Gesundheit

Restaurant-Besuch im Winter: Hygiene-Professor erklärt Rettungsplan für Gastro

Wenn drinnen viele Menschen zusammenkommen, ist die Infektionsgefahr deutlich höher als draußen. Hygiene-Professor Klaus-Dieter Zastrow erklärt im Gespräch mit FOCUS Online, wie Restaurants und Gäste das Ansteckungsrisiko im Winter so gering wie möglich halten.

Die Corona-Infektionszahlen steigen auch in Deutschland wieder deutlich an – und so die Angst vor erneuten Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Laut Informationen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) bangen nach wie vor mehr als 61 Prozent gastgewerblicher Unternehmen um ihre Existenz. Auch wenn viele ihre Einbußen im Sommer abschwächen konnten, klaffe allein schon wegen der Abstandsgebote und Kapazitätsbegrenzungen noch eine große Lücke zu den Normalumsätzen, die es vor Corona gab.

Zahl der Ausbrüche in Restaurants geringer als in Privathaushalten

Nach einer aktuellen Analyse des RKI vom 17. September war die Anzahl der Ausbrüche in Deutschland bis Mitte August, die auf Restaurantbesuche zurückgehen, mit 38 Fällen und insgesamt 273 Infektionen relativ gering. Im Vergleich dazu lag die Anzahl der Menschen, die sich in Privathaushalten angesteckt haben, mit 3902 Fällen deutlich höher. 

Doch sobald der Betrieb von Restaurants wieder ausschließlich in Innenräumen stattfindet, steigt die Infektionsgefahr ebenfalls an. Denn der Hauptübertragungsweg von Corona sind Tröpfchen und Aerosole. Die zentrale Frage für die kommenden Herbst- und Wintermonate lautet deshalb: Wie können wir das Infektionsrisiko in gastronomischen Betrieben so weit wie möglich verringern?

Nach Klaus-Dieter Zastrow vom Hygiene-Institut Berlin Search Care gibt es verschiedene Möglichkeiten, dies zu bewerkstelligen.

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1. Abstands- und Hygieneregeln einhalten

„Als erste und einfachste Maßnahme sollten Gastronomen und Gäste weiter penibel auf Abstands- und Hygieneregeln achten – dazu gehört eine sorgfältige Händedesinfektion genauso wie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes“, erklärt der Professor.

Da Gäste am Tisch ihre Masken wieder absetzen, sei vor allem wichtig, dass das Service- und Küchenpersonal sie permanent trage. Denn so verringere man zumindest das Risiko, dass das Personal das Virus weiterverbreite und es durch Husten oder Niesen aufs Essen gerate. Das könnte vor allem bei Speisen, die nicht mehr erhitzt werden, problematisch sein.

Außerdem sollten Tischflächen und Gegenstände, die häufig angefasst werden, nach jedem Gast desinfiziert werden. „Zwar ist eine Schmierinfektion nicht der Hauptübertragungsweg, aber dennoch fassen wir uns mehrfach unbewusst an den Mund und können uns so infizieren bzw. das Virus verbreiten.“ Zwar sei noch immer nicht ganz klar, wie lange sich Sars-CoV-2 auf Flächen halte, aber man müsse schon von einigen Stunden ausgehen, sagt der Experte.

Gäste-Registrierung: Angesichts steigender Corona-Zahlen haben Bund und Länder am Dienstag beschlossen, dass Gästen, die sich in Lokalen bewusst unter falschem Namen registrieren ein Bußgeld von mindestens 50 Euro droht. Wirte und Personal sind nun dazu angehalten, die Plausibilität der Angaben zu überprüfen.

In Schleswig-Holstein soll das sogar bis zu 1000 Euro kosten. Restaurantbetreiber, die falsche Angaben auf ihren Kontaktlisten dulden, drohte bereits zuvor ein Bußgeld in Höhe von mindestens 500 Euro.

Merkel forderte Wirte dazu auf, sich im Zweifelsfalle einen Ausweis oder die Fahrerlaubnis zeigen zu lassen. Die Daten seien wichtig, denn nur so könnten im Infektionsfall, mögliche Kontakte nachvollzogen und weitere Infektionsfälle aufgespürt werden.

Ausschankverbote: An Orten und in Regionen, wo die Infektionszahlen ansteigen, soll es außerdem regional „zeitlich eingegrenzte Ausschankverbote für Alkohol“ geben, um Ansteckungen in der Gastronomie einzudämmen.

dpa

2. Regelmäßiges Lüften und/oder Hochleistungsfiltergeräte

Da Corona in erster Linie über Tröpfchen übertragen wird, sei es extrem wichtig, Innenräume regelmäßig zu lüften. Doch gerade im Winter bei Minustemperaturen ist dies leichter gesagt als getan, da kein Gast permanent im kalten Luftzug sitzen will. „Es reicht leider nicht aus, einfach nur ein Fenster aufzumachen – ein Durchzug ist für den Luftaustausch erforderlich“, erklärt Zastrow.

Martin Kriegel, Professor für Gebäudetechnik an der TU Berlin, empfiehlt beispielsweise Innenräume alle 20 Minuten für fünf Minuten zu lüften oder alle 30 Minuten für etwa zehn Minuten. Das sei in Räumen, die sich auf diese Art gut belüften lassen, ausreichend, um Superspreading-Events zu verhindern.

Hochleistungsfilter aus dem medizinischen Bereich filtern Viren heraus

Was ist aber mit Räumen, in denen dies nicht möglich ist? Hier könne man laut Zastrow Hochleistungs-Luftfilter-Geräte, wie sie in medizinischen Einrichtungen wie OP-Sälen verwendet werden, einsetzen. „Diese haben drei Filter und der endständige Hochleistungs-Schwebstoff-Filter hat einen Abscheidegrad von 99,97 Prozent und filtert so alle Partikel und Tröpfchen und damit auch Viren und Bakterien aus der Luft heraus.“ Durch Plasma- und UV-Sterilisation werden die Viren, die abgefangen werden, im Gerät abgetötet, sagt Zastrow.

„Diese Geräte stellen zudem einen erheblichen Kostenfaktor dar, denn kleine Geräte für kleine Räume kosten ab 4000 Euro und für große Räume ab 12.000 Euro“, gibt Zastrow zu bedenken. Zwar könne man diese mieten, aber mit Sicherheit rechne sich dies nicht für jeden Restaurantbetrieb.

Laut Martin Kriegel reduzieren Geräte, die mindestens 7000 Kubikmeter pro Stunde reinigen, das Infektionsrisiko auf bis zu ein Prozent. „Aber die Geräte senken die Aerosolanzahl nicht auf nahe Null“, führt der Fachmann weiter aus. Es blieben Tausende Aerosole weiterhin in der Luft und wir müssten trotzdem noch lüften – um das ausgeatmete CO2 aus den Räumen und frischen Sauerstoff in die Räume zu bekommen, so der Experte.

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  • 3. Mit einer desinfizierenden Mundspülung gurgeln

    Für Zastrow gibt es eine viel einfachere Methode, die äußerst kostengünstig und wirksam sei: „Bevor Gäste das Restaurant betreten, sollten sie mit einem begrenzt viruziden Schleimhautdesinfektionsmittel 45 Sekunden gurgeln und den Mund spülen“, erklärt der Professor. „Dieses tötet Coronaviren, die sich im Mund- und Rachenraum vermehren, ab und verhindert so zumindest für einen gewissen Zeitraum, dass Infizierte die Viren in Tröpfchen und Aerosolen ausstoßen und weiterverbreiten.“

    Mittlerweile belegen aktuelle Studien die Wirksamkeit von Mundspülungen gegen das Sars-CoV-2 ebenfalls. So haben beispielsweise Virologen der Ruhr-Universität Bochum mit anderen Wissenschaftlern aus Deutschland festgestellt, dass acht handelsübliche Präparate mit unterschiedlichen Inhaltsstoffen, die es in Drogeriemärkten und Apotheken gibt, das Virus nach 30 Sekunden inaktivieren. 

    Wirkung hält zumindest in der Zeit des Restaurantbesuchs an

    Zwar hemme das Gurgeln mit einer Mundspülung nicht die Produktion der Viren in der Zelle, aber sie senke die Viruslast dort, wo das größte Ansteckungspotential sei, nämlich im Mund-Rachen-Raum und könne so bei der medizinischen Versorgung oder auch beim Zahnarzt nützlich sein, heißt es in der Studie. 

    Wie lange dieser Effekt anhält, konnten die Forscher zwar noch nicht klären, aber laut Zastrow geht bei richtiger Anwendung zumindest das Risiko, dass diese Person ansteckungsfähige Viren während des Restaurantaufenthaltes ausstößt, gegen Null.

    Geeignet seien besonders Mundspülungen auf Basis einer PVP-Jod-Lösung oder auch mit dem Wirkstoff Octenidin, die das Restaurantpersonal den Gästen in kleinen Bechern beim Betreten reichen kann. Das stellt laut Zastrow die kostengünstigste Lösung für Gastronomiebetriebe dar, die relativ einfach umsetzbar wäre.

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