Unter Erschöpfung leiden viele. Der einfachste Grund ist Schlafmangel. Doch viele Aspekte des schnellen, modernen Lebens spielen eine große Rolle. Für Sportarzt Matthias Marquardt ist Erschöpfung bereits eine Volkskrankheit. Mit einfachen Tipps kann man ihr aber im besten Fall entgegenwirken.
FOCUS Online: Herr Marquardt, Sie schreiben in Ihrem Buch über Erschöpfung. Kann man das wirklich schon eine Volkskrankheit nennen?
Matthias Marquardt: Volkskrankheit ist eine Beschreibung für eine Erkrankung, die sehr viele Menschen betrifft oder die einen besonderen volkswirtschaftlichen Schaden hervorbringt. Und das trifft auf Erschöpfung sicherlich zu. Wobei der Begriff Erschöpfung nicht so ohne weiteres scharf zu definieren ist. Erschöpfung hat verschiedene Ursachen und Ausprägungen. Es kann durch Schilddrüsenunterfunktion Eisenmangel, Burnout Syndrom, Depressionen entstehen. Da vermischt sich sehr viel. Daher würde man Erschöpfung vielleicht in einem Lehrbuch nicht als Volkskrankheit bezeichnen. Aber in der Wahrnehmung der Menschen und von Ärzten in ihrer Praxis ist das bestimmt ein Volksthema.
Wie zeigt sich diese Erschöpfung denn?
Marquardt: Müdigkeit ist das Leitsymptom, aber auch Kraftlosigkeit. Meine Patienten sagen oft, sie sind erschöpft, obwohl sie viel schlafen und müssen dann schon vormittags einen Mittagsschlaf einlegen. Oder es fehlt ihnen die Kraft, nach Feierabend noch die Freizeit zu gestalten.
Welche Krankheiten können dahinterstecken?
Marquardt: Wenn Patienten mit Erschöpfung zu mir kommen, ist das immer ein sehr weites Feld. Das eine sind körperliche Erkrankungen wie Herzschwächen, Lungenerkrankungen, hormonelle Probleme oder solche mit der Schilddrüse. Dazu zählt sicherlich auch das Thema Mikronährstoffmangel – Eisenmangel oder andere Stoffe, die mit dem Energiehaushalt zu tun haben, wie Magnesium.
Über den Experten
Matthias Marquardt ist Internist, Chirotherapeut und Sportmediziner. Er verfasste den Bestseller „Die Laufbibel“ und ist ein gefragter Experte für Motivation, Gesundheit, Ernährung und Stress-Management.
Das andere Feld ist das psychische. Krankheiten wie Depressionen ziehen oft Erschöpfungssymptome mit sich. Und dann gibt es natürlich auch Überlasungsprobleme, wie ein Burnout. Und der dritte Punkt sind die Lifestyle Faktoren. Einige Patienten gucken mich ganz irritiert an, wenn man ihnen sagt, dass drei bis vier Stunden Schlaf nicht ausreichend sind. Hier merkt man, dass einige Menschen für das moderne Leben ans Limit gehen. Diese drei Dinge können sich natürlich vermengen.
Erschöpfung: Menschen muten sich zu viel zu
Dann kann unsere Erschöpfung auch daran liegen, dass wir uns in dieser schnelllebigen Welt zu viel zumuten.
Marquardt: Ja, in dieser schnelllebigen Gesellschaft, in der immer mehr verlangt wird, werden wir zum Beispiel von sozialen Medien gehetzt. Es entsteht immer mehr Druck auf jeden. Gesellschaftliche Faktoren spielen da eine große Rolle.
Man liest und hört aktuell häufig auch von der Pandemie-Müdigkeit.
Marquardt: Am Anfang der Pandemie haben einige Journalisten die steile These aufgestellt, Corona wäre eine super Chance, das Leben langsamer zu gestalten und endlich Entschleunigung zu erfahren. In meinen Augen war das ausgemachter Blödsinn. Spätestens in einem Jahr wird alles wieder laufen wie früher: Autobahnen werden verstopft sein, Kreuzfahrtschiffe reichlich gebucht. Schon jetzt deutet sich ja genau dies an. Vor allem aber die Idee, Menschen hätten weniger Stress im Lockdown, halte ich für falsch. Denn es ist natürlich etwas anderes, ob wir zum Beispiel freiwillig langsam mit dem Auto fahren oder unfreiwillig im Stau stehen. Corona war eine Zwangspause, in der man viele Dinge, die für unser Wohlbefinden elementar sind, nicht machen konnte. Das steigerte den Stress!
Jeder braucht ein wirkliches Hobby!
Können wir uns nicht bewusst dagegenstellen?
Marquardt: Wir sind in einer gesellschaftlichen Tretmühle von „Immer mehr und immer schneller“. Wir müssen unser Geld verdienen, ich als Arzt wie auch Sie als Journalist. Wir leben in gesellschaftlichen Abhängigkeiten, die bestimmte Dinge fordern. Da muss man sich eben bewusst gegen stellen, auch wenn man negativ im eigenen Umfeld auffällt. Das traut sich aber nicht jeder. Jeder muss für sich da den richtigen Weg finden. Ich brauche kein teures Fahrrad, kein teures Auto und keinen teuren Urlaub. Man kann mit der Familie genauso gut schöne Ecken in Deutschland erkunden und muss nicht den nächsten 10-Stunden-Flug antreten und völlig gestresst aus dem Flieger steigen. Verzichten ist aber eben nicht die leichteste Übung für den Menschen. Gleichwohl: Es würde ihnen Zeit und Kraft geben.
Haben Sie eine konkrete Sache, die Ihnen immer Kraft gibt?
Marquardt: Was mir wirklich hilft ist mein Sport. Ich bin aber auch Sportarzt und Vollblut-Sportler, insofern ist das nicht auf jedermann übertragbar. Es gibt auch Menschen, die einfach sagen: „Dieses Körperliche, das ist nicht so meins, ich habe andere Hobbys.“ Wenn jemand begeisterter Klavierspieler ist, dann wird er im Klavierspielen das finden, was ich im Sport finde. Da sind wir allerdings an einem ganz wichtigen Punkt: ein wirkliches Hobby.
Viele Menschen haben doch ein Hobby, oder nicht?
Marquardt: Ein Hobby ist etwas, das ich besonders gut kann – eine Sache, in der ich aufgehe und von der alle wissen, dass ich sie richtig gut kann. Wörtlich kommt „Hobby“ vom englischen Wort Hobbyhorse, was Steckenpferd heißt! Das macht das Leben besser. Für den einen ist es das Klavierspielen, für den anderen Wellenreiten, für den Dritten das Modellbauen. In einem Hobby stecken viele Jahre Blut, Schweiß und Tränen. Und immer wieder Glücksmomente.
Keine Hobbys sind hingegen ins Kino gehen oder shoppen gehen. Genau so der Freizeitpark, das sind alles Freizeitbeschäftigungen. Das ist alles ganz nett, hat aber nicht den gleichen Effekt auf die Psyche wie ein Hobby. Und eben diese Hobbys helfen Menschen am besten, sich zu entspannen, wohlzufühlen und glücklicher zu sein. Verwechseln Sie bitte nicht Freizeitbeschäftigungen mit Hobbys!
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