Noch im Spätsommer könnte es soweit sein: Dann sollen die ersten Menschen hierzulande eine dritte Impfung gegen das Coronavirus erhalten. FOCUS Online erklärt, welche Personen laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dafür in Frage kommen.
Als vollständig gegen Corona geimpft gelten aktuell alle Personen, die zwei Impfdosen erhalten haben. Damit sollten sie vor einer schweren Infektion mit dem Coronavirus geschützt sein – eigentlich. Denn Meldungen aus Israel, wo die Impfkampagne schon weiter fortgeschritten ist als hierzulande, stellen eine langfristige Schutzwirkung der Corona-Vakzine in Frage.
Impfwirkung könnte nach sechs Monaten nachlassen
„Wie anhand der vom israelischen Gesundheitsministerium erhobenen Daten aus der praktischen Anwendung bereits deutlich wurde, sinkt die Schutzwirkung des Impfstoffs gegenüber Infektionen und symptomatischen Erkrankungen sechs Monate nach der zweiten Impfung“, erklärten die Hersteller Pfizer und Biontech vergangenen Donnerstag in einer gemeinsamen Mitteilung. Auf Basis der bisher vorliegenden Daten sei es demnach wahrscheinlich, „dass eine dritte Dosis innerhalb von sechs bis zwölf Monaten nach der vollständigen Impfung erforderlich sein wird“.
Besonders alte und kranke Menschen sind gefährdet, einen schweren Verlauf nach einer Infektion mit Sars-CoV-2 zu erleiden. Sie haben zwar in den meisten Fällen bereits ihre beiden Impfungen erhalten. Sie zählten ja zur ersten Priorisierungsgruppe. Nun ist die erste Impfung bei vielen dieser Menschen allerdings auch schon bald sechs Monate her. Eine bereits nachlassende Impfwirkung in den kommenden Wochen, ist also denkbar.
Spahn plant dritte Impfung für „Low Responder“
Aus diesem Grund plant Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für diese Personen eine Auffrischungsimpfung. Eine dritte Impfung für Menschen mit nachlassendem Immunsystem oder in hohem Lebensalter mache Sinn, sagte er am Dienstag. Er sprach von dritten Impfungen im Herbst – etwa für Pflegeheimbewohner und andere Menschen, die bei Coronavirus-Infektion mit einem schweren Krankheitsverlauf rechnen müssten.
Für die Gruppe der „Low Responder“, deren Immunsystem auf die zweifache Impfung nur mit einem eher niedrigen Schutz reagiere, werde der Schutz mit der dritten Impfung deutlich höher. Als „Low Responder“ gelten vor allem ältere Menschen und Personen mit einem eingeschränkten Immunsystem.
„Deswegen werden wir diesen Gruppen wohl im September, Oktober die dritte Impfung anbieten“, sagte Spahn. „Der 30-jährige gesunde, zweifach Geimpfte braucht wahrscheinlich diese Auffrischung nicht.“
Die dritte Impfung soll vom Immunsystem noch ein weiteres Mal eine Antikörperantwort fordern. Der Schutz gegen Sars-CoV-2 und insbesondere gegen ansteckendere Virusvarianten wie Delta, wäre damit noch höher, so Spahn.
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Vier Gruppen könnten schon im Herbst die dritte Dosis bekommen
Wie der „Busisness Insider“ erfahren haben will, sprachen sich neben dem Bundesgesundheitsminister auch das Robert-Koch-Institut (RKI), das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und die Ständige Impfkommission (Stiko) für diese Booster-Impfung für bestimmte Personengruppen aus.
Bekommen sollen sie all diejenigen, die besonders gefährdet sind. Das sind in erster Linie diese vier Gruppen:
1. Ältere Menschen
Bei älteren Menschen kann es grundsätzlich vorkommen, dass die Impfung nicht so eine starke Immunantwort auslöst wie bei Jüngeren. Das erklärt auch, wieso es etwa in verschiedenen Pflegeheimen trotz Impfungen in den vergangenen Monaten bereits erneut zu Ausbrüchen gekommen war.
Um dieses Phänomen besser zu verstehen, hatte ein Forschungsteam der Charité zuletzt einen solchen Ausbruch in einer Berliner Einrichtung analysiert und die Immunreaktion älterer Menschen auf die Impfung untersucht. Die im Fachblatt „Emerging Infectious Diseases“ veröffentlichten Ergebnisse deuten auf eine verzögerte und leicht reduzierte Immunantwort bei Älteren hin. Aus diesem Grund erscheint es also sinnvoll, älteren Menschen schon bald ein drittes Vakzin zu verabreichen.
„Ich gehe davon aus, dass wir bei älteren Menschen, die zu Beginn dieses Jahres ihre Erst- und Zweitimpfung erhalten haben, eine nachlassende Immunantwort sehen werden“, bestätigt Immunologe und Stiko-Experte Leif-Erik Sander. Er hält es für möglich, dass es ohne Auffrischungsimpfung im Winterhalbjahr zum Beispiel in Alten- und Pflegeheimen sonst zu zusätzlichen Infektionen kommen könnte, mit „einem gewissen JoJo-Effekt“. Das sieht auch Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, so: „Es ist überfällig, zu reagieren“, so der Patientenschützer.
Und auch Carsten Watzl, der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, twitterte unlängst: „Ältere Personen mit hohem Risiko für schwere Verläufe könnten bei Delta ein Problem bekommen, wenn die Impfung bei ihnen nicht so gut gewirkt hat. Daher werden solche Personen vor dem Herbst eine dritte Impfung benötigen.“
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2. Patienten nach einer Organtransplantation
Im Mai hatte eine US-Studie gezeigt, dass Impfungen bei Patienten, die nach Organtransplantationen dauerhaft immunsupprimierende Medikamente einnehmen müssen, nur eine beschränkte Wirkung haben. Auch nach der zweiten Dosis eines mRNA-Impfstoffs kam es nur bei etwa der Hälfte der rund 650 untersuchten Patienten zum Anstieg von Antikörpern gegen Sars-CoV-2.
Wird ein Organ transplantiert, müssen Patienten lebenslang Medikamente einnehmen, die verhindern, dass der Körper das fremde Organ abstößt. Man spricht hier von Immunsuppressiva, die Präparate unterdrücken die Abwehrreaktion des Immunsystems. Damit sind Patienten anfälliger für Infektionen und auch die Wirksamkeit von Impfstoffen ist geschwächt. Das bestätigte auch Stiko-Chef Thomas Mertens Ende Juni. Bislang gebe es nur vorläufige Daten. Diese zeigten allerdings, „dass die Immunantwort in Abhängigkeit zur Immunsuppression bei Organtransplantierten viel schlechter sein kann. Sie liegt dann nur noch bei 50 Prozent.“ Bei einem solchen Mangel an Immunschutz wäre relativ kurzfristig eine Nachimpfung zu empfehlen. Auch solche Patienten gehören damit zu der von Spahn angesprochenen Gruppe der Menschen, die noch in diesem Herbst ihre dritte Corona-Impfung bekommen sollen.
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3. Krebspatienten
Auch Krebspatienten nehmen häufig Medikamente ein, die die Immunreaktion unterdrücken. Zwar hatte unlängst eine Anitkörperstudie darauf hingewiesen, dass die Immunantwort bei ihnen besser ist, als befürchtet. Wie wirksam die Corona-Impfstoffe bei ihnen in ihrer individuellen Erkrankungssituation allerdings sind, kann zum jetzigen Zeitpunkt laut Deutschem Krebsforschungszentrum noch nicht sicher beantwortet werden. Gleiches gelte auch für eine Corona-Impfung unter bestimmten Krebstherapien wie einer Chemotherapie.
Denn Personen, deren Immunsystem durch die Krebserkrankung oder die Krebstherapie stark unterdrückt ist, sind unter den Probanden der bisherigen Zulassungsstudien nicht vertreten. Experten gehen aber davon aus, dass die Impfung bei Menschen mit beeinträchtigtem oder unterdrücktem Immunsystem nur eingeschränkt wirksam ist.
Onkologen sprachen sich im April sogar dafür aus, Betroffenen früher eine zweite Impfdosis zu verabreichen. Schon drei Wochen nach der ersten Impfung sollten Krebspatienten die zweite Dosis erhalten, erklärten etwa Forscher vom Francis Crick Institute in London, nachdem sie die Antikörperkonzentration von Krebspatienten mit denen von Gesunden nach der Impfung verglichen hatten. Neben einer verfrühten Zweitimpfung erscheint es ebenfalls logisch, diesen Risikopatienten zusätzlich eine dritte Impfung zu verabreichen.
4. Rheumapatienten
Reduziert ist die Immunantwort auf die Covid-19-Impfung laut Stiko-Chef Thomas Mertens auch bei Rheumapatienten. Wie die Deutsche Rheuma-Liga schreibt, bilden zwar die meisten Rheumapatienten nach der Impfung schützende Antikörper – die Antikörperbildung scheint aber etwas schwächer ausgeprägt zu sein als bei gesunden Menschen. Dabei beruft sich die Liga auf erste Studienergebnisse.
Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie geht hingegen davon aus, dass der Großteil der Medikamente den Impferfolg nicht gefährdet. Eine Ausnahme bilde das Medikament Rituximab, das möglichst in größerem zeitlichem Abstand zur Impfung gegeben werden sollte. Von einem generellen Absetzen oder Pausieren rät die Fachgesellschaft allerdings ab. Rheumapatienten könnten somit ebenfalls zu den Gruppen zählen, die als erstes eine dritte Impfung bekommen.
Israel und Russland verabreichen schon jetzt dritte Dosis
Deutschland will im Spätsommer bzw. frühen Herbst mit den Drittimpfungen beginnen. Auch Großbritannien plant, damit ab September zu starten. In Israel können sich immungeschwächte Personen hingegen schon jetzt mit einer dritten Dosis gegen das Coronavirus impfen lassen. Der israelische Gesundheitsminister Nitzan Horowitz sagte dem Sender Kan, für solche bereits zweimal geimpften Patienten stehe der Impfstoff des Anbieters Moderna zur Verfügung. Das Virus werde „uns noch lange begleiten“.
Man müsse mithilfe einer „Corona-Routine“ einen Weg finden, ohne zu starke Einschränkungen in seinem Schatten zu leben. Und auch in Russland wird bereits mit Impfungen aufgefrischt, auch, um sich gegen die Delta-Variante zu wappnen. Zusätzlich zum dort am häufigsten verabreichten Impfstoff Sputnik V bekommen Personen dort mittlerweile eine weitere Einmaldosis, Sputnik-Light.
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