Wenn die Sonne wieder rauskommt, sind die Laufstrecken in den Städten schnell mit Freizeitsportlern gefüllt. Aber wie bleiben Sie dauerhaft motiviert und wie verhindern Sie, dass lästige Gelenkprobleme den Trainingsplan durchkreuzen? RunningDoc Matthias Marquardt hat den perfekten Plan für Sie ausgearbeitet.
Wenn ich über Laufen schreibe, stelle ich mir immer vor, es ginge um Klavierspielen. Das habe ich zu Schulzeiten einmal lernen wollen. Und obgleich der Lehrer meine Versuche auf „Alle mein Entlein-Niveau“ immer gelobt hat, war es ein bisschen schrecklich, wie talentfrei ich war. Spaß hat das eigentlich schon gemacht, aber es gelang nicht viel. Und wenn Dein Bruder dann noch allen Ernstes Dirigent ist und Kirchenorgel spielt… Oh Mann! Dori Fischl/BurdaForward
Über den Experten
Dr. Matthias Marquardt hat die „Laufbibel“ geschrieben, ist in der Laufszene als „Laufpapst“ bekannt und betreut als Sportinternist und Spezialist für Laufverletzungen Patienten aus ganz Deutschland in seiner Praxis für „Sport & Check-up“ in Hannover. Der begeisterte Triathlet duscht Sommer wie Winter im Garten und schwimmt gerne im Mittellandkanal, an dem er mit seiner fünfköpfigen Familie lebt. Der RunnigDoc schreibt auf FOCUS Online über Gesundheit, Bewegung und das Leben als Sportarzt. Hier finden Sie ihn bei Instagram und Facebook.
Manchmal frage ich mich, wie es geendet wäre, wenn ich keinen musikalischen Überbruder gehabt hätte und die Sache mal völlig entspannt gesehen hätte. Gut wäre ich wohl nie geworden, aber vielleicht hätte es einfach Freude bereitet und mir gutgetan.
Diese Anekdote hat viel damit zu tun, wenn ein möglicherweise nicht sehr sportlicher Mensch zu joggen beginnen möchte. Da gibt’s die austrainierte Kollegin im Büro, die Marathon in 3:30 Std. rennt, oder den asketischen Mittsechziger vom Ende der Straße, der sogar bei Regen rennt und dem die eigentlich engen Tights an den Pommes-Pieker-Beinen schlackern.
Da steht man dann mit ein paar Rettungsringen um die Hüfte und wenig Talent. In der alten Jogginghose sieht man, bei Lichte betrachtet, etwas affig aus. Und die Worte des Hausarztes, man solle sich doch mal mehr bewegen, wirken irgendwie eher hemmend als beflügelnd. Hält mein Körper das aus? Was werden die Nachbarn sagen?
Wenn Sie bisher unsportlich waren und trotzdem joggen gehen, sind Sie ein Held
Und ich kann Sie verstehen! Gegenüber meiner Praxis steht ein öffentliches Klavier auf dem Marktplatz. Wenn ich mir vorstelle, ich sollte dort, öffentlich(!) Klavierspielen üben, dann würde ich auch ganz klein mit Hut und mich als offenkundiger Anfänger nicht blamieren wollen. Stellen wir also eines unbedingt fest: Wenn Sie bislang keinen Sport gemacht haben, und trotzdem joggen gehen, dann sind Sie ein Held.
Sind mutig, stark und haben Anerkennung verdient. Es ist wie immer eine Frage des Mindsets. Let’s face it: Sie werden wahrscheinlich nie so laufen wie die Cracks. Aber Sie sind so klug und wissen das vorher. Sie machen ihr Ding. Sie machen nicht meinen Klavier-Fehler und denken, Sie müssten das irgendwie besonders toll machen. Wie recht Sie haben!
Und wo wir gerade dabei sind, sollten wir noch etwas anderes ehrlich betrachten: 48 Jahre alt, 12 kg zu viel, schütteres Haar, Knickfüße, Haare an käseweißen Beinen – und Sie wollen beim Joggen aussehen wie die Jungs bei der Weltmeisterschaft? Das wird nichts. Sie werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht cool aussehen und nicht schnell sein. Es wird eher etwas angestrengt aussehen. Etwas uncool. Daran werden auch 5000 €, die Sie im Sportgeschäft für schicke Klamotten verbraten, nichts ändern. Aber, und das unterscheidet Sie von allen Couchpotatoes: Sie tun es! Sie joggen und Sie werden sich danach wie neu geboren fühlen. Und Sie können stolz darauf sein!
Machen Sie Ihr Ding! Lassen Sie die anderen reden
Noch mehr unverblümte Wahrheiten? Ok. Es ist sowieso nur eine Frage des Talents. Das sagt Ihnen nur keiner. Natürlich werden Sie, und das ist eine gute Nachricht, sehr schnell fitter, wenn Sie joggen, aber Ihr Verbesserungspotenzial hat in absoluten Zahlen klare Grenzen. Es gibt Typen, die laufen ohne jedes Training 10 km in 36 Minuten oder einen Marathon unter drei Stunden. Die können dann mit Training auch in die Spitze vorstoßen. Es gibt aber auch Menschen, die trainieren jede Woche 40 km und schaffen die 5 km nicht unter 30 Minuten. Es gilt schon wieder: Lassen Sie die anderen reden. Machen Sie Ihr Ding!
Wenn Sie den ganzen mentalen Ballast abgeworfen haben und sich entschieden haben in Jogginghose, ziemlich langsam und mit dem Thrill-Faktor einer Amöbe Ihre Runden zu drehen und sich dabei extrem gut zu fühlen, dann bleiben nur noch zwei Fragen: Wie bleib ich dran? Und: Wie mach‘ ich’s richtig, damit meine Sehnen und Gelenke heil bleiben?
Die Lauf-Strähne: To Streak or not to streak
Für das Dranbleiben gibt es keinen besseren psychologischen Trick als das „Streaken“. Ein Streak ist eine Strähne von Läufen, die Sie ohne Pause absolviert haben. Sie rennen einfach jeden Tag. Nix besonderes? Oh doch! Der psychologische Preis, die Strähne zu unterbrechen, wird jeden Tag größer, weil der Streak ja jeden Tag länger wird. Es gibt tatsächlich Menschen, die Streaken schon seit über 10 Jahren.
Streaken ist wie eine Droge: Sie bleiben dran und brauchen immer mehr. Jeden Tag 30 Min joggen, nie mehr aufhören. Einfach und genial! Einziger Haken: Sie brauchen dafür die orthopädische Belastbarkeit eines Gewichthebers aus dem früheren Ostblock. Wer sich leicht verletzt oder überlastet, ist leider nach spätestens 3 Wochen dauerverletzt und Stammgast beim Sportarzt.
Ihr perfekter Trainingsplan
Die Alternative ist vernünftiger und schützt Sie vor Überlastungen: Ein kluger Trainingsplan. Der hat bloß nicht diesen Heroin-Faktor, der Sie gierig immer weiter machen lässt, wie das Streak-Running. Als jemand, der täglich verletzten Läufern zurück in die Schuhe hilft, empfehle ich dennoch den Plan, weil eben doch nur sehr weniger Schreibtischtäter die Verletzungsresistenz eines gestählten Zehnkämpfers haben.
Diesen Trainingsplan technisch umzusetzen ist übrigens ein Kinderspiel: Gehen Sie die Gehintervalle so schnell Sie können, laufen Sie die Laufintervalle so langsam Sie können. So einfach, denn nichts ist schlimmer als die drei Todsünden des Hobbyläufers zu begehen: Zuviel, zu schnell, zu wenig Pause! Ach ja, und wenn Ihnen das alles albern vorkommt und Sie einfach 5 km laufen können, dann freuen sie sich über ihr Talent und machen bitte denen Mut, die dafür trainieren müssen.
Noch ein Hinweis für die, die das Laufen früher wegen orthopädischer Zipperlein abbrechen mussten. Und das sind leider locker 30-50 Prozent derer, die es versuchen. Machen Sie neben dem oben genannten Plan eine Übungsserie aus meinem„schneller, leichter schmerzfrei-Programm“. Das hilft mehr als der teuerste Laufschuh.
Und jetzt raus mit Ihnen!
Ihr RunningDoc
Matthias Marquardt
- Im Video:
Keine Ausreden mehr: Fitnesstipps für Faule
Teleschau Keine Ausreden mehr: Fitnesstipps für Faule
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