Gesundheit

Mehr Tempo bei den Auffrischungsimpfungen – wie es gehen könnte und woran es aktuell scheitert

Inmitten der zusehends kritischeren Corona-Lage gibt es Streit über Wege zu mehr Auffrischungsimpfungen als Schutz für den Winter. Mehrere Länder reagierten reserviert auf Vorstöße des geschäftsführenden Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU), dafür regionale Impfzentren rasch wieder hochzufahren und das Vorgehen bei einem Bund-Länder-Gipfel abzustimmen. Kritik gibt es weiterhin auch an stockendem Impftempo im Netz der Arztpraxen. Inzwischen ist die Marke von zwei Millionen solcher Impf-Verstärkungen ("Booster") für schon länger zurückliegende Impfungen in Deutschland überschritten.

Spahn sagte der "Rheinischen Post" (Montag): "Um möglichst vielen möglichst schnell eine Auffrischungsimpfung zu ermöglichen, sollten die Länder die Impfzentren, die sie seit Ende September in Standby bereithalten, nun wieder startbereit machen." Er riet den Ländern erneut dazu, in einem ersten Schritt alle Über-60-Jährigen schriftlich einzuladen. Auffrischungen sind mindestens sechs Monate nach einer vollständigen Impfung möglich. Angeboten wird dies unter anderem Älteren, Corona-Risikogruppen und Geimpften mit Astrazeneca und Johnson & Johnson. Für alle anderen ist es aber auch möglich.

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Auffrischungsimpfung überfordert Länder

Bund und Länder hatten vereinbart, die zum Impfstart eingerichteten zeitweise mehr als 400 Impfzentren zum 30. September zu schließen oder die Kapazitäten zurückzufahren. Der Bund übernimmt aber auch weiterhin einen Teil der Finanzierung. Für den Betrieb sind die Länder zuständig. Dem Bundesministerium lagen am Montag nach Angaben eines Sprechers keine Daten zur aktuellen Zahl der Impfzentren vor.

Mehrere Länder lehnten eine Reaktivierung ab. Der Vorschlag komme überraschend, da die Impfzentren erst vor wenigen Wochen geschlossen worden seien, hieß es vom baden-württembergischen Gesundheitsressort. Noch in dieser Woche sollten weitere 50 mobile Impfteams eingesetzt werden, um voranzukommen. "Für die Wiederöffnung von Impfzentren würden wir einen wesentlich längeren Vorlauf benötigen." Sachsen erwägt vorerst keine Wiedereröffnung der einst 13 Zentren. Derzeit seien neben Haus- und Betriebsärzten sowie etwa 20 Kliniken 30 mobile Impfteams im Einsatz. "Unsere Impf-Angebote sind derzeit aber nicht ausgelastet", sagte Sozialministerin Petra Köpping (SPD) der DPA.

Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) nannte Spahns Vorgehen irritierend. Das Land habe mit mobilen Impfteams eine neue Struktur geschaffen. Dabei gehe es vor allem um Auffrischungen in Alten- und Pflegeheimen, Impfangebote an Schulen und Berufsschulen sowie niedrigschwellige, dezentrale Aktionen. "Die Hauptlast der Impfkampagne liegt nach der Schließung der großen Impfzentren aber bei den Praxen", sagte Behrens. Hier erwarte sie deutlichen Aufwuchs.

Wieder einmal Uneinigkeit bei der Pandemiebekämpfung

Der Grünen-Experte Janosch Dahmen zeigte sich unzufrieden mit den Impfungen in Arztpraxen. "Nach der Schließung der meisten Impfzentren erfüllen die Praxen die in sie gesetzten Erwartungen erkennbar nicht, weder bei den Erst- noch bei den Booster-Impfungen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montag). "Wenn das Impftempo in der Regelversorgung der Praxen nicht ausreicht, werden wir endlich auch an anderen Stellen, beispielsweise Apotheken, impfen müssen." 

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Zurückhaltend reagierten mehrere Länder auch auf wiederholte Angebote der noch amtierenden Bundesregierung für ein Abstimmungstreffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Hamburgs Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD) hält einen neuen Bund-Länder-Gipfel für überflüssig. Es habe ja gerade erst eine Ministerpräsidentenkonferenz gegeben. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) zeigte sich am Sonntagabend im ZDF ebenfalls skeptisch. "Wenn wir dort nicht zum Plaudern zusammenkommen wollen, dann frage ich, was wollen wir denn verabreden, und was bietet uns der Bundesgesundheitsminister an?"

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) würde eine Corona-Abstimmung von Bund und Ländern begrüßen. "Mit Blick auf die durchaus besorgniserregende Corona-Lage wäre das dringend geboten", sagte ein Regierungssprecher. Dies könne mit einem Bund-Länder-Gipfel erfolgen oder in einer Ministerpräsidentenkonferenz. Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Manuela Schwesig (SPD) sagte am Sonntagabend in der ARD, wenn es notwendig erscheine, dass Bund und Länder sich treffen, dann solle das auch gemacht werden.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, beklagte: "Niemals war das Hin und Her in der Pandemie größer als zurzeit." Es fehle ein Corona-Radar, so steuerten Bund und Länder die Pandemie-Maßnahmen im Blindflug. "Da ist es kein Zufall, dass mit widersprüchlichen Vorschlägen Deutschland gerade planlos in die nächste Welle rutscht", sagte Brysch der Deutschen Presse-Agentur.

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