Ab dem heutigen 1. September 2020 ändert sich Hämophilie-Patienten Einiges: Ihre Gerinnungsfaktorpräparate bekommen sie nun nicht mehr direkt in spezialisierten Zentren, sondern über ein Rezept in der Apotheke. Sowohl ärztliche Fachverbände als auch Patientenverbände fürchten nun, dass Apotheken importierte Präparate abgeben – denn diese sind aus ihrer Sicht mit vielerlei Risiken verbunden. Sie appellieren daher an Ärzte, ihre Rezept mit dem schriftlichen Vermerk „aus medizinisch-therapeutischen Gründen kein Austausch“ zu versehen.
Sowohl der Berufsverband der Deutschen Hämostaseologen (BDDH) also auch die Interessengemeinschaft Hämophiler (IGH) informieren derzeit auf ihren Webseiten darüber, dass mit der Umstellung des Vertriebswegs für Gerinnungsfaktorenpräparationen auch für diese das Reimportgeschäft möglich wird. Und ganz offensichtlich sehen sie diesen Umstand mit Sorge.
Dass die fraglichen Arzneimittel jetzt apothekenpflichtig sind und der Arzneimittelpreisverordnung unterliegen, soll nicht zuletzt dafür sorgen, dass die Krankenkassen die Kosten für die teuren Präparate besser überschauen können. Die Änderung geht auf das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) zurück. Die Kassen werden künftig mit den Herstellern der Faktorpräparate nun Rabattverträge aushandeln – dabei werden auch Importeure mit im Spiel sein. Schon jetzt können diese ihre aus anderen Ländern bezogenen Arzneimittel über die Apotheken in die Versorgung einbringen.
BDDH und IGH erläutern das Geschäftsmodell der Reimporteure und der Parallelimporteure. Apothekern ist dies nur zu gut bekannt. Schließlich werden zahlreiche Originalpräparate über Umwege durch Europa vertrieben und Apotheken sind angehalten, sie bevorzugt abzugeben – was vielfach auf Unverständnis stößt. Lange wurde – im Übrigen ebenfalls im Zuge des Gesetzgebungsverfahren zum GSAV – um die Importförderklausel gerungen. Sie blieb letztlich in modifizierter Form erhalten.
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Nun öffnet sich also auch für Gerinnungsfaktorpräparate der Importweg. Und die beiden Verbände mahnen: „Durch das (komplexe) Parallel- und Reimportgeschäft wird zusätzlich eine andere Tür geöffnet, die sich in einer Zunahme der Fälschungen in der regulären Lieferkette äußert.“ Zum einen aufgrund der gängigen Praxis des Umpackens zugelassener parallel-importierter Arzneimittel: Auf diese Weise „könnten die vom Originalhersteller aufgebrachten ‚fälschungssicheren, -schützenden‘ Maßnahmen zerstört werden“. Zum anderen führe die zunehmende Anzahl von Groß- und Zwischenhändlern dazu, dass ein Arzneimittel, bevor es den Patienten erreicht, durch viele Hände an vielen Orten gehe. Das ist nicht zuletzt bei Arzneimitteln, die besonders gelagert werden müssen, ein Problem. Hinweise von Patienten auf mögliche Qualitätsmängel sollten daher sehr ernst genommen werden.
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