Premierminister Boris Johnson kündigte am Donnerstag an, der britische Gesundheitsdienst NHS werde ab sofort die Medikamente Tocilizumab und Sarilumab gegen Covid-19 einsetzen. Dies könne die Todesrate signifikant senken sowie Krankenhausaufenthalte verkürzen. An der neuen Strategie gibt es aber Kritik.
Im Kampf gegen die Corona-Pandemie will Großbritannien bei schwer an Covid-19 erkrankten Patienten neue Medikamente einsetzen. Man werde ab sofort die „lebensrettenden“ Medikamente Tocilizumab and Sarilumab einsetzen, kündigte der britische Premier Boris Johnson am Donnerstag an. Johnson hatte sich dabei auf Versuchsdaten bezogen, denen zufolge die Todesrate von Covid-19-Patienten mit den Medikamenten signifikant gesenkt sowie ihre Aufenthaltsdauer im Krankenhaus verkürzt werden könne. Üblicherweise werden die Medikamente der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge bei rheumatischer Arthritis eingesetzt.
Widersprüchliche Studienergebnisse
Der Experte für die Behandlung von Covid-19-Patienten, Stefan Kluge, hat jedoch Zweifel an dieser Entscheidung. „Das überrascht mich schon ein bisschen, dass der britische Premierminister den Einsatz der Medikamente schon empfiehlt“, sagte der Intensivmediziner Kluge, der in Deutschland die Leitlinien für die stationäre Behandlung von Covid-Patienten mitentwickelt hat, der Deutschen Presse-Agentur.
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„Das Problem an der Studie, auf die Johnson sich bezieht, ist, dass sie noch nicht richtig begutachtet und in einer medizinischen Fachzeitschrift publiziert ist“, sagte Kluge, der am Uniklinikum in Hamburg-Eppendorf die Intensivmedizin leitet. Sie sei zwar wohl methodisch solide, habe allerdings nur recht kleine Fallzahlen an Patienten untersucht.
„Außerdem gibt es andere Studien, die diese Effekte so nicht finden konnten. Man hat also widersprüchliche Studienergebnisse. Das macht einen ein bisschen skeptisch“, so Kluge weiter. In einer aktuellen Studie im New England Journal of Medicine zum Medikament Tocilizumab konnte nicht belegt werden, dass das Mittel die Sterblichkeit von Covid-19-Patienten verringert. In Deutschland sei ein Einsatz der Medikamente auf dieser Basis derzeit nicht vorstellbar, sagte Kluge. „Wenn wir eine Empfehlung abgeben, dann muss das auch Hand und Fuß haben.“ Jedes Medikament habe schließlich Nebenwirkungen und koste Geld.
Weiter auch Hoffnung auf Impfkampagne
Neben der neuen Strategie setzt Großbritannien – wie der Rest der Welt – auch weiter große Hoffnungen auf schnelle Fortschritte bei der Impfkampagne. Bislang seien rund 1,5 Millionen Menschen in Großbritannien gegen Corona geimpft werden. Bis Mitte Januar sollten „Hunderttausende Impfungen“ pro Tag stattfinden, bis Mitte Februar die gefährdetesten Gruppen – dazu zählen rund 15 Millionen Menschen im Land – einen ersten Impftermin angeboten bekommen haben.
Dies könne einen großen Teil der Todesfälle verhindern, erklärte der Chef des staatlichen Gesundheitsdienstes, Simon Stevens. 88 Prozent der bisherigen Covid-19-Todesfälle gehörten der Gruppe an, die nun beim Impfen oberste Priorität genießt.
Großbritannien zählt bereits mehr als 82 000 Menschen mit Covid-19 auf dem Totenschein. In den vergangenen Tagen wurden jeweils mehr als 1000 Todesfälle pro Tag gemeldet. Krankenhäuser insbesondere in London und im Süden Englands stoßen an ihre Belastungsgrenzen. Insgesamt würden in den britischen Krankenhäusern 50 Prozent mehr Menschen mit Covid-19 behandelt als in der ersten Corona-Welle im April. Für die eskalierende Situation machen Regierung und Mediziner die in Großbritannien entdeckte, wohl deutlich ansteckendere neue Coronavirus-Variante verantwortlich.
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