Ende vergangenen Jahres wurden in Europa die ersten Spritzen gegen Covid-19 gesetzt. Aber der Impfstoff war knapp, die Immunisierung ging nur schleppend voran – und die Fallzahlen stiegen. Was tun, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen? Großbritannien fand eine Lösung: Die Biontech-Zweitimpfung herauszögern, um so möglichst schnell, möglichst viele vor schwerwiegenden Corona-Verläufen zu bewahren. Ob das sinnvoll ist oder gar Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Vakzins haben könnte, wusste damals niemand. Es war ein riskantes Experiment, das sich ausgezahlt zu haben scheint – zumindest legt das eine neue Studie nahe. Demnach könne eine Verzögerung der Impfung die Antikörperreaktion um mehr als das Dreifache steigern.
Der mRNA-Impfstoff von Biontech wird wie die meisten anderen Corona-Impfstoffe in zwei Schritten verimpft. Die erste Dosis löst eine Immunreaktion aus, verstärkt wird diese durch den Boost der zweiten Dosis. Die Ständige Impfkommission empfiehlt einen Abstand von sechs Wochen zwischen der ersten und der zweiten Impfung. In Großbritannien wird die zweite Dosis in der Regel nach drei bis vier Wochen geimpft, in manchen Fälle wartete man aber auch bis zu zwölf Wochen. Ein Forscherteam um Gayatri Amirthalingam, Epidemiologin der Gesundheitsbehörde Public Health England, untersuchte bei 175 Impflingen, alle über 80 Jahre, ob der Impfabstand Auswirkungen auf die Antikörperreaktion hatte. Die Überraschung: Die beste Immunantwort stellten sie bei den Geimpften fest, die auf ihre zweite Dosis zwölf Wochen gewartet hatten.
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Starke Antikörperreaktion nach verzögerter Zweitimpfung
"In UK ist die Strategie voll aufgegangen, die 2. Dosis von Biontech auf 12 Wochen zu verlängern", kommentierte Gesundheitsexperte Karl Lauterbach die Ergebnisse, die im Fachmagazin "Nature" vorgestellt wurden. Die schnelle erste Impfung habe die Ausbreitung der britischen Variante B.1.1.7 massiv gestoppt und die Antikörperreaktion bei Älteren gesteigert. Das Forscherteam hatte außerdem festgestellt, dass dies nicht damit zu erklären sei, dass der Antikörperspiegel bei den schneller Geimpften zwischenzeitlich wieder abgefallen sei. Den Ergebnissen zum Trotz hat die britische Regierung jüngst angekündigt, dass der Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung für über 50-Jährige landesweit von zwölf auf acht Wochen verkürzt werden soll
"Theoretisch sind die Menschen zwischen der ersten und zweiten Impfung anfällig", sagte Stephen Griffin zu "Nature". Er ist ein Virologe an der Universität von Leeds, Großbritannien. Was in Großbritannien funktioniert habe, sei, das zur Zeit der Impfungen die Beschränkungen aufrecht erhalten wurden. Inzwischen ist Großbritannien längst von harten Lockdown-Maßnahmen abgewichen und hat gelockert, zudem sind weitere Öffnungsschritte geplant. Das kommt nicht ohne Kritik – zumal es das Land aktuell vermehrt mit der Variante B.1.617.2 aus Indien zu tun hat. Diese ist nach Ansicht britischer Experten womöglich um bis zu 50 Prozent ansteckender als die bislang in dem Land vorherrschende Virus-Variante B.1.1.7. Sollte sich das bewahrheiten, könnte der Fahrplan für weitere Öffnungsschritte ins Stocken geraten, warnte Premierminister Boris Johnson am Freitag.
Sind die geplanten Lockerungen noch haltbar?
Von Montag an sollen im größten britischen Landesteil England wieder Treffen von bis zu sechs Personen in Privathaushalten möglich sein. Auch die Innengastronomie, Theater, Kinos und Museen dürfen wieder Gäste empfangen. Das, obwohl lokal begrenzt ein starker Anstieg an Infektionen durch die indische Virus-Variante B.1.617.2 verzeichnet wurde. Die Bundesregierung hatte das Land deswegen am Freitag wieder als Corona-Risikogebiet eingestuft. Insgesamt hat Großbritannien aber derzeit mit einer landesweiten Sieben-Tage-Inzidenz von rund 23 vergleichsweise nur wenige Fälle. Am 21. Juni wollte Johnson gar alle Corona-Maßnahmen in dem Land aufheben. In besonders stark betroffenen Gebieten wie dem nordwestenglischen Bolton und dem Londoner Bezirk Hackney sollen Massentests helfen, die Ausbreitung einzudämmen.
In Großbritannien sind mehr als zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung mit einer ersten Dosis geimpft. Über ein Drittel hat bereits die zweite Dosis erhalten. Experten fürchten jedoch, dass die Impfstoffe die Übertragung der indischen Virus-Mutante weniger effektiv aufhalten als bei den bisher vorherrschenden Varianten.
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