Fachleute klären über Nutzen und Risiken von Corona-Impfungen auf
Der plötzliche Stopp und die schnelle Wiederfreigabe des Corona-Impfstoffs von AstraZeneca hat die Angst über mögliche Nebenwirkungen bei einigen Personen verstärkt. Gleichzeitig sehnen sich viele das Ende der Pandemie herbei, das durch eine breite Impfabdeckung wohl schneller näherrücken würde. Drei Fachleute klären über mögliche Nebenwirkungen bei den Corona-Impfstoffen auf.
Die Impfstoffe gegen das Coronavirus nähren die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Pandemie – doch zugleich sind viele unsicher wegen möglicher Nebenwirkungen. Zurecht? Drei Experten ordnen ein.
Nach dem Pieks kann die Einstichstelle schmerzen
Nach dem zeitweisen Stopp des Corona-Impfstoffs von AstraZeneca ist bei vielen Menschen die Verunsicherung groß. Soll ich mich impfen lassen, wie hoch ist das Risiko und welche Nebenwirkungen können auftreten? Aus Expertensicht überwiegt der Nutzen der Impfung die Risiken in aller Regel. Hier sind Antworten auf wichtige Fragen rund um das Thema:
Sind Impfreaktionen normal?
Schmerzen an der Einstichstelle, Schlappheit, Kopfschmerzen oder Fieber – solche Impfreaktionen treten nach der Corona-Impfung bei vielen Menschen auf und sind ganz normal. Der Impfstoff provoziert eine Immunantwort, es kann Reaktionen im gesamten Organismus geben. „Dadurch merkt man, dass da tatsächlich etwas passiert“, erklärt der Allgemeinmediziner Professor Michael Freitag, der in Oldenburg in einer Hausarztpraxis mitarbeitet und an der örtlichen Universität lehrt.
Was kann bei Impfreaktionen helfen?
Wer gegen COVID-19 geimpft wird, kann sich auf mögliche heftigere Impfreaktionen vorbereiten, indem er oder sie ein Medikament gegen Schmerzen und Fieber parat hat. Das sollte man aber nicht vorbeugend nehmen, sondern nur bei tatsächlich auftretenden Beschwerden.
Was ist, wenn der Körper heftig reagiert?
Nach Einschätzung von Freitag können bei COVID-19-Impfungen starke Impfreaktionen wie Fieber und Schüttelfrost etwas häufiger auftreten als etwa bei Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie oder Grippe. „Dennoch müssen die Leute nicht erschrecken und gleich den Notruf oder ärztlichen Bereitschaftsdienst anrufen“, sagt er.
Bei ihm in der Praxis seien alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit AstraZeneca geimpft worden. Ein Drittel, so Freitag, hatte gar keine Beschwerden, ein Drittel bekam leichte Beschwerden und bei einem weiteren Drittel fielen sie etwas heftiger aus. Er rät: „Man sollte sich darauf einstellen, dass man eventuell ein, zwei Tage außer Gefecht ist und vielleicht nicht arbeiten können wird.“
Wann ist ärztlicher Rat angebracht?
Bei Fieber, das länger als ein bis zwei Tage anhält, oder massiven körperlichen Beeinträchtigungen, bei denen man den Eindruck hat, sie nicht mehr im Griff zu haben, zählt Freitag auf. Auch Lähmungen und andere Ausfälle sollte man abklären. Gleiches gelte für Bewusstseinsstörungen. Wobei diese dem Experten zufolge oft eine Folge von Flüssigkeitsmangel bei Fieber sind. Wer erhöhte Temperatur hat, sollte deshalb ausreichend trinken.
Was ist mit sehr seltenen Blutgerinnseln im Gehirn?
Weil im zeitlichen Zusammenhang mit der AstraZeneca-Impfung mehrere Fälle von Blutgerinnseln (Thrombosen) in den Hirnvenen – vor allem bei Frauen – gemeldet worden waren, wurden die Impfungen mit diesem Vakzin zeitweise gestoppt. Die Europäische Arzneimittelbehorde EMA hat nach einer Prüfung die Sicherheit des Impfstoffs aber bekräftigt und so wird er nun auch wieder in Deutschland genutzt. Es wurde jedoch eine Warnung in der Patienteninformation hinzugefügt, wonach in seltenen Fällen diese Hirnvenen-Thrombosen bei Frauen unter 55 Jahren als Nebenwirkung auftreten könnten.
Muss man bei Thromboserisiko Angst vor der Impfung haben?
Aus Sicht von Experten: nein. Bisher sei in den Zulassungsunterlagen nicht hinterlegt, dass man bei Thromboserisiken nicht impfen dürfte, erläutert der Internist, Infektions- und Tropenmediziner Professor Thomas Löscher aus München. Allgemeinmediziner Freitag schätzt es so ein: „Bis jetzt hätte ich auf Basis der Infos, die wir haben, keine Bedenken – da scheint mir der Nutzen der Impfung deutlich zu überwiegen, auch bei Menschen mit Thromboserisiko.“
Noch klarer fällt die Einschätzung des Tübinger Kardiologen und Thrombose-Experten Professor Meinrad Gawaz aus: „Patienten, die ein gewisses Thromboserisiko haben oder früher einmal Thrombosen hatten, zum Beispiel nach Operationen, müssen jetzt keine Angst vor der Impfung haben. Da gibt es keine Daten, die das begründen würden.“
Gawaz, der auch im wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung sitzt, könne hier „niemandem von der Impfung abraten“ – zumal das oft Patientinnen und Patienten seien, die durch COVID-19 besondere Risiken haben.
Gefahr durch COVID größer als durch Nebenwirkungen
„Denn durch die Erkrankung steigt das Risiko für Thrombosen an, da gibt es einen klaren Zusammenhang – das gilt übrigens für jede Infektion in den Atemwegen, also zum Beispiel auch die Influenza“, sagt Gawaz.
Bei der Abwägung von Nutzen und Risiko überwiegt der Schutz vor einer möglicherweise schweren bis tödlichen Erkrankung und möglichen neurologischen Spätfolgen durch das Post-COVID-Syndrom also in aller Regel das Risiko sehr seltener schwerer Impfnebenwirkungen.
Wie machen sich Hirnvenen-Thrombosen bemerkbar?
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das in Deutschland für die Sicherheit der Impfstoffe zuständig ist und die vorübergehende Aussetzung der AstraZeneca-Impfungen empfohlen hatte, schreibt dazu: „Wer vier bis 16 Tage nach der Impfung anhaltende Kopfschmerzen habe oder punktförmige Hautblutungen bei sich entdecke, sollte sich dringend in ärztliche Behandlung begeben.“ Das PEI betont zugleich, dass es sich um eine sehr seltene potenzielle Nebenwirkung handle – die Wahrscheinlichkeit des Auftretens sei sehr gering. Dennoch sollte man auf Anzeichen achten.
Kann ich Nebenwirkungen melden?
Ja, und damit hilft man auch mit, die Impfstoffe noch sicherer zu machen. Beobachtungen kann man direkt dem PEI melden. Das geht online über die PEI-App namens „SafeVac“ oder im Browser über das Portal „nebenwirkungen.bund.de“. Auch Apotheken sind Anlaufstellen, um Nebenwirkungen zu melden. (vb / Quelle: Tom Nebe, dpa)
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