Die Ampelfraktionen wollen den Apotheken nochmals mehr Spielraum geben, wenn wichtige Kinderarzneimittel nicht lieferbar und daher auszutauschen sind. Das begrüßt die ABDA zwar – doch die derzeit geplante Gesetzesänderung mit ihrer Bezugnahme auf die „Dringlichkeitsliste Kinderarzneimittel“ des BfArM sei für die Apotheken nicht umsetzbar, erklärt sie in ihrer Stellungnahme zum Pflegestudiumstärkungsgesetz. Die Standesvertretung macht einen anderen Vorschlag.
Mitte September fand im Bundesministerium für Gesundheit ein Spitzengespräch statt, bei dem die fragile Versorgungssituation bei Kinderarzneimitteln im Mittelpunkt stand – auch die ABDA war vertreten. Zum Abschluss des Treffens präsentierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den „5-Punkte-Plan zur Sicherung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln im Herbst/Winter 2023/24“. Darin ist unter anderem festgehalten, dass Apothekerinnen und Apotheker die gleichmäßige und bedarfsgerechte Versorgung mit Kinderarzneimitteln in der Elternberatung unterstützen und die Bedarfe in der eigenen Bevorratung berücksichtigen. Zudem sollte der Austausch von Kinderarzneimitteln der entsprechenden „Dringlichkeitsliste“ des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ausgeweitet und weiter erleichtert werden. Für die Herstellung von Rezepturen und für den Austausch der Darreichungsform sollte bei diesen Kinderarzneimitteln die Retaxation ausgeschlossen werden.
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Die konkrete gesetzliche Umsetzung dieser Pläne für den Herbst und Winter soll nun rasch im Rahmen des Pflegestudiumstärkungsgesetzes erfolgen. Der Gesetzentwurf hat bereits die erste Lesung im Bundestag durchlaufen, am Mittwoch (27. September) findet die öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages statt. Der entsprechende Änderungsantrag der Regierungsfraktionen liegt bereits vor. Doch die ABDA sieht diesen kritisch. Denn vorgesehen ist – wie auch im 5-Punkte-Plan schon beschrieben – die unmittelbare Verknüpfung der erweiterten Austauschregeln an besagte „Dringlichkeitsliste Kinderarzneimittel“ in ihrer jeweils aktuellen, auf der Webseite des BfArM veröffentlichten Fassung.
In ihrer schriftlichen Stellungnahme zur geplanten Ergänzung in § 129 Sozialgesetzbuch V (für GKV-Versicherte) und § 17 Apothekenbetriebsordnung (für Privatversicherte, Beihilfeempfänger, Selbstzahler) verweist die ABDA darauf, dass besagte Dringlichkeitsliste (die übrigens ohne Beteiligung des Beirats für Lieferengpässe am BfArM erstellt wurde) 15 bis 16 Wirkstoffe aufführt, unter anderem verschiedene Antibiotika, zwei Analgetika/Antipyretika sowie Alpha-Sympathomimetika, sowie ausgewählte Darreichungsformen – allerdings in nicht offizieller Form. Diese Wirkstoffe sind größtenteils auch Bestandteil der Liste der pädiatrischen Arzneimittel gemäß § 35 Absatz 5a SGB V, die mit dem Engpassgesetz (ALBVVG) eingeführt wurde. Letztere Liste enthält jedoch Fertigarzneimittel mit konkreten Angaben zu Name, Darreichungsform, PZN etc. Sie unterliege auch kontinuierlichen Aktualisierungen, die jeweils erst nach ihrer Veröffentlichung im Bundesanzeiger gültig werden, wie die ABDA betont. Zudem berücksichtige sie Arzneimittel, die zwar verkehrsfähig und zugelassen sind, aber tatsächlich nicht in Verkehr gebracht werden.
Die ABDA verweist darauf, dass es Grundvoraussetzung für die Umsetzung der geplanten Neuerungen sei, dass die betroffenen Wirkstoffe samt Darreichungsform (aus der „Dringlichkeitsliste“) den im Markt tatsächlich (nicht) verfügbaren Präparaten, die den Apotheken über die ABDA-Datenbank angezeigt werden, zugeordnet werden können. Doch das sei mit besagter Liste eben nicht möglich. Allein mit Wirkstoff- und Darreichungsangabe sei eine eindeutige, rechtssichere Zuordnung und Umsetzung der Austausch- und Bevorratungsempfehlungen auf Fertigarzneimittelebene unmöglich. Hinzu komme, dass die Liste jederzeit Veränderungen erfahren könne.
Alternativvorschlag der ABDA
Das Fazit der Standesvertretung: „Eine gleichmäßige und bedarfsgerechte Bevorratung mit Kinderarzneimitteln bzw. eine Ausweitung und Erleichterung des Austauschs sowie der Ausschluss von Retaxationen mit einzuschränkender Bezugnahme auf die so genannte ‚Dringlichkeitsliste Kinderarzneimittel‘ ist nicht rechtssicher umsetzbar.“ Doch sie hat einen alternativen Lösungsvorschlag in petto. In den geplanten neuen Regelungen solle einfach die Bezugnahme auf die Dringlichkeitsliste gestrichen werden. Um die Versorgung mit Kinderarzneimitteln in der kommenden Herbst-Winter-Saison zu gewährleisten, sollte die Apotheke – wie bei allen anderen Arzneimitteln mit Lieferproblemen – die Verfügbarkeit mittels Großhandelsabfrage digital prüfen. Ist das Arzneimittel nicht verfügbar und die Verordnung für ein Kind (bis zwölf Jahre) ausgestellt, gelten die erweiterten Austauschregeln auch für ein wirkstoffgleiches in der Apotheke hergestelltes Arzneimittel, auch in einer anderen Darreichungsform, und für ein wirkstoffgleiches Fertigarzneimittel in einer anderen Darreichungsform, jeweils ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt.
Hier finden Sie die komplette Stellungnahme der ABDA.
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