Lange war es zumindest in Europa verhältnismäßig ruhig geworden um Ivermectin als potentenzielles COVID-19-Therapeutikum. Nun rumort es gewaltig, nachdem ein US-Gremium im Dezember die Ergebnisse einer umfassenden Metaanalyse vorgelegt hat. Das Ergebnis ist ein flammendes Plädoyer für den breiteren Einsatz des antiparasitären Arzneimittels, dem hochwirksame antivirale und entzündungshemmende Eigenschaften gegen SARS-CoV-2 und COVID-19 zugeschrieben werden.
Bei der fieberhaften Suche nach potenten COVID-19-Therapeutika, die zudem schnell für die Behandlung verfügbar gemacht werden könnten, rückte Ivermectin im April des letzten Jahres 2020 verstärkt in den Fokus des Interesses. Australische Wissenschaftler hatten beobachtet, dass das Antiparasitikum, das auf der „Essential Medicines List“ der WHO steht, SARS-CoV-2 in einem Zellmodell innerhalb von 48 Stunden so gut wie vollständig eliminierte. Infolge dessen war es in vielen, vor allem südamerikanischen Ländern mit hohen Infektionszahlen zu einem regelrechten Hype um das Mittel gekommen. In den USA sah sich die FDA dazu veranlasst, von der Einnahme von Veterinärarzneimitteln mit Ivermectin abzuraten, um einen Missbrauch zu verhindern.
Mehr zum Thema
Wirkstoffkandidaten gegen SARS-CoV-2
Ivermectin als neuer Hoffnungsträger?
COVID-19-Forschung
Gute Nachrichten zu Ivermectin plus Doxycyclin
Mittlerweile hat die Forschung mit dem Antiparasitikum erheblich an Fahrt aufgenommen. Cinicaltrials.gov listet aktuell (am 8. Januar 2021) 46 Studien. Davon sind 14 „completed“. Trotzdem stand Ivermectin in den letzten Monaten weder in den USA noch in Europa im Mittelpunkt, wenn es um umgewidmete, bereits zugelassene Therapeutika gegen COVID-19 ging.
Umfassende Metaanalyse vorgelegt
Die im März 2020 gegründete „Front Line COVID-19 Critical Care Alliance“ (FLCCC) mit Sitz in Madison im US-Bundesstaat Wisconsin will dies allerdings bald ändern. Die Allianz von Intensivmedizinern hat sich zum Ziel gesetzt, evidenzbasierte, kontinuierlich optimierte Behandlungsprotokolle für COVID-19 zu entwickeln. Mitte Dezember präsentierte sie die Ergebnisse einer umfassenden Metaanalyse der vorliegenden Daten zu Ivermectin gegen COVID-19. Neben In-vitro- und Tierstudien wurden zahlreiche kontrollierte klinische Studien (siehe Tabelle auf Seite 3) sowie Erkenntnisse aus der realen Welt ausgewertet. Zwölf der 24 begutachteten Studien mit knapp 4.000 Patienten wurden bereits in Journalen mit Peer-Review veröffentlicht, der Rest auf pre-Print-Servern.
Schlussfolgerungen aus den Studien
Die FLCCC-Empfehlung leitet aus der Gesamtheit der klinischen Daten die Schlussfolgerung ab, dass Ivermectin die Viruslast signifikant verringern kann. Außerdem soll es die Übertragung und Entwicklung von COVID-19 bei Infizierten eindämmen und bei Patienten mit einer leichten bis mittelschweren Ausprägung der Krankheit die Genesung beschleunigen und eine Verschlechterung verhindern, wenn es früh nach Symptomeintritt verabreicht wird. Bei schwer Erkrankten soll es die Hospitalisierung vermeiden helfen und die Sterblichkeit bei kritisch kranken Patienten mit COVID-19 und in Regionen mit hohen Infektionsraten auch die Fallsterblichkeit vermindern. Das Sicherheitsprofil gilt überdies als vorteilhaft und es liegen umfassende Anwendungserfahrungen über fast 40 Jahre vor. Last, but not least ist Ivermectin preiswert und deswegen auch für ärmere Länder eine realistische Option, die allerorten greifbar ist. Eine als Pre-Print veröffentlicht systematische Überprüfung von acht randomisierten kontrollierten Studien durch australische Forscher sei zu ähnlichen Schlussfolgerungen gekommen, ergänzen die FLCCC-Experten.
„Naturexperimente“ in Südamerika
Neben den Studiendaten verweist die Allianz auf die Erkenntnisse aus mehreren großen „Naturexperimenten“ in südamerikanischen Ländern. Bereits im Mai hatten verschiedene regionale Gesundheitsministerien und Regierungsbehörden in Peru, Brasilien und Paraguay „Ivermectin-Verteilungskampagnen“ an ihre Bevölkerung gestartet. Danach sollen sich regelmäßig starke Rückgänge bei den Fallzahlen im Vergleich mit Regionen ohne solche Kampagnen gezeigt haben. In Paraguay tarnte die Regierung des Bundesstaates Alto Parana eine Anfang September gestartete Ivermectin-Vertriebskampagne offiziell als „Entwurmungsprogramm“, weil das nationale Gesundheitsministerium sich gegen die Verwendung von Ivermectin zur Behandlung von COVID-19 in Paraguay ausgesprochen hatte.
Ähnliche Beobachtungen wurden auch außerhalb von Südamerika gemacht. Eine Analyse, die gerade erst veröffentlicht wurde, konnte zeigen, dass einige afrikanische Länder mit routinemäßiger prophylaktischer Chemotherapie eine signifikant geringere Inzidenz von COVID-19 aufweisen. Die gemeldete Korrelation für Ivermectin war sowohl im Vergleich zwischen afrikanischen Nationen als auch in einem weltweiten Kontext sehr signifikant. Die Autoren schlagen deswegen vor, Ivermectin in bestimmten Fällen auf eine mögliche off-label-prophylaktische Anwendung zu evaluieren, um die Zeit zu überbrücken, bis ein sicherer und wirksamer Impfstoff verfügbar wird.
Quelle: Den ganzen Artikel lesen