Gesundheit

Soll vor Corona schützen: Das sagen Experten zum Nasenspray „Algovir“

Erste Studien zeigen: Der Wirkstoff Carragelose soll vor Coronaviren schützen. Daher steigt die Nachfrage einiger Nasensprays, wie beispielsweise dem „Algovir“. Sie enthalten den Wirkstoff, der sich schutzfilmartig auf die Nasenschleimhaut legt.

In Apotheken und Online-Shops steigt die Nachfrage nach Nasensprays mit einem Wirkstoff aus Rotalgen. Denn eine Studie aus Argentinien legt nahe, dass solche Sprays vor Coronaviren schützen. Einmal in die Nase gesprüht, schon sicher vor einer Infektion? Ob an diesem Versprechen tatsächlich etwas dran ist, hat FOCUS Online für Sie recherchiert.

Studie: Nasenspray reduziert Infektionsrisiko enorm

Zunächst zur wissenschaftlichen Grundlage: Argentinische Forscher haben die Wirkung von Iota-Carrageen untersucht. Der Stoff stammt aus Rotalgen. Dabei handelt es sich, wie der Name schon sagt, um rote Algen, die im Meer und teilweise auch im Süßwasser vorkommen. Die Forscher gaben 394 Probanden ein Nasenspray – die Hälfte erhielt eines mit Iota-Carrageen, die andere ein wirkungsloses Placebo. Alle Probanden arbeiteten in der Pflege und hatten täglich direkten Kontakt mit Corona-Patienten. Die Sprays wandten sie drei Wochen lang viermal täglich an.

Am Ende zeigte sich: Das Rotalgen-Spray konnte das Risiko einer Corona-Infektion um bis zu 80 Prozent senken im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Es legt einen natürlichen Schutzfilm auf die Schleimhäute des Naseninnenraums, der ein Eindringen der Viren verhindert.

Der Mechanismus ist nicht neu. Daher gibt es solche Sprays gegen herkömmliche Erkältungsviren bereits auf dem Markt. Welches Produkt in der argentinischen Studie verwendet wurde, geht aus dem Paper der Forscher nicht hervor. Im deutschen Handel ist der Wirkstoff zum Beispiel im Nasenspray "Algovir" des Herstellers Hermes Arzneimittel enthalten – dort heißt er Carragelose.

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"Algovir" wird zur Vorbeugung von Erkältungen drei Mal täglich empfohlen. Ob das Produkt auch gegen Coronaviren hilft, legt die Studie aus Argentinien zwar nahe, bewiesen ist das aber noch nicht. Daher darf der Hersteller bislang nicht mit einer Anti-Corona-Wirkung werben.

BfArM: Wissenschaftliche Erkenntnisse noch nicht ausreichend

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Risikobewertung (BfArM) erklärt hierzu auf Anfrage von FOCUS Online: "Derzeit ist das Maß an wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Nutzen-Risiko-Verhältnis noch nicht ausreichend." Allein die Untersuchung aus Argentinien reiche nicht aus, um von einer Wirkung gegen Coronaviren zu sprechen. Zumal es sich bei der Untersuchung um eine Vor-Veröffentlichung handelt. Das bedeutet, sie wurde noch nicht von unabhängigen Wissenschaftlern begutachtet und ist in keinem renommierten Fachmagazin erschienen.

Sobald ausreichend Daten vorliegen, könne Hermes Arzneimittel für sein bereits zugelassenes Arzneimittel "Algovir" eine Zulassungserweiterung beantragen, erklärt das BfArM. Wird diese vom europäischen Zulassungsausschuss genehmigt, könne sich das Produkt auch eine Anti-Corona-Wirkung auf die Fahne schreiben. Doch so weit ist es noch nicht.

Virologe Ulrich Schubert: Breiter Einsatz von Carragelose-Sprays ist gerechtfertigt

Trotzdem zeigen sich auch erste deutsche Wissenschaftler bereits überzeugt von Carragelose-Sprays. Wissenschaftler des Universitätsklinikums Erlangen untersuchen derzeit gemeinsam mit dem österreichischen Pharmaunternehmen Marinomed Biotech ebenfalls Nasensprays mit Carragelose. Ihre Untersuchungen belegen nach eigenen Aussagen die antivirale Wirkung von Carragelose gegen Covid-19 in verschiedenen humanen Zellsystemen.

Ulrich Schubert, Virologe an der Uniklinik Erlangen, erklärt: "Zusammen mit der klinischen Untersuchung bilden die Laborbefunde die Basis für eine solide wissenschaftliche Begründung, dass Carragelose eine deutliche Wirkung gegen Sars-CoV-2 hat."

Die Bevölkerung könne mit einem solchen Spray "ihre persönlichen Schutzmaßnahmen zur Vorbeugung erweitern", sagt Schubert. "Angesichts der In-vitro-Daten bin ich davon überzeugt, dass der breite Einsatz von Carragelose-Sprays gerechtfertigt ist und einen Nutzen haben kann. Zum einen wirkt Carragelose praktisch nebenwirkungsfrei gegen Sars-CoV-2, zum anderen schützt sie auch gegen verschiedene Erkältungsviren, wofür es umfangreiche Belege aus dem Labor und aus klinischen Studien gibt.“

Mikrobiologe Timo Ulrichs: Bisherige Erkenntnisse vielversprechend

Mikrobiologe und Epidemiologe Timo Ulrichs hält die bisherigen Erkenntnisse für "sehr vielversprechend". Es sei sehr wahrscheinlich, dass Nasensprays, die andere Erkältungsviren abtöten, auch vor Coronaviren schützen. Allerdings braucht es weitere Studien mit einer größeren Anzahl an Teilnehmern, sagt er im Gespräch mit FOCUS Online.

Wer sich ein entsprechendes Spray bereits jetzt kaufen möchte, dem rät Ulrichs nicht davon ab. Die Anwendung sei "eher unbedenklich". Im schlimmsten Fall passiere gar nichts, Schaden nehme dann nur der Geldbeutel. Denn der natürliche Inhaltsstoff von "Algovir" sei allgemein gut verträglich, es könne auch nicht zu Abhängigkeiten kommen. Verbrauchern sollte allerdings bewusst sein: "Das Spray ist kein Ersatz für eine andere Schutzmaßnahme. Es sollte höchstens als Ergänzung dazu verwendet werden."

Abstandhalten und Masketragen seien immer noch Mittel der Wahl im Kampf gegen die Pandemie. "Alles andere kann helfen, aber man sollte sich nicht darauf verlassen und in falscher Sicherheit wähnen", betont Ulrichs. Wie schnell sich die Wirkung des Sprays entfaltet und wie lange sie anhält, sei noch ungeklärt. Auch wie stark beispielsweise Naseputzen den Schutz beeinflussen kann.

Außerdem verhindert ein Nasenspray vermutlich nicht, dass bereits Infizierte andere anstecken. Dies sei ein weiterer Grund, im Kontakt mit anderen Menschen auf die bekannten AHA-Regeln keinesfalls zu verzichten.

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene: Personal sollte Nasensprays nutzen

Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene empfiehlt medizinischem Personal bereits seit Dezember den Einsatz von Nasensprays mit dem Rotalgen-Wirkstoff. In einer Stellungnahme heißt es, zur Prävention von Covid-19 müssten alle infrage kommenden hygienischen Präventionsmaßnahmen ausgeschöpft werden, um insbesondere das medizinische Personal, aber auch die übrige Bevölkerung zu schützen.

Da ein großer Teil der Infizierten das Virus bereits vor Auftreten erster Symptome freisetze, seien vor allem Schutzmaßnahmen sinnvoll, die die Viruslast an den Eintrittspforten reduzierten.

Infektiologe Christoph Spinner: Lieber auf Impfung statt auf Nasenspray setzen

Skeptischer zeigt sich Virologe Christoph Spinner: Im Gespräch mit FOCUS Online betont er, dass es sich bei der argentinischen Studie um eine Vorveröffentlichung handelt, ihre Erkenntnisse seien "noch nicht in einem unabhängigen Begutachtungsverfahren verifiziert worden".

Die Zahl der Probanden sei zudem relativ klein. Unklar sei zudem, wie häufig Mittel wie Nasensprays tatsächlich angewendet werden müssen, um effektiv vor Coronaviren zu schützen. Außerdem könnte ihre Wirksamkeit von diversen Faktoren abhängen, die noch nicht vollständig erforscht seien.

Wer sich vor Covid-19 schützen wolle, sollte daher laut Spinner nicht auf ein Nasenspray vertrauen, sondern sich impfen lassen: "Am wirksamsten ist, sich impfen zu lassen. Das ist am besten durch Studiendaten gesichert. Damit wird nicht nur die Infektion, sondern auch der schwere Verlauf verhindert."

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