John F. Kennedy und der Maler August Renoir sollen darunter gelitten haben. Künstler wie Rubens, Dürer oder Botticelli hielten in ihren Bildern fest, was die Pein mit dem Körper macht. Und sogar die Pharaonen könnten sie bereits gekannt haben, sind einige Experten überzeugt. Wobei neuere Untersuchungen nahelegen, dass dies wahrscheinlich Fehldiagnosen sind – und zumindest eine bestimmte Form von Rheuma eher eine Krankheit der Neuzeit.
Für viele ist Rheuma gleichbedeutend mit steifen Fingern, schmerzenden Gelenken und Problemen, sich zu bewegen. Hinter dem alltagssprachlichen Begriff, der frei als „fließender Schmerz“ übersetzt werden kann, verbirgt sich allerdings eine Vielzahl an Beschwerden. Antworten auf die wichtigsten Fragen:
Was ist Rheuma?
Ärzte kennen mehr als hundert Erkrankungen des sogenannten rheumatischen Formkreises. Grob lassen sich diese in vier große Gruppen unterteilen:
- In entzündliche Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis,
- degenerative, also durch Abnutzung hervorgerufene Beschwerden wie Arthrose,
- Krankheiten wie Gicht, bei der sich Gelenke bedingt durch Stoffwechselstörungen entzünden,
- und Weichteilrheuma.
Ihnen allen gemein ist der zermürbende, länger anhaltende Schmerz. „Zwar gibt es auch vereinzelt Patienten, bei denen er nicht auftritt“, sagt Hanns-Martin Lorenz, Leiter der Sektion Rheumatologie an der Uniklinik Heidelberg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh). „Das ist aber sehr selten. Schmerz gilt als Warnsignal.“
Anders, als häufig angenommen, schmerzen bei Rheuma nicht nur die Knochen und Gelenke. Auch Muskeln, Sehnen, Nerven, Gefäße und sogar Organe wie Niere oder Darm können betroffen sein.
Welche Krankheit steckt am häufigsten dahinter, wenn jemand von Rheuma spricht?
Wenn allgemein von Rheuma die Rede ist, geht es oft um die rheumatoide Arthritis. Sie ist die häufigste entzündlich rheumatische Erkrankung. In Deutschland leiden der DGRh zufolge etwa 500.000 Menschen unter dieser Rheuma-Form. Die Krankheit, die auch als chronische Polyarthritis bezeichnet wird, kann in jedem Alter auftreten. Meist zeigt sie sich jedoch zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Frauen erkranken doppelt bis dreimal so häufig wie Männer.
Die Ursachen sind noch immer nicht abschließend geklärt. Angenommen wird, dass es sich um eine Fehlleistung des Immunsystems handelt, die zu großen Teilen erblich bedingt ist. Die Immunabwehr, eigentlich die Schutzpolizei des Körpers, greift dabei körpereigenes Gewebe an, Entzündungen entstehen. Auch Umweltfaktoren wie Rauchen spielen eine Rolle – und verschlechtern die Prognose.
Arthrose und rheumatoide Arthritis – was ist der Unterschied?
Arthrose und rheumatoide Arthritis werden häufig verwechselt. Allerdings zählt Arthrose zu den degenerativen Gelenkerkrankungen. Sie ist eine Verschleißerscheinung, die überwiegend im Alter auftritt. Meist sind Knie, Hüfte oder Wirbelsäule betroffen, seltener Fuß-, Hand- oder Armgelenke.
Bei Arthrose wird der Knorpel zu stark beansprucht, dadurch geschädigt und abgerieben. Die Gelenke sind dabei – anders als bei rheumatoider Arthritis – meist nicht entzündet. Vereinzelt können zwar im Verlauf der Erkrankung Entzündungen auftreten, diese klingen aber auch wieder ab.
Gut unterscheiden lassen sich beide Rheumaformen auch daran, wann sich die Symptome zeigen. „Bei Arthrose schmerzen die Gelenke im Lauf des Tages, etwa nach langem Gehen oder Treppenabsteigen“, sagt Lorenz. „Im Schlaf sind sie dagegen entlastet.“ Wer unter entzündlicher Arthritis leidet, hat hingegen meist schon nach dem Aufstehen Probleme, die sich durch Bewegung langsam bessern.
Was sind Symptome von rheumatoider Arthritis?
Zu den ersten Anzeichen zählen steife Finger oder Zehen sowie warme, geschwollene Gelenke. Typischerweise treten die Schmerzen nach längerem Sitzen oder Liegen auf, etwa in der zweiten Nachthälfte. Auch nach dem Aufstehen ist die Beweglichkeit oft eingeschränkt („Morgensteife“), verbessert sich dann aber im Lauf des Tages.
Nach den ersten Beschwerden weiten sich die Symptome oft nach einem bestimmten Muster aus:
- Zuerst sind häufig die kleinen Gelenke (Zehen, Finger) betroffen und vorwiegend deren Mittel- und Grundgelenke.
- Mit der Zeit erkranken mehr Gelenke, sie versteifen oder verformen sich. Auch Sehnen entzünden sich, die Muskelkraft lässt nach.
- Dabei treten die Schmerzen meist in symmetrischen Gelenken auf, wobei etwa beide Knie anschwellen.
- Bei bis zu jedem fünftem Patienten bilden sich bei fortschreitender Krankheit Rheumaknoten unter der Haut, vor allem an Fingern und Ellenbogen.
- Da der ganze Körper gegen die Entzündungen kämpft, können sich Fieber, Müdigkeit, Leistungsabfall und Schwäche, Nachtschweiß und Gewichtsverlust zeigen.
Selbsttests zeigen, ob jemand rheumagefährdet ist. Ein erster solcher Test findet sich unter anderem auf den Seiten der Deutschen Rheumaliga.
Wie verläuft die Erkrankung, und ist sie heilbar?
Die rheumatoiden Arthritis verläuft bei jedem Betroffenen anders und kann zum Beispiel in Schüben auftreten. Wie die meisten rheumatischen Erkrankungen ist sie in der Regel nicht heilbar. Allerdings ist es meist möglich, sie gut in den Griff zu bekommen, sodass die Gelenkzerstörung aufgehalten werden kann, und die Beschwerden bestenfalls ganz verschwinden.
Wird die Krankheit nicht behandelt, verschlechtert sie sich in etwa neun von zehn Fällen. Die Gelenkknorpel und Knochen werden meist langsam und über Jahre hinweg abgebaut, die Gelenke zerstört. Bei weit fortgeschrittener Erkrankung können Botenstoffe und Immunzellen auch die Blutgefäße oder Organe wie Herz und Lunge angreifen. Das ist aber selten.
Wie stellt der Arzt die Diagnose?
Zuerst fragt der Arzt die Symptome ab. Darauf folgt eine körperliche Untersuchung, denn Schwellungen lassen sich oft ertasten. Erst wenn mehrere Gelenke mindestens sechs Wochen lang entzündet sind, handelt es sich laut Definition um eine rheumatoide Arthritis.
Rheumafaktoren und Entzündungsmarker im Blut können ebenfalls auf eine rheumatoide Arthritis hinweisen. Diese Art der Diagnose ist jedoch ungenau. „Bei manchen Patienten sind die Werte gar nicht erhöht“, sagt Lorenz. Und andersherum gilt: Erhöhte Werte können auch bei anderen Krankheiten oder sogar bei Gesunden vorkommen.“
Ob ein Gelenkerguss – eine Ansammlung von Flüssigkeit im Inneren eines Gelenkes – vorliegt, lässt sich mittels Ultraschall abklären. Auch Röntgenuntersuchungen sind mitunter sinnvoll, um zu erkennen, ob und wie stark die Knochen bereits geschädigt sind. Wird die rheumatoide Arthritis früh erkannt und behandelt, lassen sich Gelenkschäden bestenfalls verhindern.
Allerdings: „Bis ein Arzt bei rheumatoider Arthritis die richtige Diagnose stellt, kann heute noch bis zu ein Jahr vergehen“, so Lorenz. „Patienten haben oft eine Odyssee hinter sich, vom Hausarzt über den Orthopäden bis hin zum Rheumatologen.“
Wie lässt sich rheumatoide Arthritis behandeln?
Die Therapie stimmt der Rheumatologe auf den jeweiligen Patienten, die Art der Erkrankung, ihre Schwere und Prognose ab. Ergotherapie und Krankengymnastik können dabei helfen, die Beweglichkeit zu erhalten, Muskeln zu stärken und zu lernen, wie sich Gelenke entlasten lassen. Auch Einlagen oder Gehstützen sind mitunter hilfreich, eine Kälte- oder Elektrotherapie kann Schmerzen lindern. „Entscheidend ist aber, die Entzündung zu stoppen“, sagt Lorenz.
Die medikamentöse Therapie hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. Es existiert eine Vielzahl an Präparaten mit unterschiedlichen Wirkweisen, die aber auch Nebenwirkungen wie Übelkeit und Durchfall mit sich bringen können. In sehr seltenen Fällen können die Begleiterscheinungen auch schwer sein und etwa die Leber schädigen.
Als Basistherapie nutzen Ärzte am häufigsten Methotrexat. Auch andere Substanzen dienen dazu, den Entzündungsprozess zu unterdrücken und die Gelenkzerstörung im besten Fall langfristig zu stoppen. Dazu zählen sogenannte Biologika, eine neue Gruppe an Medikamenten, die sich unter anderem gezielt gegen Entzündungsbotenstoffe, sogenannte Zytokine, richten.
Sie seien „bei unzureichender Wirkung konventioneller Therapien eine Alternative“, schreibt die DGRh. Über ihre langfristige Sicherheit ist noch nicht so viel bekannt wie bei den gängigen Basistherapeutika. Da sie das Immunsystem unterdrücken, sind Infektionen bei Biologika eine häufige Nebenwirkung. „In seltenen Fällen können auch Hauttumoren, vor allem der weiße Hautkrebs, auftreten. Regelmäßige Kontrollen und Sonnenschutz sind daher wichtig“, sagt Lorenz.
Gegen Schmerzen und steife Gelenke helfen sogenannte Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR). Vorsicht ist bei Kortison geboten. Niedrig dosiert kann es unterstützend eingesetzt werden. Es wirkt schnell gegen Entzündungen, sollte aber nicht zu lange angewendet werden – denn die Nebenwirkungen sind zahlreich und reichen von innerer Unruhe über Heißhunger bis hin zu Osteoporose.
Bei Patienten, bei denen sich die Entzündung schnell und gut kontrollieren lässt, können die Medikamente eventuell sogar wieder abgesetzt werden. „Das ist allerdings nur bei einer Minderheit der Fall“, sagt Lorenz.
Lässt sich vorbeugen?
„Die Krankheit lässt sich nicht verhindern“, so der Mediziner. Lediglich Risikofaktoren wie Rauchen können gemieden werden. Mäßiger Alkoholkonsum hat offenbar einen schützenden Effekt. Anders als vielfach angenommen, hilft eine Ernährungsumstellung nicht.
„Bei Gicht ist es sinnvoll, möglichst fleischarm zu essen. Denn Fleisch und Wurst enthalten viel Purine und erhöhen den Harnsäurespiegel“, so Lorenz. „Bei rheumatoider Arthritis beeinflusst das die Schmerzen nicht.“ Hier gelte schlichtweg: gesund ernähren.
Tritt Rheuma auch bei Kindern auf?
Rheuma ist keine Alterskrankheit. Etwa 15.000 Kinder in Deutschland leiden unter einer rheumatoiden Arthritis. „Anders als bei Erwachsenen ist die Wahrscheinlichkeit, dass junge Patienten geheilt werden können, aber recht gut“, sagt Lorenz.
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