Gesundheit

Studie sagt: Coronafälle verlaufen meist mild – doch Forscher zweifeln an Zahlen

Ein neuer Bericht zum Coronavirus besagt, dass 80 Prozent aller Erkrankungen mild verlaufen. Diese Aussage macht Hoffnung, internationalen Forschern zufolge sind die Fallzahlen des Berichts jedoch womöglich fehlerhaft. Es herrscht Skepsis.

In den vergangenen Wochen warteten Wissenschaftler auf der ganzen Welt sehnsüchtig auf konkrete Zahlen, die den Ausbruch und die Verbreitung des Coronavirus in China einordnen. Jetzt stellten chinesische Forscher einen umfassenden Bericht vor. Dieser soll die Entwicklung der Krankheit darstellen – hat jedoch seine Tücken. Internationale Forscher zweifeln die Aussagen der Studie an.

Die Experten des Chinese Centre for Disease Control and Prevention (CCDC) sortierten die Anzahl der Infektionen nach dem Datum, an welchem erstmals Symptome bei Betroffenen auftraten. Sie versuchten damit, den zeitlichen Verlauf der Epidemie abzuschätzen.

Außerdem betrachteten sie die Sterblichkeitsrate und den Krankheitsverlauf der Betroffenen. Ihr Fazit: Rund 80 Prozent der Erkrankungen nehmen einen milden Verlauf.

In die Analyse der Forscher flossen mehr als 72.000 Patientenakten ein, 44.672 waren bestätigte Fälle, außerdem 16.186 Verdachtsfälle, 10.567 klinisch diagnostizierte und 889 asymptomatische Fälle, die bis zum 11. Februar gemeldet worden.

Bis zum Ende des Beobachtungszeitraums am 11. Februar starben 1023 Menschen am Coronavirus. Daraus leiteten die Forscher eine Gesamtsterblichkeitsrate von 2,3 Prozent ab, nicht bestätigt Infizierte wurden hierbei jedoch nicht einbezogen.

CCDC-Bericht greift nicht alle Fälle auf

Infektiologe Clemens Wendtner zweifelt die Aussagekraft der Studiendaten an – zumindest was die Gesamtzahlen angeht. „Ich würde hinter die Meldezahlen der PCR-bestätigten Fälle zumindest in Hubei ein Fragezeichen setzen“, erklärt der Mediziner.

Er befürchtet, dass die Anzahl der Coronafälle aus dem Bericht unvollständig ist. Er sieht sowohl die Diagnose, als auch die Zählung der Fälle als Faktoren, die die Daten und somit die Schlussfolgerungen verfälschen. Chinese Centre for Disease Control and Prevention ( Die Wissenschaftler des Chinese Centre for Disease Control and Prevention veröffentlichten jetzt einen Bericht, der die Verbreitung des Coronavirus in China darstellt.

China zählt Fälle entgegen der WHO-Empfehlung

Der Mediziner, der auch die Spezialeinheit für hochansteckende und lebensbedrohliche Infektionen an der Münchner Klinik Schwabing leitet, bezweifelt, dass das Virus in China, insbesondere in Hubei bei all denen diagnostiziert wurde, die tatsächlich erkrankt sind. Die Nachweisdiagnostik habe chinesischen Berichten zufolge dort stark abgenommen.

Zudem würden im Festland von China vor allem jene Fälle gezählt, bei denen Patienten bereits Symptome von COVID-19 zeigen. Ganz anders verlangt es jedoch die Empfehlung der WHO. Laut dieser würden PCR-positive Fälle auch dann als bestätigt gezählt werden, selbst wenn der Patient (noch) keine Symptome zeigt.

Hinzu komme eine hohe Dunkelziffer der COVID-19-Patienten in der Region Hubei. Menschen, die sich krank fühlten, würden nicht sofort einen Mediziner aufsuchen, warnt Wendtner. „Wer geht denn jetzt noch ins Krankenhaus zum Arzt, wenn er Angst hat, unter Quarantäne steht und die Wohnung ohnehin nur schwer verlassen kann?"  

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„Infrastruktur in China ist für eine derartige Seuche nicht gemacht“

Auch US-Forscher Jamie Metzl zeigt sich kritisch. Auf die Frage, ob er den Zahlen aus China vertraue, antwortete der Experte für Zukunftstechnologien mit einem klaren „Nein“. Im Interview mit „CNN“ erklärte Metzl: „Die Infrastruktur in China ist für eine derartige Seuche nicht gemacht. Sie schafft es nicht, exakt zu ermitteln, wer infiziert ist, und wer nicht.“ China habe relativ primitive Methoden, um COVID-19 zu diagnostizieren. Besonders aufgrund der sehr langen Inkubationszeit sei es schwierig, die genaue Zahl der Fälle auszumachen.

Die tatsächliche Zahl der Fälle müsste den Forschern zufolge also viel höher sein. Demnach können man aus der Studie noch keine allgemeingültigen Aussagen über die Entwicklung sowie den Verlauf der Erkrankung ableiten.

Vermeintlicher „Wendepunkt“ beruht ebenfalls auf unvollständigen Zahlen

Die Ausbruchskurve, die aus dem Bericht hervorgeht, legt nahe, dass das Virus bereits seinen Höhe-, und somit auch seinen Wendepunkt erreicht hat. Die Spitze der Ausbrüche datierten die CCDC-Forscher auf den Zeitraum vom 23. bis 26. Januar 2020. Bis zum 11. Februar nahmen die Fälle daraufhin wieder ab.

Dieser scheinbare Wendepunkt lässt sich Clemens Wendtner zufolge ebenfalls auf die unvollständigen Fallzahlen zurückführen. „Zunächst erscheint die epidemiologische Kurve der sinkenden Anzahl von bestätigten Diagnosen ermutigend, über die die CCDC in der Publikation berichtet“, erklärt der Infektiologe. „Aber als Kliniker hege ich noch Zweifel, ob es sich dabei schon um die erhoffte Trendwende handelt.“

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