Gesundheit

Stress, Streit, Einsamkeit: Wenn die Feiertage gar nicht fröhlich sind – und was dagegen hilft

Die Weihnachtszeit. In Film, Fernsehen und der Werbung wird sie uns als etwas Gemütliches verkauft, als eine Zeit der Besinnlichkeit, der Wärme, der Liebe und der Familie. Doch die Realität sieht häufig ganz anders aus. Besonders in diesem Jahr der Corona-Pandemie. Statt einem Fest im großen Kreis wird es beschaulicher. Viele bleiben unter sich und reisen gar nicht zu den Großeltern oder Eltern. 

Corona, die Isolation, der Lockdown und seine Auswirkungen – all das belastet uns seit Monaten. Das geht auch auf die Psyche. Für viele ist Weihnachten deshalb ein kleiner Lichtblick. Gemütliches Beisammensein mit der Familie, auch wenn es nur die Kernfamilie ist. Leckeres Essen und tolle Geschenke. 

Doch Weihnachten bedeutet für viele auch Stress pur. Weil man alleine das Weihnachtsessen zubereiten muss. Weil Streitereien drohen oder gar vorprogrammiert sind. Weil man noch auf den letzten Drücker Geschenke besorgen muss. Hinzu kommt bei manchen auch die Einsamkeit. Etwas, das besonders in diesem Jahr aufs Gemüt schlägt. Im schlimmsten Fall könne es sogar zu körperlichen Zusammenbrüchen kommen, warnen Experten. 

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Studie: Menschen in Weihnachtszeit schlechter gestimmt

Forscher der Universität Göttingen kamen schon 2015 in einer Studie zum Schluss, dass viele Europäer Weihnachten eher als belastende und stressige Zeit empfinden: "Im Allgemeinen waren Umfrageteilnehmer, die in der Weihnachtszeit befragt wurden, deutlich schlechter gestimmt und weniger zufrieden mit ihrem Leben als die Menschen, die zu anderen Zeiten im Jahr befragt worden waren", heißt es in der Studie.

Eine Ausnahme bilden dabei allerdings gläubige Menschen: "Christen, vor allem jene, die sich selbst als sehr religiös einstufen, sind in der Vorweihnachtsphase positiver eingestellt und zufriedener mit ihrem Leben", so Professor Mutz, einer der Leiter der Studie. Das Wohlbefinden werde bei Christen in dieser Zeit weniger negativ beeinflusst als bei Nicht-Christen.

Der von vielen Menschen empfundene Mangel an Lebensqualität und emotionalem Wohlbefinden gehe laut Studie auf den vorweihnachtlichen Trubel und die wachsende Ausrichtung auf materiellen Konsum zurück, die mit der Weihnachtszeit einhergingen. "Viele fühlen sich gestresst durch den Druck, rechtzeitig Geschenke kaufen und die mit den Feiertagen verbundenen gesellschaftlichen Verpflichtungen erfüllen zu müssen. Finanzielle Sorgen werden oft als zusätzliche Belastung empfunden", so Mutz. Christliche Menschen würden in der Vorweihnachtszeit hingegen weniger materialistisch und konsumorientiert handeln.

Aber nicht nur Stress ist ein Faktor. Das Online-Programm "Selfapy", das Hilfe bei psychischen Problemen anbietet, nennt hohen Erwartungsdruck als Problem: "Unser Streben nach dem 'perfekten' Weihnachtsfest endet nicht selten in den sprichwörtlichen Scherben, weil wir uns und unseren Lieben zu viel Druck machen. Da kann ein unterdrückter Konflikt, der wochenlang unter der Oberfläche brodelte, auch gern mal während der Bescherung explodieren", heißt es auf der Internetseite von "Selfapy". Auch gegensätzliche Wünsche von Partnern oder der Familie seien Zündstoff. 

Schluss mit Winterblues


Lichttherapie: Wie eine Tageslichtlampe Winterdepressionen entgegenwirken kann

"HelloBetter", ein psychologisches Online-Training, rät bei Stress an Weihnachten, sich aufzuschreiben, wie ein schiefgelaufenes Weihnachtsfest aussehen könnte. Daran könne man ablesen, welche Erwartungen man hat. Nachdem man sich die Punkte in Ruhe noch mal durchgelesen hat, solle man in sich gehen und sich fragen, was man davon positiv beeinflussen kann und wie. 

Die dunkle Jahreszeit verschlimmert die Sorgen

Streit und Stress sind die eine Seite. Doch manche Menschen plagt an den Feiertagen die Einsamkeit, wenn sie diese Zeit alleine zu Hause verbringen. Für Menschen, die sich ohnehin einsam fühlen, wird die Einsamkeit zu dieser Zeit noch mal besonders deutlich – und ganz besonders jetzt an diesem Corona-Weihnachten. "Erinnerungen an vergangene Zeiten, zu denen der Heilige Abend vielleicht noch mit Familie oder Partner verbracht wurden, werden wach und verursachen Traurigkeit oder negative Gefühle", so "Selfapy". Betroffene seien traurig und ziehen sich zurück, so die Oberberg Kliniken, ein Verbund von Fachkliniken.

Falls man an Weihnachten doch alleine und einsam ist, rät "HelloBetter", sich selbst schöne Momente zu machen, zum Beispiel mit einem schönen Spaziergang, einem heißen Bad oder einem guten Buch. Weitere Möglichkeiten, um die Festtage nicht einsam zu verbringen, seien auch ehrenamtliche Hilfe, digitale Feiern oder andere Menschen suchen, die an Weihnachten alleine sind. 

Zusätzlich schlägt der Winter noch emotional drauf. Die Dunkelheit, Kälte und das nasse Wetter sorgen für einen "Winter-Blues" und düstere Gedanken. Die depressive Symptomatik, die sich durch Antriebslosigkeit oder Freudlosigkeit kennzeichnet, komme in der Adventszeit verstärkt zum Vorschein. Man spreche dann von Weihnachtsdepression, so "Selfapy". "HelloBetter" rät, aktiv zu sein – ob draußen oder drinnen – und die Zeit zu nutzen. Besonders frische Luft und Licht könnten schlechter Stimmung entgegenwirken. Auch eine richtige Ernährung spiele eine Rolle. 

Doch mit Ende der Feiertage ist es oftmals nicht vorbei. So geben die Oberberg Kliniken an, dass viele Menschen auch zu Beginn des neuen Jahres in ein psychisches Loch fallen. Dies bezeichne man auch als "Entlastungsdepression". Besonders Frauen seien betroffen, da diese sich meist um die Organisation des Festes kümmern würden. "Vergleichbar ist Weihnachten mit einer wichtigen Prüfung, die man mit Bravour gemeistert hat, in deren Folge sich das Hochgefühl – bedingt durch Hormonausschüttungen – jedoch nicht so richtig einstellen mag. Dies führt zu Irritationen und bringt so machen zum Grübeln", so die Kliniken auf ihrer Internetseite.

Tipps gegen Stress und Weihnachtsdepression

Die Kliniken berichten, dass sich an den Weihnachtstagen vermehrt Menschen mit Problemen an Krisenhilfen wenden würden. Dass die Suizidrate zu Weihnachten steige, sei statistisch aber nicht belegt. Nach den Feiertagen und zu Beginn des neuen Jahres sei sie dennoch überdurchschnittlich hoch.

Aber was kann getan werden, um Stress und Depression zu Weihnachten vorzubeugen? Und was, wenn man schon mittendrin steckt? Hier ein paar Tipps:

  • Versuchen Sie sich Weihnachten keinen Stress zu machen und die Erwartungen an das Fest niedrig zu halten.
  • Sprechen Sie offen mit der Familie oder ihrem Partner/ihrer Partnerin über Vorstellungen und Wünsche und reduzieren Sie belastende Aufgaben. So könnten etwa Aufgaben am Heiligabend verteilt werden.
  • Hobbys oder Sport sollten zur Weihnachtszeit nicht zu kurz kommen, denn sie können unsere Akkus aufladen und einem Halt und Balance geben. Eine Runde Joggen oder ein ausgedehnter Spaziergang können schon guttun.
  • Angst Weihnachten alleine zu verbringen? "Selfapy" rät in diesem Fall aktiv auf andere zuzugehen und zu fragen, ob man gemeinsam feiern möchte. Oder man sucht sich andere Alleinstehende. Kirchen oder Beratungsstellen bieten oftmals Hilfe an. Wenn Sie jemanden kennen, der Weihnachten einsam sein wird, gehen Sie auf ihn zu und fragen nach.
  • Geben Sie sich und anderen Raum, um sich auch mal zurückzuziehen und inne halten zu können. So können Streitigkeiten vermieden werden.
  • Versuchen Sie es mit Achtsamkeitsübungen. So können Sie etwa an einem ruhigen Ort sitzen, den Blick geradeaus und die Atmung bewusst wahrnehmen, zum Beispiel das Ein- und Ausatmen mitzählen. Oder sie setzen sich nach draußen und versuchen, Ihre Aufmerksamkeit auf die Vorgänge um Sie herum zu lenken und auf Ihre Sinne zu hören (Was höre, sehe, rieche ich?). Bei beiden Übungen ist es wichtig, andere Gedanken und Gefühle ziehen zu lassen.
  • Wenden Sie sich an die Telefonseelsorge. Die Berater sind 365 Tage im Jahr rund um die Uhr erreichbar. Es besteht auch die Möglichkeit einer Chat-Beratung. Unten finden Sie die Telefonnummern. In akuten psychischen Notfällen kann man sich auch an den Notruf 112 oder den ärztlichen Bereitschaftsdienst unter 116 117 wenden. 

Sie haben suizidale Gedanken?

Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222 erreichbar. Auch eine Beratung über E-Mail ist möglich. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text wurde am 22.12.2019 veröffentlicht – er wurde aktualisiert und ergänzt. 

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