Gesundheit

Glücklich durch Frust? Warum unsere Kinder mehr Mut zur Langeweile brauchen – und wir selbst auch

Ihr neues Buch heißt "Glücklich durch Frust". Ist das nicht eigentlich ein Widerspruch?

Rüdiger Maas: Es klingt auf jeden Fall für viele Menschen wie ein Widerspruch. Und genau das ist das Problem. Wir alle sehnen uns nach einer Welt ohne Frust und wollen gleichzeitig möglichst viel Positives erleben. Das macht aber gar keinen Sinn. Wenn wir das Negative nicht anerkennen, dann wissen wir das Positive irgendwann nicht mehr zu schätzen.

In Ihrem Buch haben Sie sich vor allem auf Frust bei Kindern fokussiert. Warum?

Frust ist etwas, das jeder von uns hin und wieder erlebt und das wir uns und anderen dennoch kaum zugestehen. Mit meinem Buch möchte ich Eltern die Sicherheit vermitteln, die Dinge auch mal laufen zu lassen, ohne permanent Angst zu haben, das eigene Kind nicht genug zu behüten. Und ohne den Druck, ständig der Entertainer seines Nachwuchses sein zu müssen.

Social Media
"Schüler sehen sexuellen Missbrauch, unfassbare Gewalt und Morde" – Schuldirektorin über Bilder auf Tiktok & Co.

Mit dem Smartphone gegen den Frust

Woher kommt diese Erwartungshaltung vieler Eltern denn überhaupt?

Wir werden immer älter, wenn wir Kinder bekommen. Wer mit 40 Jahren das erste Mal Eltern wird, ist in der Regel auch wesentlich risikoscheuer im Handeln, folglich auch in der der Erziehung und zerdenkt sehr viel. Zwischen der eigenen erlebten Kindheit und der des Kindes stehen nun 40 Jahre in denen sich Welt radikal geändert hat. Der Erlebnishorizont den die Eltern als Kinder hatten, ist auf die heutigen Kinder und deren Umwelt nicht mehr übertragbar. Unsere wachsende Wohlstandsgesellschaft führt außerdem dazu, dass wir insgesamt immer ängstlicher werden. Das heißt, wir gewöhnen uns an ein gewisses Maß an Sicherheit, werden handlungsmüde und trauen unseren Kindern deshalb auch immer weniger zu. Das trifft zum Beispiel auf Langeweile zu. Da wir uns mit dem Smartphone ablenken, sobald sie sich auch nur ankündigt, haben wir das Bedürfnis auch bei unserem Nachwuchs.

Zehn Grundbedürfnisse: Was Kinder brauchen, um glücklich zu sein

Das klingt nicht unbedingt förderlich. Worauf kommt es stattdessen an?

Kinder brauchen den Raum, sich selbst auszuleben. Wenn Eltern ihre Kinder in jeder freien Minute bespaßen, dann nehmen sie ihnen die Möglichkeit, sich selbst auszuprobieren. Dazu gehört auch Frust auszuhalten. Es ist doch viel besser, wenn ein Kind selbst etwas gegen seinen Frust unternimmt, als wenn die Lösung immer von außen kommt. Das stärkt auch die Selbstwirksamkeit des jungen Menschen enorm. Ich möchte Eltern mitgeben, dass sie ihr Kind ruhig mal die Welt erkunden lassen sollen. Auch, wenn dem Kind zuhause mal langweilig wird, muss es nicht sofort bespaßt werden. Es lohnt sich, abzuwarten und zu schauen, was dem Nachwuchs einfällt, um die Langeweile zu überwinden.

Warum Langeweile manchmal auch Sinn macht

Was kann Langeweile denn mit unseren Kindern – und uns selbst – machen?

Frust und Langeweile sind zunächst einmal unangenehme Gefühle, die wir gerne schnellstmöglich unterbinden wollen. Das ist menschlich. Es ist aber wichtig, dass wir früh lernen, auch mit solchen Gefühlen auszukommen. Ich bin mir sicher, einige der besten Erfindungen der Menschheit sind aus der Langeweile geboren. In einer solchen Situation beginnen wir nämlich, uns auch mal aus unserer Komfortzone heraus zu bewegen.

Und was, wenn wir als junger Mensch nicht lernen, mit Frust umzugehen?

Kinder, die keine Gelegenheit haben, sich mit ihrem Frust auseinanderzusetzen, haben es später wesentlich schwerer mit Dingen umzugehen, die eben nicht so laufen wie man sich das vorgestellt hat. Die Eltern sind eben nicht für immer da, um die manchmal sehr frustrierende Welt aufzufangen.

Illegale Schule in Sachsen
Antisemitismus auf dem Lehrplan: So versuchen Querdenker und Rechtsextreme, Kinder zu indoktrinieren

Wie können Eltern ihrem Kind den notwendigen Raum geben, um Frust und Langeweile kennenzulernen?

Man kann damit anfangen, sein Kind nicht mehr jeden Tag zur Schule zu fahren und an seinem Selbstbild als Elternteil arbeiten. Wer denkt, er muss Dauerentertainer für seinen Nachwuchs sein, der schränkt ja nicht nur sein Kind, sondern auch sich selbst ein. Stattdessen lohnt es sich viel mehr, wirklich auf das Kind einzugehen und es auch einfach mal Kind sein zu lassen.

Quelle: Den ganzen Artikel lesen