Diät & Essen

„Billiger als Autoreparatur“: Starkoch erklärt, warum sein veganes Menü 225 Euro kostet

20 Euro für ein Kilo Erdbeeren? Für Andreas Krolik kein Problem, solange die Qualität stimmt. Im FOCUS-online-Interview erklärt der Sternekoch, warum sein veganes Menü 225 Euro kostet, wo er den perfekten Geschmack findet und was ihn in der Küche ärgert.

Er gilt als Pionier der veganen High-End-Küche und bietet laut dem US-Magazin „Forbes“ das beste vegane Menü der Welt an: Andreas Krolik, 48, Küchenchef im Frankfurter 2-Sterne-Lokal „Lafleur“. Kurz bevor die ersten Gäste kommen, spricht der hochdekorierte Koch aus Sachsen-Anhalt mit FOCUS online über seine Arbeit, Geld, Geschmack und Esskultur.

FOCUS online: Als ich Freunden und Kollegen erzählte, dass ich ein veganes Menü für 225 Euro probieren werde, meinten die, das sei verrückt. Können Sie das verstehen?

Andreas Krolik: Aufgrund meiner Herkunft: Ja. Ansonsten: Nein.

Wenn ich Bekannten oder Familienmitgliedern bei mir zuhause in Sachsen-Anhalt erzähle, wie teuer das Essen in unserem Lokal ist, haben die dafür kein Verständnis. Die würden das Geld nie ausgeben. Die haben ganz andere Sorgen und Probleme, als sich über High-End-Gastronomie Gedanken zu machen. Da ist leider oft immer noch Quantität das Entscheidende. Dass es eine große Portion ist und wenig kostet und man richtig satt wird. Die können das nicht nachvollziehen.

Und die Leute im Westen?

Krolik: In den alten Bundesländern, speziell in Metropolen, ist das überhaupt kein Widerspruch. Die Menschen haben finanziell oft andere Möglichkeiten und meistens auch eine andere Einstellung zum Essen.

Die schätzen das Essen mehr und geben mehr Geld dafür aus?

Krolik: Das ist meine Erfahrung. Und Sie müssen auch sehen, welch wahnsinnig großer Arbeitsaufwand in unseren Gerichten steckt. Wir sind immer mindestens neun gelernte Köche und drei Auszubildende in der Küche – und das für maximal 30 oder 40 Gäste, aber manchmal auch nur für 20 oder 25. Das ist eine enorme Personalquote pro Gast. Und kostet natürlich Geld.

Außerdem verwenden wir ausschließlich Premiumprodukte. Premium in Karotte, premium in Zwiebel, premium in Seefood, premium in Fleisch, premium in Beeren. Premium heiß nicht unbedingt, dass es Luxusprodukte sein müssen. Es bedeutet, dass es die allerbesten Produkte in ihrer Kategorie sind, die man kaufen kann.

  • Lesen Sie auch: Ich esse Lauch und Erbsen für 225 Euro – und verstehe plötzlich alle Fleisch-Gegner

Darf man trotzdem fragen, wie der Preis beim veganen Menü zustande kommt? Wenn edler Fisch dabei wäre oder vorzügliches Fleisch, könnte man das verstehen. Aber ein bisschen Salat?

Krolik: Ein bisschen Salat kriegen Sie bei uns sowieso nicht. Es sind sieben Gänge mit zum Teil sehr teuren Produkten, die sehr aufwändig und auf höchstem Niveau verarbeitet wurden. Aber ich will Ihnen die Preisfrage an einem anderen Beispiel erläutern…

Nur zu!

Krolik: Wenn Sie Ihr Auto in die Werkstatt bringen, schraubt in der Regel eine Person dran rum, und das ist nicht zwingend immer ein Meister. Die Arbeitsstunde wird dann mit 100 Euro berechnet. Bei fünf Stunden Reparatur sind das allein Arbeitskosten von 500 Euro.

Das ist mehr als doppelt so viel wie Ihr veganes Menü kostet.

Krolik: Ja. Aber das Entscheidende ist doch: Bei uns arbeiten jeden Tag mindestens fünf, sechs Köche acht oder zehn Stunden ausschließlich daran, die ganzen Zutaten und Bestandteile für ein veganes Gericht zu machen. Und wenn man dann rechnet: sechs Köche a zehn Stunden, dann hat man 60 Arbeitsstunden für 30 Gäste, von denen vielleicht zehn das vegane Menü nehmen. Und wenn Sie das dann auf die Stunde runterbrechen, wird deutlich: Unsere Stundensätze sind deutlich geringer als die eines Automechanikers.

Sie sprachen von teuren Premium-Produkten. Können Sie ein Beispiel geben?

Krolik: Wir kaufen jeden Tag frisch bei Gärtnern und Gemüsebauern in der Region ein. Die haben wahnsinnig gute Kartoffeln, Kohlsorten, Gemüse, Obst. In Nieder-Erlenbach, bei Andreas Schneider, gibt es zum Beispiel die besten Erdbeeren, die man kaufen kann. Sie kosten fünfmal so viel wie auf dem Markt. Aber sie sind es wert. Eine gute Frucht oder ein gutes Gemüse darf im Kilo genauso viel kosten wie ein gutes Stück Fleisch. Wenn man die qualitativ besten Erdbeeren haben will, darf ein Kilo auch mal 20 Euro kosten.

Wie gehen Sie mit den wertvollen Produkten um?

Krolik: Mein Anspruch ist immer, die Produkte vollständig zu verwerten. Wenn wir ein Gericht mit Karotte haben, dann gibt es mindestens drei Zubereitungen aus diesem einem Produkt, manchmal auch vier oder fünf. Aus dem Karottengrün machen wir Cremes oder noch eine Sauce oder eine Emulsion. Die Karotte selbst wird in verschiedenen Zuständen verarbeitet. Gebraten oder gegrillt, geschmort oder als frische, roh marinierte Scheiben. Die entsprechenden Saucen mit verschiedenen Gewürzen bringen dann eine gewisse Power und machen das Ganze spicy.

Bei Ihnen kommt also nichts um?

Krolik: Ich versuche, Food-Waste (Lebensmittelverschwendung, die Redaktion) auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Wir produzieren in der Küche so gut wie keine Abfälle. Dieser Grundsatz ist bei mir sehr stark ausgeprägt. Auch das beruht auf meiner Kindheit. Weil wir nichts im Überfluss hatten, wurde alles verwertet und geschaut, dass nichts verkommt. So halte ich das heute noch. Ich bin auch zuhause nicht begeistert, wenn im Kühlschrank irgendetwas ist, was von meinen Kindern oder meiner Frau mal vergessen wurde und das dann weggeworfen werden muss. Das finde ich nicht so gut.

Was geht bei Ihnen besser – das herkömmliche Menü oder das vegane?

Krolik: 75 Prozent unserer Gäste wählen das traditionelle Menü mit Fleisch oder Fisch, 25 Prozent entscheiden sich für das vegane Menü.

Sie sind Veganer?

Krolik: Nein. Aber wir essen in der Familie nicht übermäßig viel Fleisch. Auch früher war das nicht so. In meiner Kindheit und Jugend in der DDR war Fleisch etwas Exklusives. Es gab eigentlich nur einmal in der Woche ein richtig warmes Fleischgericht, in der Regel am Sonntag. Samstag war immer Suppen- oder Eintopftag. Und in der Woche gab es abends kalt.

Sollten wir dahin wieder kommen – einmal in der Woche Fleisch, der berühmte Sonntagsbraten?

Krolik: Ich persönlich finde, das wäre kein falscher Weg. Es gibt ja immer noch den Fisch, den man am klassischen Freitag machen könnte. Die Woche über muss nicht jeden Tag ein Steak oder ein Braten auf den Tisch. Gemüse ist so vielseitig und kann auch sättigend sein, wenn man die richtigen Sachen kombiniert, gerade mit Hülsenfrüchten, Kichererbsen, Linsen und Ähnlichem. Da muss man nicht zwingend immer Fleisch dazu haben.

Ihr Kollege, Sterne-Koch Steffen Henssler, hat 2014 in einem FOCUS-Interview prophezeit, vegetarische und vegane Ernährung sei „nur eine Welle“. Sie haben das damals schon anders gesehen – warum?

Krolik: Ich hatte immer vegetarische Menüs auf der Karte, schon bei meiner ersten Küchenchef-Stelle 2002 im „Brenners Park Hotel“ in Baden-Baden. Das war nicht die Regel. Das gab es in den meisten Gourmetrestaurants nicht ansatzweise. Dass sich das Ganze so entwickeln würde, konnten aber auch wir damals nicht absehen.

Und trotzdem haben Sie Ihre vegane Linie immer weiter ausgebaut. Warum?

Krolik: Im November 2013 hatte ich ein Schlüsselerlebnis. Damals war ich Küchenchef im Frankfurter „Tigerpalast“. Unser Geschäftsführer und Inhaber Robert Mangold fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, in seinem Restaurant „Lafleur“ vegane Küche auf höchstem Niveau anzubieten.

Sie waren sofort begeistert?

Krolik: Bevor ich Sachen anpacke, mache ich mir sehr tiefgründige Gedanken, wäge ab und hinterfrage vieles. Nach zwei, drei Monaten bin ich zu dem Schluss gekommen: Ja, das ist möglich. Für mich war von Anfang an klar: Das vegane Menü muss dem herkömmlichen Menü absolut ebenbürtig sein – in Qualität, in Geschmack, in Vielseitigkeit, in der Spannung, in allen Facetten. Ich wusste: Ein Gast, der zu uns kommt und ein veganes Menü wählt, wird seine Ansprüche nicht 20 Prozent runterschrauben. Er erwartet immer das Beste, das Perfekte. Diesem Anspruch müssen wir mit jedem Gericht gerecht werden.

Fleisch gehört für mich zur Esskultur – für Sie nicht?

Krolik: Ein Stück weit kann ich das nachvollziehen. Es kommt darauf an, wieviel hundert oder tausend Jahre man zurückgeht. Fleisch hat sehr lange zur Esskultur der Menschen gehört. Und es gibt Kulturen, in denen Fleisch eine extrem wichtige Rolle spielt, etwa Minderheitenstämme in Urwäldern. Oder Eskimos, die noch geringfügig Robben fangen dürfen, weil sie von den Fetten und Ölen in diesem kargen Umfeld leben und vom Fleisch natürlich. Ich denke, wenn das alles in einem gewissen Rahmen stattfindet, ohne dass Bestände ruiniert werden, habe ich kein Problem damit.

Aber was halten Sie von Fleischkonsum in der modernen, zivilisierten Welt?

Krolik: Wir bieten ja auch Fleisch an. Aber man sollte immer schauen, wo es herkommt, wie die Tiere aufgewachsen sind, wie sie gezüchtet werden. Und am besten auch, wer es macht. Und dann in Maßen genießen. Aus meiner Sicht gibt es auch nicht nur Schwarz oder Weiß. Ich finde, es gibt immer eine gesunde Mitte. Und die stellen wir in unserem Restaurant ganz gut dar. Das beruht alles auf Freiwilligkeit. Wir müssen hier keinen Gast mit irgendeinem Dogma überzeugen. Wer Fleisch essen will, bekommt Fleisch. Wer vegan essen will, bekommt vegane Gerichte.

Klingt vernünftig.

Krolik: Es ist einfach zeitgemäß. Wir leben in einer Multikulti-Metropole mit Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen, die aus ethischen oder auch religiösen Gründen manche Sachen gar nicht essen oder bevorzugen. Auch die holen wir damit ab. Wir holen Familien ab, in denen die Eltern gerne Fisch und Fleisch essen, die Kinder sich aber vegan ernähren. Die kommen dann auch aus 100 Kilometer Entfernung zu uns gefahren nur zum Abendessen, weil sie wissen, weder die Kinder noch die Eltern müssen auf etwas verzichten. Und so haben alle einen sehr entspannten und zufriedenen Abend.

Quelle: Den ganzen Artikel lesen