Gesundheit

Abzocke mit der Impfberatung! Was Sie über den besonderen Termin beim Arzt wissen müssen

Bayern, Baden-Württemberg und Berlin haben die Impfpriorität in den Arztpraxen aufgehoben. Millionen Menschen wittern nun die große Hoffnung auf einen begehrten Termin – und viele Ärzte die Chance auf das große Geld.

Nach FOCUS-Online-Recherchen unterscheiden Hausärzte und Arztpraxen zwischen Stammpatienten und Neupatienten.

  • Mehr zum Thema: Wann bin ich dran? – Erste Bundesländer kippen Priorität: Wie komme ich jetzt an einen Impftermin beim Arzt?

Stammpatienten haben die besseren Chancen und werden in der Regel bei der Corona-Impfung bevorzugt behandelt. Das trifft besonders jene Bundesbürger, die keinen Hausarzt haben oder in den vergangenen Jahren keinen Internisten oder HNO-Arzt aufsuchen mussten.

Besonders über die Neupatienten versuchen einige schwarze Schafe nun Profit zu schlagen. Wer in die Warteliste einer impfenden Praxis aufgenommen werden will, muss zuerst zur Impfberatung erscheinen. Ein Service, den die Ärzte als „Rund-um-Sorglos“-Paket oder „Corona-Impf-Check-Up“ verschleiern. Letztendlich geht es dabei aber auch um viel Geld.

Zehn Euro kann die Praxis pro Patienten beim Bund für die Corona-Impfberatung geltend machen. Impfen muss sie dafür nicht. Bei zehn Patienten pro Tag und 50 Patienten pro Woche würde die Praxis also pro Monat 2.000 Euro erhalten – und müsste dafür nicht einmal eine Dosis verimpfen. Für die Impfung selbst verrechnet die Praxis nämlich 20 Euro pro Patienten, wie der GKV-Spitzenverband erklärt. 

Was bringt die Impfberatung?

Seit April 2021 dürfen Hausärzte und Arztpraxen in Deutschland impfen. Und noch immer gibt es viele Fragen. „In diesen Impfberatungen wird man über die medizinische Vorgeschichte befragt und der Arzt klärt, inwiefern sich diese auf die Impfung auswirken kann“, schreibt etwa die Verbraucherzentrale auf Anfrage. Außerdem gibt es Informationen zu Nebenwirkungen sowie Folge- und Auffrischimpfungen.

Es gibt Empfehlungen, wie sich Impfberechtigte unmittelbar nach der Impfung verhalten sollten. Eine Impfberatung findet grundsätzlich immer vor der Impfung statt – üblicherweise am gleichen Tag.

Als Vorlage gilt dabei das Aufklärungsmerkblatt, welches Impfberechtigte beim Arzt vorlegen und unterschreiben müssen. Insgesamt kann also eine Impfberatung Sinn ergeben, wenn Fragen und Unklarheiten auftreten – und wenn eine Impfung schnell darauf anschließt.

 

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Darf der Arzt die Impfberatung zur Pflicht für die Warteliste machen?

"Wird etwa der falsche Eindruck erweckt, dass auf die Beratung gleich die Impfung folgt, könnte dies den Vorwurf der Vorspiegelung falscher Tatsachen und damit der irreführenden geschäftlichen Handlung begründen", erklärt Rechtsanwältin Nicole Mutschke von der Kanzlei Mutschke auf Anfrage von FOCUS Online. "Schließlich liegt es nahe, dass der auf eine Corona-Impfung hoffende Neupatient den Arzt ohne die Aussicht auf eine sofortige Impfung nicht aufgesucht hätte."

Die Rechtsexpertin betont, dass eine Beratung oder Aufklärung über die Behandlung zeitnah zur Behandlung erfolgen muss. "Vergeht zwischen Aufklärung und Impfung dann doch noch längere Zeit und haben sich etwa zwischenzeitlich Erkenntnisse über Risiken der Impfung geändert, stellt sich die Frage, ob der geimpft überhaupt richtig aufgeklärt wurde", so die Expertin.

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Fakt ist auch, die Impfberatung als eigenständiger Termin ist nicht verpflichtend. Sie wird unter dem Punkt „Vergütung ärztlicher Leistungen“ in der Coronavirus-Impfverordnung aufgeführt. Dort findet sich lediglich der Hinweis, dass Ärzte die Impfberatung auch telefonisch und per Video-Anruf durchführen können.

Dennoch wird die Impfberatung als indirektes Eintrittsgeld für die Warteliste von Arztpraxen ausgenutzt. Und auch deshalb ist sie möglicherweise rechtlich problematisch.  Die Kosten dafür übernimmt der Bund – und somit auch der Steuerzahler. Der GKV-Spitzenverband verweist mit Hinblick auf die Notwendigkeit dieses Termins auf das Bundesgesundheitsministerium. Dort heißt es wiederum, dass eine Impfberatung „je nach Einzelfall“ Sinn ergeben könne.

Einige Ärzte, die FOCUS Online konfrontierte, rechtfertigen sich damit, dass sie mit den angebotenen Impfberatungen Neu-Patienten kennenlernen und somit ein mögliches Risiko bezüglich Nebenwirkungen ausschließen wollen. Wie viele Corona-Impfberatungen sie durchgeführt haben und wie viele Impfungen letztendlich stattfanden, wollten die Ärzte nicht sagen. Auch wollten sie sich nicht äußern, wie viel Zeit zwischen Beratung und Impfung bisher im Schnitt vergangen ist.

Impfberatungstermine bekommen Patienten derzeit einfacher als die Corona-Impfung selbst.

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Um auf die Warteliste zu kommen: Soll ich trotzdem zur Impfberatung?

Impftermine sind heiß begehrt und begrenzt verfügbar. Ärzte arbeiten ihre bisherigen Impf-Wartelisten ab. Während erste Bundesländer die Priorisierung kippen, halten andere an der Priorisierung fest. Das Chaos ist perfekt, weil noch immer nicht genug Impfstoff verfügbar ist. Allein in die Gruppe 3 fallen mehrere Millionen Menschen, die allesamt seit Wochen einen Termin haben wollen und die auch einem größeren Risiko ausgesetzt sind, weil sie beispielsweise täglich bei Aldi an der Kasse sitzen. Zudem verschärfen Impfdrängler die Lage immer mehr.

Wer nur mit einer Impfberatung auf die Corona-Warteliste des Arztes kommt, muss das Angebot wohl oder übel annehmen.

Wann zündet Deutschland endlich den Impfturbo?

Deutschland impft derzeit im soliden dritten Gang. Über 1,5 Millionen Impfungen sind es am Tag – Experten sagen aber, dass deutlich mehr gehen würde, wenn mehr Impfstoff verfügbar wäre.

Im Juni kommt dieser auch in hohen Mengen in Deutschland an. Gleichzeitig finden aber auch viele Abschlussimpfungen statt. Besonders aus der Priogruppe 2 und 3 erhalten viele dann ihre Zweitimpfung. Es ist unklar, wie sich das insgesamt auf die Erstimpfungen auswirkt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sprach von "relativ mehr Zweitimpfungen", die derzeit im Fokus stehen.

Nach einer Daten-Simulation des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland könnte jeder Bundesbürger bis Anfang Juli eine Erstimpfung erhalten. Bei der Prognose aus der Vorwoche galt Ende Juni noch als das angestrebte Ziel.

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