Es blitzt, donnert, in wenigen Stunden stürzte die Temperatur in Teilen Deutschlands um 17 Grad ab, von schwüler Tropenhitze zu windig kalt. Die krassen Temperatur-Sprünge, der ständige Wechsel der Extreme ohne Übergang bringen auch uns Menschen durcheinander.
„Das ständige Hin und Her, dass sich das Wetter von einem Tag auf den anderen ändert, oder innerhalb des Tages so krass umschlägt, sorgt dafür, dass der Körper nicht mehr so nachkommt, es überfordert die eigentlich sehr gute Anpassungsfähigkeit des Menschen“, sagt Prof. Andreas Matzarakis (59), Medizin-Meteorologe vom Deutschen Wetterdienst.
Typische Folgen sind Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislaufprobleme, Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen. Migräne-Patienten nennen den Wetterwechsel, vor allem den Temperatursturz nach heißen Tagen, oft als Auslöser für Attacken.
Bei Stress ist der Körper besonders anfällig
„Das Wetter ist nicht schuld, aber es ist das, was das Fass zum Überlaufen bringt“, so Prof. Matzarakis. Wenn die Gesundheit sowieso durch Vorerkrankungen schwächelt, der Fitness-Status schlecht ist und die allgemeine Stressbelastung sehr hoch, sei der Organismus besonders anfällig. Das ist keine neue Weisheit. Aber der Wechsel ins Extreme nimmt zu und macht zu schaffen.
Rheumatiker und Menschen mit Arthrose spüren abrupte Wetterwenden in den Gelenken. „An den Entzündungsfaktoren ändert das Wetter nichts, aber die Schmerzschwelle ist messbar herabgesetzt, wenn Temperatur und Luftfeuchte umschlagen“, sagt Angela Schuh, Professorin für medizinische Klimatologie an der LMU München. „Wir sind eingestellt auf stabile Wetterlagen“, erklärt Prof. Matzarakis. „Da kann sich der Körper sehr viel besser schützen und selber regulieren.“
Ständig neue Wetter-Rekorde
Nun werden ständig neue Wetter-Rekorde gebrochen, in immer kürzeren Abständen. Gewitter, Stark-Regen, Tornados: „Punktuelle Extrem-Wetterereignisse nehmen einfach zu“, bestätigt Dominik Jung vom Wetterdienst Q-Met. Da kommen auch gesundheitliche Folgekosten auf uns zu, meint Prof. Matzarakis. Von häufigeren Rettungsdiensteinsätzen und mehr Arztbesuchen bis zu Arbeitszeitausfällen. So zahlt nicht nur die Erde, sondern auch der Mensch für den selbst verschuldeten Klimawandel schon sehr direkt die Zeche.
Dass die Erderwärmung die Ursache für Wetterextreme ist, „ist für 97 von 100 Wissenschaftlern unumstritten“, betont ARD-Wetterexperte Sven Plöger. Das ließe sich nicht nur mit dem Thermometer messen. „Früher gab es häufig Westwindlagen, heute oft Ostwind und somit Wetterstau von Nord nach Süd.“
Nordpol ist Motor der Entwicklung
Letzte Woche, vorm großen Donner, waren es bei uns über 30, in Paris 14 Grad. „An der Grenze gab es die heftigen Gewitter.“ Hauptgrund der Wetterwende sei, dass Hochs und Tiefs langsamer ziehen, sie verharren länger an derselben Stelle – siehe Rekordsommer 2018, Starkregen 2017. Der Motor, so Plöger, sei am Nordpol zu finden: „Das Polar-Eis zieht sich dramatisch zurück. Es gibt auf der Erde überhaupt nur Wetter, weil der Äquator sehr heiß ist und der Polar-Kreis sehr kalt.“
Jetzt, wo sich die Luft durch klimaschädliche Gase über den Polen erwärmt, wären die Ausgleichsbewegungen geringer. Das stört den weltumspannenden Jetstream, die Winde in zehn Kilometer Höhe. Die Luftmassengrenze wird tagelang aufgebaut, entlädt sich umso wuchtiger. Folge: Dürre, Hochwasser, Temperatur-Sprünge. Stark-Regen. Tornados wie diese Woche in Bocholt. „Das wird zukünftig mehr werden und es ist von Menschen gemacht“, ist auch dieser engagierte Meteorologe sich sicher.
Lesen Sie hier, was Experten zum Extrem-Sommer 2017 sagten
Warnung vor unumkehrbarer Klimakrise
Australische Forscher warnen aktuell in einer neuen Studie vor einer in naher Zukunft unumkehrbaren Klimakrise, wenn die internationale Gemeinschaft nicht handelt. 2050 wäre der Wendepunkt für das Abschmelzen der Eisschilde in Grönland und der Westantarktis längst überschritten, es drohe ein „Hothouse“-Szenario, dann wären 54 Prozent der Weltbevölkerung mehr als 20 Tage im Jahr einer Hitze ausgesetzt, die über das hinausgehe, was Menschen überleben können.
Klimaforscher Prof. Mojib Latif vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel betont, dass dieser Report „Low Cost Probabability – High Impact-Events“ berechne, also Ereignisse, die mit einer geringen Wahrscheinlichkeit eintreten werden, aber enormes Schadenspotenzial hätten. Die Daten zeigen, was schlimmstenfalls geschehen könnte, wenn es keinen ambitionierten Klimaschutz gibt.
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Tipps zur Stärkung bei Wechselwetter
Kopfdruck, innere Unruhe, Gereiztheit, Konzentrationsschwäche, Gliederschmerzen: Der Kreislauf macht schlapp. Wenn das Wetter wechselt, leiden vor allem Büroangestellte und Stadtbewohner mit.
Sieben Tipps, wie wir uns stärken – außer möglichst oft an die frische Luft zu gehen.
Die Kraft der Körner
Haferkleie, Haferflocken, Weizenkeime und speziell Leinsamen gleichen Wetterfühligkeit durch pflanzliche Hormone aus. Weichen Sie einen Esslöffel goldgelben Leinsamen über Nacht in 1/4 Liter Wasser ein. Morgens essen, die Quellflüssigkeit trinken.
Werden Sie zum Osterhasen
Knabbern Sie täglich ein, zwei Möhren oder trinken Sie Möhrensaft. Karotten bauen überschüssige Säure ab. Wetterfühligkeit ist Stress für den Körper, übersäuert ihn. Machen Sie Katerfrühstück.
Ein halber Salzhering pro Tag
Der liefert Mineralstoff-Power. Dazu Vollkornbrot (Vitamin E) mit fein gehacktem Schnittlauch gegen schlappmachenden Eisenmangel.
Die Heilkraft der Klosterfrau
Trinken Sie dreimal täglich Tee (Weidenrinde, Kamille, Brennessel, Johanniskraut, grüner Tee) mit einem Teelöffel Klosterfrau Melissengeist. Die Forschungsstelle für Biometeorologie in Wien behandelte 14 000 Wetterfühlige damit. Erfolg: 90 Prozent der Wetterfühligen fühlten sich besser.
Düfte gegen Wetterfühligkeit
Geben Sie 20 Tropfen Sandelholzöl in eine Schale Wasser und stellen Sie sie ins Wohnzimmer. Das beruhigt.
Dackelgriff gegen Wetterfühligkeit
Fassen Sie sich mit der rechten Hand in den Nacken und ziehen Sie dran, als würden Sie einen Hund oder eine Katze heben. Dieser „Dackelgriff“ reizt einen Akupressur-Entspannungspunkt.
Uralter Kneipp-Trick
Lassen Sie eiskaltes Wasser ins Waschbecken. Tauchen Sie beide Unterarme fünf, sechs Sekunden ein. Streifen Sie das Nass nur mit den Fingern ab. In der Wohnung herumlaufen, trockenschwenken. Das kurbelt den Kreislauf an.
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Dieser Artikel wurde verfasst von Sieglinde Neumann
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