Center berichtete diese Woche, dass das neue Durchschnittsalter eines pädiatrischen Covid-19-Patienten jetzt **5 Jahre** beträgt", schreibt der US-Epidemiologe Eric Feigl-Ding auf Twitter.
Zulassung der Impfstoffe für Kinder erwartet
In den USA wurde bereits im Mai der Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer für Kinder ab 12 Jahren zugelassen. Doch laut der US-amerikanischen Seuchen- und Präventionsbehörde CDC sind bisher nicht einmal 30 Prozent der 12- bis 15-Jährigen in dem Land vollständig geimpft, bei den 16- und 17-Jährigen sind es 41 Prozent. Für jüngere Kinder gibt es aktuell noch keine Möglichkeit der Impfung, doch die Rufe danach werden lauter.
Das Risiko, dass Kinder schwer an Covid-19 erkranken, wird zwar immer noch als vergleichsweise gering eingeschätzt. Allerdings mehren sich die Hinweise, dass Long Covid auch bei Kindern zum wachsenden Problem werden könnte. Noch gehen die Schätzungen zu diesem Thema weit auseinander. Obwohl es keine klare Studie gebe, werden wohl 2 bis 4 Prozent mindestens an Long Covid erkranken, so der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach auf Twitter. "Ob alle neurologischen Symptome ganz ausheilen, ist auch unklar."
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Und: Auch Kinder können das Virus übertragen. "Als die verbleibende Bevölkerung, die nicht für den Impfstoff in Frage kommt, werden Kinder leider die Hauptüberträger der Virusausbreitung sein, was sowohl für sie selbst als auch für den Rest der Bevölkerung ein Risiko darstellt", meinte John Brownstein, Epidemiologe am Boston Children's Hospital und Mitarbeiter von "ABC News".
Der Druck auf die Zulassungsbehörde FDA wächst. Erwartet wird, dass noch in diesem Monat die Zulassung der Corona-Impfstoffe ausgeweitet wird. Das zumindest stellte der US-Immunologe Anthony Fauci in Aussicht. Er hoffe, sagte er am Sonntag in der NBC-Sendung "Meet the Press", dass der Impfstoff in den kommenden Wochen vollständig zugelassen werde.
Rückkehr an die Schulen
Der neuerliche Anstieg der Infektionsfälle kommt zur Unzeit. Auch in den USA steht die Rückkehr an die Schulen an. Die Impfung von Kindern sehen viele Gesundheitsexperten als wichtiges Werkzeug um die Ausbreitung in den Schulen einzudämmen. Doch die Impfmüdigkeit in den USA ist groß. Eine aktuelle Umfrage der Kaiser Family Foundation fand heraus, dass sich knapp die Hälfte der noch ungeimpften Amerikaner (46 Prozent) definitiv nicht impfen lassen wollen. Dazu kommen Ergebnisse einer nationalen Impfumfrage der CDC. Demnach gaben 24,8 Prozent der befragten Eltern von Kindern im Alter von 13 bis 17 Jahren an, dass sie diese "wahrscheinlich oder definitiv nicht impfen lassen".
Gerade in den Gegenden, in denen die Impfrate niedrig ist, infizieren sich auch die meisten Kinder – viele wohl in der eigenen Familie. So berichtetet "NBC News" von einem halben Dutzend Ärzten, die von infizierten Kinder erzählten, die sich bei einem Haushaltsmitglied angesteckt hätten, oftmals sei es ein ungeimpftes Elternteil gewesen, welches das Coronavirus mit nach Hause gebracht hätte.
Wenn nicht die Impfung, was dann?
Die Debatte um Corona-Maßnahmen an Schulen ist längt neu entfacht. Die CDC empfiehlt, dass ausnahmslos alle, also Schüler, Lehrer, Besucher, in Schulen Masken tragen sollten. "Warum brauchen wir dringend Masken in Schulen? Weil wir aus dem Vereinigten Königreich wissen, dass die Zahl der Ansteckungsfälle in Schulen immer dann ansteigt, wenn unmaskierte Kinder zusammenkommen", kommentiert Feigl-Ding auf Twitter. Dort war es im Mai zu einem Anstieg der Infektionsfälle gekommen, die in der Ferienzeit sanken und wiederum mit der Rückkehr an die Schulen stiegen. Zudem zitiert er aus einer Studie, die zeige, dass Sars-CoV-2-Aerosole "stundenlang in der Luft bleiben" können. "Deshalb brauchen wir Belüftung in Schulen, Luftdesinfektion und Masken – und kein Plexiglas", schreibt er.
Aber Einigkeit über die Schutzmaßnahmen gibt es nach wie vor keine. Da wäre beispielsweise der texanische Gouverneur Greg Abbott. Der Republikaner untersagt den Schulbezirken sowie anderen lokalen Behörden per Verordnung das Tragen von Masken. Und andernorts wie in Orange County in Florida gibt man zwar an, die Masken vorschreiben zu wollen, allerdings ist das im Grunde ein Feigenblatt. Denn das letzte Wort haben die Eltern, die ihr Kind per Unterschrift von der Maskenpflicht befreien können.
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"Da die Schulen als Brandbeschleuniger wirken, sollten Sie davon ausgehen, dass die pädiatrischen Intensivstationen im gesamten Süden völlig überlastet sein werden", sagte Peter Hotez vom Baylor College of Medicine in der MSNBC-Sendung "Morning Joe". Er zeichnete ein düsteres Bild für die kommenden Wochen. So bestehe, sagte er, gar die Möglichkeit, dass kleine Zeltstädte mit kranken Jugendlichen und Kindern entstehen. "Wenn Ihr heranwachsendes Kind nicht geimpft ist, sollten Sie davon ausgehen, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit an Covid erkranken wird", so Hotez.
"Die jetzt anrollende Ansteckungswelle in den Schulen in US ist besorgniserregend", kommentierte Lauterbach die Zahlen aus den USA. Ohne Impfung und Luftfilteranlagen werde das kein normales Schuljahr. Die Berichte aus den Krankenhäusern in Houston bezeichnet er als "eine klare Mahnung". Er schreibt: "Wir haben bisher keine Erfahrung mit der Delta-Variante bei regulärem Unterricht. Sehr hohe Fallzahlen sind zu erwarten. Dass Long Covid ausbleibt, ist Wunschdenken."
Quelle: New York Times, Washington Post, ABC News, NBC News
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