Wie gut eine Schutzimpfung wirkt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Der Zustand unserer Darmflora ist einer davon. Probiotische Bakterien könnten den Impferfolg möglicherweise noch weiter verbessern.
Im vergangenen Winter sind die saisonalen Grippe- und Erkältungswellen weitgehend ausgefallen, denn die Coronavirus-Schutzmaßnahmen waren so wirksam, dass sie auch Influenzaviren und Schnupfenerreger eindämmen konnten. Doch zwei Jahre mit wenigen Keimkontakten haben unser Immunsystem „faul“ gemacht und die Abwehrkräfte sind kaum auf die beginnende Erkältungssaison vorbereitet.
Gegen Grippe und Corona, das sollte inzwischen bekannt sein, bietet eine Impfung den besten, wenn auch nicht für alle Geimpfte einen hundertprozentigen Schutz. Denn wie gut ein Impfstoff wirkt, wie stark die schützenden Antikörper oder abwehrkräftigen Immunzellen ansteigen, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und kann unter anderem vom Alter, Begleiterkrankungen oder dem Ernährungszustand abhängen.
Aktuell mehren sich die Hinweise aus klinischen Studien und Tiermodellen, dass die Zusammensetzung der Darmflora, Experten sprechen vom „Mikrobiom“, ein entscheidender Faktor sein könnte, der die Immunantwort auf Impfungen moduliert. Denn ein gesundes Mikrobiom sowie die richtigen probiotischen Bakterien sind wichtige „Trainingspartner“ der Abwehrkräfte. Immerhin haben mindestens 70 Prozent unserer Immunzellen ihren Hauptsitz im Verdauungstrakt und stehen dort in einem regen Austausch mit den ortsständigen Mikroorgansimen. Bildschön/Dietzel FOCUS-Online-Kolumnistin Michaela Axt-Gadermann
Über die Expertin
Michaela Axt-Gadermann ist Ärztin und Professorin für Gesundheitsförderung im Studiengang „Integrative Gesundheitsförderung“ an der Hochschule Coburg. Sie lebt mit Mann und Kindern in der Nähe von Fulda. Zum Thema „Darm“ hat sie zahlreiche Bücher geschrieben sowie ein lizensiertes, von den Krankenkassen anerkanntes Online-Ernährungscoaching („Gesund mit Darm“) entwickelt. Mehr Informationen finden Sie auch auf der Webseite „Gesund mit Darm“.
Das Mikrobiom, der neue Superstar
Wie wichtig unser Mikrobiom für die körpereigene Abwehr ist, weiß man noch gar nicht so lange. Das Mikrobiom hat sich, dank neuer Analysemethoden, in den letzten Jahren vom Kellerkind zum neuen Superstar der Gesundheitsförderung entwickelt. In dieser Zeit hat die Wissenschaft ziemlich viel gelernt über die Bedeutung der Bakterien, Viren und Pilze, die unsere Haut, die Schleimhäute und vor allem auch den Darm besiedeln. Inzwischen hat man herausgefunden, dass die 100 Billionen Mikroorganismen, vor allem die Gruppe der Darmbakterien, unser Gewicht, den Blutdruck oder die sportliche Leistungsfähigkeit beeinflussen können, für unsere psychische Verfassung Verantwortung tragen und selbst an Krebserkrankungen nicht unbeteiligt sind.
Da liegt es nahe, dass auch die Abwehrkräfte von einem intakten Mikrobiom profitieren könnten. Darmbakterien arbeiten Hand in Hand mit unserem Immunsystem und stimulieren es auf vielfältige Weise. Ist das Mikrobiom schlecht aufgestellt, dann schwächeln auch die Infektabwehr und Impfungen schlagen schlechter an.
„Gesund mit Darm“ von Michaela Axt-Gadermann
Immunsystem auf Mikrobiom angewiesen
Das Zusammentreffen zwischen Bakterien und Abwehrzellen, vor allem den Lymphozyten, findet im Dünn- und Dickdarm statt. Die dort lebenden Immunzellen reagieren auf Stoffwechselprodukte des Mikrobioms wie kurzkettige Fettsäuren, Vitamine oder Hormone. Je nach Zusammensetzung der Darmflora werden diese Metaboliten in unterschiedlicher Konzentration bereitgestellt und können Abwehrreaktionen dadurch verstärken oder eine überschießende Aktivierung des Immunsystems bremsen.
Doch das Mikrobiom stimuliert die Immunzellen nicht nur lokal im Verdauungstrakt. Bakterielle Stoffwechselprodukte gelangen über die Blutbahn auch zu anderen Immunorganen des Körpers wie dem Knochenmark, der Milz oder den Lymphknoten. Auf diese Weise kann unser Mikrobiom in vielen Organen zu einer gesunden Balance der Abwehrkräfte beitragen und immunologische Reaktionen bei Allergien, Autoimmunerkrankungen oder eben auch Impfungen beeinflussen.
Darmflora beeinflusst Impfreaktion
Erste Hinweise über die Bedeutung einer intakten Darmflora für den Impferfolg stammten aus Tierstudien. Mäuse, die keimfrei, also ohne Mikrobiom, aufgezogen wurden, bildeten deutlich weniger schützende Antikörper auf den saisonalen Grippeimpfstoff als Nager mit einer intakten Darmflora. Eine geringere Schutzwirkung nach der Impfung zeigte sich auch nach einer Vorbehandlung der Tiere mit Antibiotika, die viele nützliche Darmbakterien abtöteten. Und die Immunantwort auf Virusinfektionen fiel schwächer aus, wenn die Mäuse vor oder während einer Infektion Antibiotika erhalten hatten.
Offensichtlich sind die Ergebnisse der Tierstudien zumindest teilweise auf den Menschen übertragbar. Das wies unter anderem ein US-amerikanisches Forschungsteam um den Immunologen und Mikrobiologen Bali Pulendran von der Stanford University in Kalifornien nach. Die Wissenschaftler verabreichten einem Teil der gesunden Studienteilnehmern vor einer Grippeschutzimpfung Antibiotika, die die Darmflora schädigten. Diese Probanden wiesen dann tatsächlich signifikant niedrigere Antikörpertiter gegen das Grippevirus auf als die Geimpften ohne antibiotische Vorbehandlung.
Offensichtlich hängt der Impferfolg auch davon ab, welche Bakterien im Darm vorherrschen und ob die Vakzine gespritzt oder als Schluckimpfung verabreicht werden. Ließen sich im Verdauungstrakt der Studienteilnehmer viele Bakterien aus der Gruppe der Proteobakterien oder Bacteroidetes nachweisen, fiel die Wirksamkeit der Impfung schwächer aus. Waren hingegen zahlreiche Actinobakterien, zu denen auch die bekannten Bifidobakterien zählen, und Firmicutes vorhanden, kurbelten diese nachweislich die Bildung schützender Antikörper und Immunzellen an.
Probiotika verbessern Ansprechen von Impfungen
Wenn ein Mangel an nützlichen Mikroorganismen zu einer geschwächten Abwehr und einem geringeren Impferfolg führt, dann liegt es nahe, durch probiotische Bakterien das Immunsystem zu stärken und damit möglicherweise die Impfungen wirksamer zu machen. Probiotika sind lebende Mikroorganismen, meistens aus der Gruppe der Lactobazillen oder Bifidobakterien, die einen günstigen Einfluss auf die menschliche Gesundheit haben. Enthalten sind sie in fermentierten Nahrungsmitteln wie Joghurt, Kefir oder Sauerkraut oder man kann sie mit Hilfe von Nahrungsergänzungsmitteln zuführen. Probiotika können immunologische Reaktionen beeinflussen und modifizieren.
Dadurch sind sie offensichtlich sogar in der Lage, die Effektivität von Impfungen zu steigern. Ließ sich bei Kleinkindern zum Zeitpunkt wichtiger Schutzimpfungen eine große Zahl an Bifidobakterien im Verdauungstrakt nachweisen, dann entwickelten sie deutlich mehr schützende Antikörper und Abwehrzellen als Kinder mit einer geringeren Bakteriendichte.
Auch die Einnahme probiotischer Milchsäurebakterien wie Lactobazillus rhamnosus oder Lactobazillus gasseri führte in randomisierten und placebokontrollierten Studien zu einem verbesserten Ansprechen auf Schutzimpfungen. Meistens nahmen die Probanden die probiotischen Bakterien ab dem Zeitpunkt der Impfung für vier bis sechs Wochen als Nahrungsergänzung ein. Möglicherweise ist eine „Vorbehandlung“ mit einem Probiotika-Mix aus unterschiedlichen Bakterienstämmen sogar noch wirkungsvoller.
Zu diesem Ergebnis kamen israelische Kinderärzte. Sie verabreichten Kleinkindern zwei Monate vor der Masern-Mumps-Röteln-Impfung entweder Probiotika oder ein Plazebo. In der Plazebogruppe entwickelten 17 Prozent der Kinder keine ausreichenden Antikörperspiegel und damit keinen Schutz vor den Krankheiten. In der Probiotikagruppe blieb der Impferfolg nur bei acht Prozent aus. Gleichzeitig waren die Impfreaktionen und Nebenwirkungen in der Probiotikagruppe geringer.
Es überrascht, dass bisher so wenig über die Wechselwirkungen zwischen Impfungen und Antibiotikagabe bekannt ist, obwohl beide zu den am häufigsten durchgeführten medizinischen Maßnahmen zählen. Aktuelle Studien legen zudem nahe, dass die Gabe von Antibiotika in zeitlicher Nähe zu einer Impfung in einigen Fällen die Wirksamkeit tatsächlich abschwächen könnte. Hier besteht sicherlich weiterer Forschungsbedarf.
Das können Sie tun, um Ihre Darmflora zu stärken
- Essen Sie ballaststoffreich. Bestimmte Ballaststoffe, so genannte „Präbiotika“ füttern die nützlichen Darmbakterien. In Studien ließ sich auch durch Präbiotika der Impferfolg verbessern. Präbiotische Ballaststoffe sind unter anderem enthalten in Zwiebeln, Lauchgemüse, Pastinaken, Topinambur, aber auch in Haferflocken, Schwarzwurzeln und in noch etwas grünen Bananen. Man kann diese Ballaststoffe auch mit Nahrungsergänzungsmitteln zuführen
- Essen Sie viele Polyphenole. Diese Pflanzenstoffe wirken sich nachweislich günstig auf die Zusammensetzung der Darmflora beziehungsweise des Mikrobioms aus. Sie sind enthalten in dunklen Beeren, Granatapfel, grünem und schwarzem Tee, Äpfeln und Birnen, dunkler Schokolade, Grünkohl, Brokkoli, Paprika, dunkler Schokolade und Kaffee
- Versuchen Sie, Antibiotika nur einzunehmen, wenn sie wirklich notwendig sind. Wenn möglich vermeiden Sie die Einnahme von Antibiotika um einen Impftermin herum.
- Stärken Sie Ihr Mikrobiom mit probiotischen Bakterien. Vor allem verschiedene Lactobazillen und Bifidobakterien wurden in Studien erfolgreich eingesetzt. Probiotische Bakterien sind enthalten in fermentierten Milchprodukten und Non-Milk-Produkten wie Joghurt, Quark oder Kefir oder in (nicht erhitztem) Sauerkraut. Allerdings lässt sich bei Nahrungsmitteln meistens nicht feststellen, welche Bakterienstämme in welcher Dosierung enthalten sind. Deshalb empfiehlt es sich, vorübergehend auf Nahrungsergänzungsmittel mit ausreichend hoch dosierten probiotischen Bakterien zurückzugreifen. In Studien hat sich als ideal erwiesen, bereits einige Tage oder zwei bis drei Wochen vor der Impfung zu beginnen und auch anschließend noch für etwa vier bis sechs Wochen Probiotika zu nehmen.
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