Gesundheit

Kommt jetzt die Bürokratie-Bremse?

Dass die Kassen mit der Nullretaxation von Rezepten, auf denen die Dosierangabe fehlt, den Apotheken das Leben schwer machen, ist offenbar auch im Bundeswirtschaftsministerium angekommen. In einem Schreiben an Schleswig-Holsteins Kammerpräsidenten Kai Christiansen kündigt das Büro von Robert Habeck (Grüne) an, dass diese Praktik der Krankenkassen auf den Prüfstand gestellt werden soll. Generell erwarte man vom BMG bis Ende September 2023 Vorschläge, wie sich die Bürokratie im Gesundheitswesen herunterschrauben lasse.

„Sparen Sie uns nicht zu Tode“, bat Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Kai Christiansen kürzlich den Bundeswirtschaftsminister. Christiansen lebt und arbeitet im Kreis Schleswig-Flensburg – dem Wahlkreis von Robert Habeck (Grüne). Dort betreibt er zwei Apotheken. Im Vorfeld des Streiks, der am 19. Oktober unter anderem in Schleswig-Holstein stattfand, wandte er sich an „seinen“ Bundestagsabgeordneten: „Es reicht!“, schrieb er Habeck mit Blick auf die Erhöhung des Kassenabschlags und erinnert daran, dass der Bundeswirtschaftsminister für das Apothekenhonorar verantwortlich zeichnet.

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Ja, die Apotheken seien für die in der Pandemie übernommenen Zusatzaufgaben vergütet worden – allerdings hätten die Mitarbeitenden viele persönliche Entbehrungen, Überstunden und den Verzicht auf freie Tage in Kauf genommen, um die zusätzlichen Herausforderungen zu bewältigen. „Nun sollen meine Mitarbeiterinnen dafür bestraft werden?“, fragt der Kammerchef. „Dass diejenigen, die während der Pandemie auf den Balkonen abends um 20 Uhr geklatscht haben, nun diejenigen sind, die meinen, in den Apotheken gäbe es noch ‚Effizienzreserven‘ zu heben, fühlt sich für meine Mitarbeiterinnen wie eine schallende Ohrfeige an.“ Christiansen meint: „Wenn Sie die Apotheke vor Ort erhalten wollen, dann müssen wir eine spürbare Anhebung des Honorars bekommen.“

Ende Oktober, nachdem die Erhöhung des Kassenabschlags bereits beschlossene Sache war, antwortete ihm das Flensburger Büro des Bundeswirtschaftsministers. Man verstehe den Unmut – dennoch sei man der Auffassung, dass sich angesichts der Finanzierungslücke der GKV auch die Leistungsbereiche an den Einsparungen beteiligen müssten.

Die schlechte Nachricht: Habecks Büro verteidigt die Honorarkürzung für die Apotheken mit denselben Argumenten wie schon zum Beispiel Edgar Franke, Staatssekretär im BMG, und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): Maskenverteilung, Impfen, Testen auf SARS-CoV-2 und die pharmazeutischen Dienstleistungen seien neue Betätigungsfelder für Apotheken, für die es auch eine Vergütung gebe. „Vor diesem Hintergrund halten wir die vorübergehende Erhöhung des Apothekenabschlags für tragbar, wenngleich sie für die einzelnen Apotheken schmerzlich sind.“

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Die gute Nachricht lässt allerdings aufhorchen: In dem Schreiben an Kammerchef Christiansen hebt Habecks Büro hervor, dass es gelungen sei, per Änderungsantrag zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz das BMG zu verpflichten, bis Ende September 2023 Empfehlungen zum Bürokratieabbau im Gesundheitswesen zu erarbeiten. „Darunter verstehen wir beispielsweise auch die Abschaffung von Retaxationen bei einfachen Fehlern des oder der verordnenden Ärzt*in wie beispielsweise eine fehlende Dosierangabe“, heißt es weiter.

Überdies, betont Habecks Büro, haben die Ampel-Partner im Koalitionsvertrag vereinbart, das Gesetz zur Stärkung der Apotheken vor Ort (VOASG) zu novellieren, um pharmazeutische Dienstleistungen besser zu honorieren als bisher. „Davon wird insbesondere die ländliche Versorgung profitieren“, so die Hoffnung.

Preissteigerungen und Inflation belasten auch Apotheken

Nicht entgangen ist den Mitarbeitenden des Wirtschaftsministers, dass auch Apotheken von den Preissteigerungen durch Energiekosten und Inflation betroffen sind. Diesbezüglich werde man sich „um angemessene Lösungen bemühen“. Es bleibe das Ziel, trotz der Umstände „die Versorgung im ganzen Land nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern weiter zu verbessern. Wir wissen, dass die Apotheken ein wesentlicher Pfeiler der Gesundheitsversorgung vor Ort sind.“

In Aussicht stellt Habecks Büro Christiansen zudem einen Gesprächstermin mit dem Minister. „Auf Ihr nettes Gesprächsangebot kommt Herr Habeck sehr gerne zurück, so sein Kalender dies zulässt.“ Möglicherweise bekommt Schleswig-Holsteins Kammerpräsident also alsbald die Chance, dem Minister die Nöte der Apothekerschaft näher zu erläutern. Dann könnte er neben Honorarfragen auch weitere Optionen einbringen, an welchen Stellen bürokratische Vorschriften im Apothekenwesen längst ihre Sinnhaftigkeit verloren haben – wie sich Christiansen etwa ein schlankes Präqualifizierungsverfahren vorstellt, führte er bereits im Frühjahr 2022 im Interview mit der DAZ aus.

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