Typ-2-Diabetes ist eine der großen Volkskrankheiten in den Industrienationen. In Deutschland sind etwa 7 Prozent der erwachsenen Bevölkerung betroffen. Jenseits des 50. Lebensjahres steigt das Risiko sprunghaft an. Um das Fortschreiten der Erkrankung sowie die Entwicklung von Folgeerkrankungen zu verzögern, ist es wichtig, den Typ-2-Diabetes frühzeitig zu erkennen und wirksam zu behandeln. Wie sich die Wirkstoffgruppe der Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitoren in die Stufentherapie des Typ-2-Diabetes einreiht, lesen Sie hier oder hören Sie in unserem Podcast!
Nach der Diagnose eines Typ-2-Diabetes wird zunächst eine Umstellung des Lebensstils empfohlen. Die Regulation des Körpergewichts sowie eine Reduktion von Rauchen und Stress sind wichtige Maßnahmen. Behandlungsziele werden individuell mit den Betroffenen vereinbart. Alter, Lebensqualität oder Komorbiditäten sind Faktoren, die dabei berücksichtigt werden. Der Behandlungserfolg der getroffenen Maßnahmen wird über die Messung des individuellen HbA1C-Zielwerts bestimmt.
Erst wenn nicht-medikamentöse Maßnahmen ausgeschöpft wurden, besteht eine Indikation zur medikamentösen Therapie. Metformin als Monotherapie ist das Mittel der ersten Wahl. Je nach Risikofaktoren der Patient:innen kann Metformin mit weiteren Antidiabetika wie SGLT2-Hemmern (Inhibitoren des Natrium-Glucose-Cotransporters 2, Gliflozine) oder GLP-1-Rezeptoragonisten (Nachahmer von Glucagon-like peptide 1, Inkretinmimetika) kombiniert werden. Möglicherweise ist das individuelle Behandlungsziel auch mit dieser Zweifach-Kombination noch nicht erreichbar. Für diesen Fall empfiehlt die Nationale Versorgungsleitlinie zur Intensivierung eine Dreifach-Kombination oder den Wechsel auf ein alternatives Medikament. Wenn Patient:innen Metformin nicht vertragen oder es eine Kontraindikation gegen Metformin gibt, können andere Arzneistoffgruppen eingesetzt werden. Zu diesen weiteren Arzneistoffgruppen zählen beispielsweise DPP-4-Inhibitoren, die Kurzform für Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitoren. Sie werden wegen der Endung der einzelnen Wirkstoffnamen auch Gliptine genannt: gemeint sind Sitagliptin, Vildagliptin, Saxagliptin und Linagliptin. Daneben kommen Sulfonylharnstoffe (Glibenclamid, Gliclazid, Glimepirid) infrage und im letzten Schritt auch Insuline. Weitere Blutglucose-senkende Wirkstoffe wie Alpha-Glucosidasehemmer (z. B. Acarbose), Glinide (Repaglinid, Nateglinid) und Glitazone (Pioglitazon) sind laut Leitlinie seltenen Sondersituationen vorbehalten.
Die DPP-4-Inhibitoren Sitagliptin, Vildagliptin und Saxagliptin sind in Deutschland sowohl als Monosubstanzen erhältlich als auch in einer fixen Kombination mit Metformin. Als weitere Kombinationen stehen Sitagliptin mit Ertugliflozin und Linagliptin mit Empagliflozin zur Verfügung.
Wirkmechanismus
Nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit werden im Darm Inkretin-Hormone freigesetzt, welche die Insulinfreisetzung aus den Beta-Zellen des Pankreas steigern. Eines dieser Hormone ist das Glucagon-like Peptide 1 (GLP-1). Endogenes GLP-1 wird rasch durch die Dipeptidylpeptidase 4 (DPP-4) abgebaut. Eine Hemmung dieses abbauenden Enzyms durch DPP-4-Inhibitoren führt somit zu einer erhöhten GLP-1-Konzentration und einer verstärkten Insulinfreisetzung. Das physiologische Hormon GLP-1 senkt zudem die Glucagonkonzentration. Verringerte Glucagonkonzentrationen führen zusammen mit erhöhten Insulinspiegeln zu einer verminderten hepatischen Glucoseproduktion und zur Senkung der Blutglucosespiegel. Bei Typ-2-Diabetiker:innen mit Hyperglykämien bewirkt die verstärkte Insulinfreisetzung langfristig eine Reduktion des HbA1C. Da Inkretin-Hormone im Darm nur in Anwesenheit von Glucose freigesetzt werden, tritt eine Hypoglykämie bei der Monotherapie mit DPP-4-Inhibitoren nicht auf.
Pharmakokinetik und Dosierung
DPP-4-Inhibitoren werden nach der peroralen Einnahme schnell resorbiert. Die vier zugelassenen Wirkstoffe zeigen Bioverfügbarkeiten von 30 bis 90 Prozent. Die Biotransformation und Elimination der vier Wirkstoffe ist ebenfalls sehr unterschiedlich.
Die Wirkdauer der DPP-4-Inhibitoren wird über ihr Bindungsverhalten mit dem DPP-4-Rezeptor bestimmt. Saxagliptin, Sitagliptin und Linagliptin bilden so stabile Komplexe mit dem Rezeptor, dass eine einmal tägliche Gabe ausreichend ist. Nur Vildagliptin wird in der Monotherapie zweimal täglich eingenommen. Die Einnahme kann unabhängig von einer Mahlzeit erfolgen.
Nebenwirkungen
DPP-4-Inhibitoren sind im Allgemeinen gut verträglich. Als häufige oder gelegentliche Nebenwirkungen können Kopfschmerzen, Schwindel, Pruritus oder Verstopfung auftreten. In Kombination mit Sulfonylharnstoffen oder Insulin ist auch das Auftreten einer Hypoglykämie möglich. Im Gegensatz zu anderen Antidiabetika, wirkt sich die Einnahme von DPP-4-Inhibitoren nicht auf das Körpergewicht aus. Die Anwendung von DPP-4-Inhibitoren wurde aber mit einem Risiko für die Entwicklung einer akuten Pankreatitis assoziiert. Außerdem wurde nach Markteinführung bei Patient:innen unter DPP-4-Inhibitoren einschließlich Sitagliptin über das Auftreten eines bullösen Pemphigoids berichtet.
Wechselwirkungen
DPP-4-Inhibitoren haben ein geringes Interaktionspotenzial. Bei Sitagliptin und Saxagliptin ist ein Interaktionsrisiko mit starken CYP3A4-Induktoren wie Carbamazepin oder Clarithromycin möglich. Sitagliptin kann bei gleichzeitiger Gabe mit Digoxin den Spiegel des Herzglykosids erhöhen.
Kontraindikationen
Wegen des möglicherweise erhöhten Pankreatitisrisikos sollen DPP-4-Inhibitoren nicht bei einer bestehenden Pankreatitis angewendet werden. Bei anhaltenden starken Bauchschmerzen während der Behandlung mit DPP-4-Inhibitoren, sollte abgeklärt werden, ob eine Pankreatitis vorliegt. Wird eine akute Pankreatitis bestätigt, ist die Therapie mit DPP-4-Inhibitoren nicht wieder aufzunehmen.
Schwangerschaft und Stillzeit
DPP-4-Inhibitoren dürfen in Schwangerschaft und Stillzeit nicht eingenommen werden. Embryotox rät bei Diabetes in der Schwangerschaft: „Orale Antidiabetika, sowie die Insulinanaloga Insulin glargin und Insulin glulisin sollten idealerweise schon vor der Schwangerschaft unter Aufsicht eines Diabetologen auf Humaninsulin umgestellt werden, spätestens jedoch nach Feststellung der Schwangerschaft.“
DAZ-Serie
Wirkstofflexikon
Quellen
Fachinfo Galvus®. Novartis Pharma. Stand Juli 2022
Fachinfo Januvia®. MSD Sharp & Dohme GmbH. Stand Sept. 2021
Fachinfo Onglyza®. Astra Zeneca. Stand Aug. 2018
Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler Arzneimittelwirkungen. Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie. 11. Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
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Rose R, Friedland K. Angewandte Pharmakotherapie. 2. Auflage 2019, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
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www.embryotox.de/erkrankungen/details/ansicht/erkrankung/diabetes-mellitus/ (Zugriff 16.05.2023)
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