Gesundheit

Kliniken überfüllt, 5G als Ursache, gefährlicher als Sars – die absurden Falschinfos zum Coronavirus

Die einzige Sorge, die er angesichts des neuartigen Coronavirus habe, seien die vielen Verschwörungstheorien, die im Internet kursierten, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), nachdem die erste Infektion in Deutschland bestätigt wurde. Und Spahn ging später sogar noch weiter: Er habe den Eindruck, dass die Urheber von außen oder innen die „Debatte in der Gesellschaft zersetzen wollen“, sagte er RTL.

In der Tat: Abseits seriöser Quellen trifft man im Netz auf haufenweise schräge Theorien, Hoaxes (Falschmeldungen), Gerüchte. Von wem sie in die Welt gesetzt werden, ist in vielen Fällen unklar, ebenso die Motivation für die Verbreitung von Fehlinformationen. Macht es den Menschen einfach Spaß? Wollen sie bewusst Panik verbreiten oder Ängste und Vorurteile schüren? Oder ist es einfach Unwissenheit?

Sicher ist nur: Die Falschmeldungen finden ihre Adressaten. Bisweilen werden die Artikel und Videos tausendfach abgerufen und weiterverbreitet – und können so zu einer Verunsicherung beitragen. Der stern zeigt eine Auswahl von Verschwörungstheorien und Gerüchten – und sagt, warum sie vollkommener Quatsch sind.

Die Rolle von Bill Gates

Einer der reichsten Männer der Welt soll vom neuartigen Coronavirus vor Beginn der Ausbreitung gewusst haben, sogar ein Patent auf das Virus besitzen? Klingt absurd, ist es auch – wird jedoch trotzdem über soziale Netzwerke verbreitet und zählt zu den populärsten Verschwörungstheorien rund um das neue Coronavirus.

Unsinn: Die Bill-Gates-Stiftung sagte keine 65 Millionen Todesopfer voraus

Ausgangspunkt ist das „Event 201“, eine Pandemie-Simulation, die im Oktober 2019 in New York abgehalten wurde. Veranstalter waren das Johns Hopkins Center for Health Security, das Weltwirtschaftsforum und die Stiftung von Bill Gates und seiner Ehefrau Melinda. Das Szenario: eine erfundene Coronavirus-Pandemie, Führungskräfte aus Wirtschaft, Politik und Gesundheit sollten lernen, angemessen auf eine solche Pandemie zu reagieren, um Schäden für Wirtschaft und Gesellschaft abzuwenden, so schrieb es das Johns Hopkins Center for Health Security im Oktober. Videos der Simulation sind öffentlich einsehbar.

Beim „Event 201“ habe es sich ausdrücklich nicht um eine Prognose des aktuellen Falls gehandelt, vielmehr sei das Szenario dahingehend entworfen worden, dass 65 Millionen Menschen sterben könnten, wenn keine Abwehrmaßnahmen gegen eine Pandemie weltweit koordiniert werden würden, stellte das Johns Hopkins Center for Health Security in der vergangenen Woche klar. „Wir sagen derzeit nicht voraus, dass der Ausbruch von nCoV-2019 65 Millionen Menschen töten wird.“

Eine zweite steile These befasst sich ebenfalls mit dem Microsoft-Gründer. Er habe über seine Stiftung ein Patent auf das neue Coronavirus nCoV-2019 gesichert, um mit Impfstoffen Kasse zu machen.

Es geht um ein Patent aus dem Jahr 2015 des Pirbright Instituts, das unter anderem von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung Geld erhalten hat. Tatsächlich hält das Institut ein Patent zur Impfstoffentwicklung gegen ein Geflügelvirus, ebenfalls ein Coronavirus (Patent bei „Google Patents“).

Die Forschungen haben jedoch nichts mit dem neuen Coronavirus 2019-nCoV zu tun. In der Immunologie ist es üblich, dass Forscher das Erbgut von Krankheitserregern verändern, um sie weniger gefährlich zu machen. Diese eignen sich dann zur Herstellung von Impfstoffen. Darin sind Bruchstücke von Viren oder die Erreger selbst in abgeschwächter Form vorhanden. Der geimpfte Organismus soll Abwehrmechanismen gegen die Viren entwickeln.

Nach Angaben des Europäischen Patentamts (EPA) beinhaltet ein Patent jedoch keine Erlaubnis, „eine Erfindung zu benutzen, in den Verkehr oder – wie im Fall von Medikamenten – auf den Markt zu bringen“, teilte ein EPA-Sprecher der Nachrichtenagentur DPA mit.

Ein zugelassener Impfstoff gegen das neue Coronavirus existiert laut Robert Koch-Institut ohnehin nicht – es wäre also ein schlechtes Geschäft für Bill Gates gewesen.

Coronavirus außer Kontrolle

Ein Video des anonymen Users „Odysseus“ wurde seit dem Uploaddatum am 23. Januar allein auf Youtube inzwischen mehr als 600.000 angesehen – es enthält Lügen, Verzerrungen, Übertreibungen. Einige Beispiele: Der anonyme Sprecher berichtet von Informationen, die ihm zugespielt worden und in „der Presse nicht verfügbar“ seien. Die Bevölkerung solle so beruhigt werden. Weitere Angaben zu seinen Quellen macht er nicht. Der Ersteller des Videos verbreitet die Lüge von einer wie auch immer gesteuerten Presse im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus. Das Coronavirus ist dagegen schon seit längerem eines der beherrschenden Themen von Fernsehsendern, Zeitungen und Onlineportalen. Ein wie auch immer geartetes „Ruhigstellen“ der Bevölkerung ist dabei nicht zu bemerken, vielmehr werfen etwa die Autoren des „Bildblogs“ der „Bild“ Angstmacherei vor.

„Die Coronavirus-Pandemie ist weitaus schlimmer, als man euch glauben machen möchte. Sie ist viel, viel schlimmer“, gibt der Sprecher die Richtung vor. Die Wahrheit ist: Die Verbreitung des Coronavirus stellt mitnichten eine Pandemie (nach Definition des Robert Koch-Instituts eine „weltweite Epidemie“) dar. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) handelt es sich um eine „sich entwickelnde epidemische Situation“, sie hat den „internationalen Gesundheitsnotstand“ ausgerufen. Von einer Pandemie ist jedoch nicht die Rede – und war es zum Uploadzeitpunkt des Videos erst recht nicht.

Unseriös: Das Bild steht nicht im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Es zeigt eine Übung im vergangenen Jahr

2019-nCoV sei weitaus gefährlicher als das Sars-Virus 2002/2003, heißt es in dem Video weiter. Bei der damaligen Pandemie gab es laut WHO rund 8000 Infizierte und knapp 800 Tote, die Sterberate lag bei 9,6 Prozent. Mit dem neuen Coronavirus haben sich laut Robert Koch-Institut bisher 9928 Menschen infiziert, 213 sind gestorben (alle Todesopfer in China / Stand: 31. Januar 2020). Die Sterblichkeitsrate liegt damit bei rund zwei Prozent. Die Zahl kann allerdings noch nach oben gehen – einen Beleg für eine höhere Gefährlichkeit gegenüber der Sars-Welle gibt es aber dennoch nicht.

„Sicher ist eins: Es gibt kein Medikament und die Krankheit ist nicht heilbar“, fährt der Sprecher fort. Das Robert Koch-Institut erklärt dazu: „Eine spezifische, das heißt gegen das neuartige Coronavirus selbst gerichtete Therapie steht derzeit nicht zur Verfügung.“ Allerdings: „Sehr wirkungsvoll ist jedoch die supportive Behandlung der Infektion entsprechend der Schwere des Krankheitsbildes, die sämtliche unterstützende Maßnahmen umfasst sowie die Behandlung von relevanten Grunderkrankungen.“ Die sechs bestätigten Infektionen in Deutschland befinden sich in gutem Zustand, hieß es von den Behörden. Von einer Unheilbarkeit kann keine Rede sein.

Virologe über Coronavirus

"Die Krankheit verläuft in einem Großteil der Fälle leicht, zum Teil auch ohne Symptome"

In Deutschland gibt es einen ersten Coronavirus-Fall. Im Interview spricht der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut darüber, warum dennoch mit keinem Ausbruch zu rechnen ist – und wie sinnvoll Atemschutzmasken sind. 

Ausführlich haben sich unter anderem die Rechercheplattformem „Correctiv“ und „Mimikama“ mit dem Video auseinandergesetzt, auch sie kommen nach ihrem Faktencheck zu dem Ergebnis: „Es verbreitet auf dramatisierende Weise unbelegte, irreführende und falsche Behauptungen“, und: „Auch wenn in dem Video behauptet wird, es sei keine Panikmache, sondern man wolle nur informieren: Es ist Panikmache!“

Krankenhäuser in Augsburg überfüllt

Fake: Die Krankenhäuser im Landkreis Augsburg sind nicht überfüllt

„Im Landkreis Augsburg sind fast alle Krankenhäuser als voll gemeldet. Die Patienten, hauptsächlich Schüler. Die Symptome sind bei den meisten Atemnot, Fieber, Hals- und Kopfschmerzen. Es wurden über 24 offizielle Coronafälle bestätigt, weitere Patienten befinden sich in Isolation.“ Diese „Eilmeldung“ in der Optik eines Livetickers der „Bild“-Zeitung kursiert unter anderem über den Messenger Whatsapp. Ihr Inhalt klingt dramatisch, ist aber in erster Linie von vorne bis hinten erlogen, das Bildschirmfoto ist manipuliert. Die „Bild“-Redaktion selbst schreibt: „Diese Meldung stand NIE auf bild.de, der Inhalt ist frei erfunden.“ Das Blatt behalte sich rechtliche Schritte gegen den Urheber und die Weiterverbreitung vor. Auch das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit erklärt, dass es in Wahrheit nur die bekannten sechs bestätigten Coronavirus-Fälle gibt. Eine Sprecherin des für Augsburg zuständigen Polizeipräsidiums Schwaben Nord sagte der „Augsburger Allgemeinen“ zu der vermeintlichen „Eilmeldung“: „Da handelt es sich um einen Fake.“

5G-Technologie ist Schuld

Kann es Zufall sein, dass das Coronavirus exakt dort ausgebrochen ist, wo der neue Mobilfunkstandard 5G ausgebaut wird? „Manche bezeichnen 5G sogar als eine militärische Waffe! Wenn es tatsächlich Tote in Wuhan gab, waren es eventuell 5G-Opfer? Wird uns dann die Geschichte mit dem Corona-Virus als Ablenkung und Vertuschung aufgetischt? Um eventuell die 5G-Industrie und ihre Milliarden an Investitionen weltweit zu schützen?“ Eventuell. Eventuell aber auch nicht.

Geschäftemacherei: 5G hat nichts mit dem Coronavirus zu tun

Die Möglichkeit, dass 5G und das Coronavirus etwas miteinander zu tun haben, wird Lesern auf einer Plattform „für neue Ideen und Ansätze“ aufgetischt. Zwar ist der neue Mobilfunkstandard in Wuhan verfügbar (wie auch in unzähligen weiteren Regionen der Welt), allerdings kann ausgeschlossen werden, dass Menschen dort durch 5G starben, wie eine Erklärung des Bundesamtes für Strahlenschutz für die Plattform „Correctiv“ zeigt: „5G verursacht weder Zellabbau noch grippeähnliche Symptome. 5G kann (wie alle Felder von Mobilfunksendeanlagen, also auch 2G, 3G, 4G) höchstens eine geringfügige, nicht wahrnehmbare Erwärmung verursachen, die sich vor allem auf die Körperoberfläche beschränkt (und die Lunge nicht erreicht).“ 

Doch die Vermutung liegt nahe, dass es dem Autor der Theorie ohnehin nicht um Aufklärung geht, sondern vor allem um eines: Geld. Denn für Gefahren aller Art, empfiehlt er, stets einen Wasserfilter im Hause zu haben, der direkt zum Bestellen angeboten wird. Preis: 249 Euro.

+++ Eine Sammlung von weiteren Falschinformationen zum Coronavirus hat die Nachrichtenagentur AFP in englischer Sprache hier zusammengestellt und widerlegt. +++

Wo finden Sie seriöse Informationen zum Coronavirus?

Gesicherte und bestätigte Informationen halten die deutschen Behörden bereit: Das Bundesgesundheitsministerium, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder das Robert Koch-Institut informieren seriös über das Coronavirus, seine Gefahren und die Ausbreitung in Deutschland. Auch die Weltgesundheitsorganisation bietet stets einen aktuellen Überblick über die Infektionen. Vor allem bei Berichten in (Sozialen) Medien gilt: Absender und Verfasser überprüfen, bevor Sie die Meldungen teilen und möglicherweise zur Verunsicherung beitragen. Die geprüften Meldungen des stern zum Coronavirus finden Sie gebündelt hier.

Facebook will indes schärfer gegen Falschmeldungen zum Coronavirus vorgehen. Das kündigte der Konzern in einem Blogbeitrag an. Konkret soll es um Falschbehauptungen gehen, die im schlimmsten Fall Menschenleben gefährden können. Um die Verbreitung von Unwahrheiten über die neue Lungenkrankheit einzudämmen, werde das Online-Netzwerk bestimmte Posts löschen, hieß es darin. Diese müssten aber zuvor von Gesundheitsorganisationen als falsch identifiziert werden.

Twitter hat derweil in Deutschland in Kooperation mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ein Aufklärungs-Tool zum Coronavirus gestartet. Sobald auf Twitter in Deutschland auf den Trend #Coronavirus geklickt oder nach bestimmten Schlagwörtern gesucht wird, wird im oberen Bereich der Timeline das Tool ausgespielt. Darin finden Nutzer dann verifizierte Informationen der BZgA.

Quellen: RTL, Johns Hopkins Center for Health Security (1), Johns Hopkins Center for Health Security (2), Johns Hopkins Center for Health Security (3), „Google Patents“, Robert Koch-Institut (1), „Bildblog“, Robert Koch-Institut (2), Weltgesundheitsorganisation (1), Weltgesundheitsorganisation (2), Robert Koch-Institut (2), Weltgesundheitsorganisation (3), „Correctiv“ (1), „Mimikama“, „Bild“-Zeitung, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, „Augsburger Allgemeine“, „Speedtest.net“, „Correctiv“ (2), Bundesgesundheitsministerium, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Robert Koch-Institut (4), Weltgesundheitsorganisation (4), Facebook, Nachrichtenagenturen DPA und AFP

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