Gesundheit

Was ist eine Rezeptur? – Klären statt Abwarten

Die jüngste Entwicklung um die Opiumtinktur ist aus berufspolitischer Sicht ein weiterer Aspekt der seit Jahrzehnten geführten Verfahren um das Rezepturprivileg. Den Zusammenhang des aktuellen Falls mit dieser langfristigen Entwicklung beschreibt DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn in einem Kommentar.

Ein erfundenes Szenario könnte nicht stärker überzeichnet werden als die Konstellation, die sich derzeit rund um die Opiumtinktur bietet. Sie enthält genug Stoff für mehrere Dramen. Besonders beeindruckend, dass es dabei um eines der ältesten noch angewendeten Arzneimittel geht.

Kaum ein anderes Produkt könnte den Archetypus eines Arzneimittels besser verkörpern, das in der Apotheke für einen Patienten individuell abgefüllt wird, gestützt auf die Qualitätsvorgaben des amtlichen Arzneibuchs. Das ist das klassische Dispensieren, wie es seit Jahrhunderten praktiziert wird, Apothekertätigkeit in Urform. Doch einige Gerichte wollen nun erkennen, dass dies keine Rezeptur wäre. Das Produkt soll angeblich ein Fertigarzneimittel sein, obwohl es aus einer Zeit stammt, in der es so etwas noch gar nicht gab. Wie deutlich kann es noch werden, dass an diesen Auslegungen irgendetwas nicht folgerichtig sein kann?

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Zukunft des Rezepturprivilegs

Von der Opiumtinktur zur allgemeinen Sorge um die Rezeptur

Es wird allerhöchste Zeit, diese Argumente zu hinterfragen und dabei auch den Versorgungszweck der Rezeptur zu bedenken. In der seit Jahrzehnten andauernden Serie von Urteilen, die das Defektur- und Rezepturprivileg einengen, ging es meist um ausgefallene Produkte, die nur in wenigen Apotheken interessierten. Darum gab es bisher keinen Aufschrei. Doch nun betrifft es ein Produkt mit mehr Versorgungsrelevanz, das in vielen Apotheken zumindest gelegentlich vorkommt.

Darum sorgen sich nun viele Apotheker. Wenn ein Produkt fällt, könnte auch das Abfüllen anderer Arzneimittel infrage gestellt werden. Die politisch aufmerksam verfolgte Versorgung mit Cannabisblüten stellt praktisch dieselbe Konstellation dar. Wenn dann noch weitere Ecken herausbrechen, bliebe bald nicht mehr genug übrig, um die Rezeptur als Institution zu erhalten.

Katastrophe für Apotheker und Patienten

Das wäre eine Katastrophe für das Selbstverständnis und die Außendarstellung der Apotheker und ein willkommenes Argument für die Versender. Denn dann entfiele ein wesentlicher Unterschied zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versand. Doch vor allem wäre es eine Katastrophe für die Patienten. Denn ein wichtiger Teil der Versorgung stünde nicht mehr zur Verfügung und für Krisenzeiten wäre ein entscheidendes Stück Sicherheit verloren. Die Erinnerung an die Herstellung von Desinfektionsmitteln ist noch frisch. Dies alles spricht dafür, das Thema nun endlich vom Ende her zu denken.

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