Gesundheit

Kontaminiertes Ranitidin: Keine Überraschung

Der Rückruf von Ranitidin-Präparaten wegen NDMA-Verunreinigungen hat erneut aufgeschreckt. Wie schon zu Beginn des Valsartan-Skandals absehbar, scheinen wir bislang immer noch nur die Spitze des Eisbergs zu sehen. Erst am gestrigen Donnerstag wurde bekannt, dass sich die europäische Arzneimittelbehörde nun daran macht, den Eisberg unter der Oberfläche genau zu untersuchen. Verunreinigungen in Arzneistoffen könnten zum Dauerbrenner werden. Warum? Das lesen Sie in der aktuellen DAZ. 

Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe, Dr. Helmut Buschmann und Prof. Dr. Fritz Sörgel haben seit Bekanntwerden der Nitrosamin-Verunreinigungen in Valsartan sich auf Spurensuche begeben und dabei nicht nur die Schwachstellen aufgedeckt, die zu den Kontaminationen geführt haben. Sie haben auch offengelegt, warum trotz Arzneibuchvorgaben, Zertifikaten für Synthese und Herstellung sowie Kontrollvorschriften solche Verunreinigungen nicht nur möglich sind, sondern auch unentdeckt bleiben können. 

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Der Fall Ranitidin wirft viele neue Fragen auf und sorgt für große Verunsicherung

Nitrosamine all überall

In der aktuellen Ausgabe der DAZ haben sie den Fall Ranitidin zum Anlass genommen, noch einmal den Finger in die vielen Wunden zu legen und zu zeigen, wie und wo überall Nitrosamine (und weitere Verunreinigungen) in Arzneistoffe gelangen können. Da sind zum einen recycelte Lösungsmittel, die die Autoren das Fürchten lehren, und die sicher nicht nur zur Ranitidin-Synthese eingesetzt worden sind und werden. So hat die Firma Lantech Pharmaceuticals Limited aus Hyderabad, Indien, von der FDA im August einen Warning Letter erhalten. Diese Firma, die für viele Hersteller Lösungsmittel recycelt, soll ihre Anlage nicht ordnungsgemäß gereinigt haben, so dass ein ständig wachsender Bodensatz entstanden ist, der bei Dimethylformamid (DMF) zu einer Anreicherung mit zuvor nicht richtig abgetrennten Nitrosaminen geführt hat. Ob nun die Ranitidin-Kontamination auf DMF zurückzuführen ist, das ist nicht geklärt. 

Holzgrabe, Buschmann und Sörgel haben im Fall Ranitidin weitere potenzielle Quellen identifiziert: Die Ranitidin-Synthese selbst, eine unsachgemäße Lagerung, die Instabilität von Ranitidin gegenüber Säuren, Basen, Oxidationsmitteln, Hydrolyse und Photolyse. Und dann sprechen sie auch die Abwasserproblematik an. Denn Ranitidin wird nur zu 30 Prozent metabolisiert und wurde entsprechend in Abwasser nachgewiesen. Bei der Wasseraufarbeitung unter oxidativen Bedingungen ist u.a. mit NDMA-Bildung zu rechnen. Und auch in vivo muss mit einer Nitrosamin-Bildung im sauren Milieu des Magens gerechnet werden, wenn keine magensaftresistenten Darreichungsformen verwendet werden.

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Sechs Monate Zeit

EMA fordert: Alle chemischen Wirkstoffe auf Nitrosamine prüfen!

Darüber hinaus warnen die Autoren auch vor unerwarteten Verunreinigungen, über die Holzgrabe et al. in der DAZ 2019 Nr. 20 S. 50 berichtet hatten. Und sie warnen davor, dass die in den Arzneibüchern beschriebenen Methoden nicht dazu geeignet sind, solche Verunreinigungen zu detektieren. Sie stellen die Frage, ob angesichts der Problematik nicht neben klassischen Methoden grundsätzlich auch orthogonale Messtechniken eingesetzt werden sollten. 

Als Beispiel nennen sie die QTOF-MS-Technologie (Quadrupole Time of Flight Mass Spectrometry). Mit ihr lassen sich durch Messung von exakten Massen und chemometrische Auswertung auch unerwartete Verunreinigungen erkennen. Für die  Autoren wäre das ein idealer Detektor für “untargeted“ HPLC-Methoden. Sie schließen mit der Forderung, dass im Interesse der Gesundheit alles auf den Prüfstand gestellt werden muss: angefangen bei der Produktion im fernen Osten über die Herstellung und die Audit-Verfahren bis hin zur Analytik. 

Wie gestern bekannt wurde, beginnt die europäische Arzneimittelbehörde EMA nun genau damit: Sie fordert alle Marktzulassungsinhaber für Humanarzneimittel, die chemisch synthetisierte Wirkstoffe enthalten, dazu auf, ihre Arzneimittel „vorsorglich“ auf das mögliche Vorhandensein von Nitrosaminen zu prüfen. Egal ob Original, Generikum oder OTC-Arzneimittel. Egal welche Wirkstoffklasse. 

Nach einer Risikobewertung durch die Unternehmen (sie soll spätestens in den nächsten sechs Monaten abgeschlossen sein) sollen diese dann alle gefährdeten Produkte auch analytisch testen. 

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