Gesundheit

Während Zweifel an Corona-Zahlen in Italien steigen, gibt es eine neue Theorie zum Ausbruch

Obwohl Italien als eines der ersten Länder in Europa das öffentliche Leben auf ein Minimum heruntergefahren hat, breitet sich das Coronavirus weiter aus. Ein italienischer Wissenschaftler untersucht jetzt, ob das Virus möglicherweise schon viel früher in Europa ausgebrochen ist, als bislang angenommen.

Wie der Epidemiologe Adriano Decarli von der Universität Mailand der Nachrichtenagentur "Reuters" sagte, habe es im dritten Quartal 2019 eine signifikant höhere Zahl von Grippeerkrankungen und Lungenentzündungen in der Lombardei gegeben. Laut Decarli seien es Hunderte Fälle mehr als üblich gewesen, ohne aber genaue Zahlen zu nennen. Einige Patienten seien gestorben. Betroffen gewesen seien zu jenem Zeitpunkt vor allem die Regionen um Mailand und Lodi.

"Wir wollen wissen, ob das Virus Ende 2019 bereits hier in Italien war"

Decarli prüft nach eigenen Angaben jetzt anhand von Krankenhausakten und anderen klinischen Details, ob das Coronavirus bereits früher in Italien ausgebrochen ist. "Wir wollen wissen, ob das Virus Ende 2019 bereits hier in Italien war, und – wenn ja – warum es über einen relativ langen Zeitraum unentdeckt blieb", sagte er "Reuters". So hätte man bereits ein klares Bild, sollte man mit einer zweiten Epidemiewelle konfrontiert werden.

Sollte an der Theorie etwas dran sein, dann dürfte auch die Zahl der am Coronavirus erkrankten sowie gestorbenen Menschen deutlich höher sein, als bisher angenommen.

Medizinprofessor zweifelt Decarlis Theorie an

Es gibt aber auch eine Gegenbehauptung zu der von Adriano Decarli angeführten Theorie, das Coronavirus sei bereits Ende 2019 in Europa ausgebrochen. So sagte Paul Hunter, Medizinprofessor an der britischen Universität von East Anglia, er halte es für äußerst unwahrscheinlich, dass das Coronavirus schon vor Januar dieses Jahres in Europa aufgetreten ist.

Immer mehr Politiker halten offizielle Infektions- und Todeszahlen für viel zu niedrig

Derweil wachsen in Italien zurzeit die Zweifel an den offiziellen Zahlen zur Ausbreitung des Virus. In Norditalien melden sich immer mehr Politiker und Behördenvertreter zu Wort, die die offiziellen Infektions- und Todeszahlen für viel zu niedrig halten. So wurden in Nembro bei Bergamo offiziell bislang nur 31 Todesfälle gemeldet, wie Bürgermeister Claudio Cancelli und der Behördenmitarbeiter Luca Foresti am Donnerstag in der Zeitung "Corriere della Sera" schrieben.

"Etwas an dieser Zahl hat uns nicht überzeugt und deshalb haben wir uns die Statistiken zu den durchschnittlichen Sterbefällen in der Gemeinde aus den Vorjahren in der Zeit von Januar bis März angeschaut", schrieben die beiden Männer. "Die Zahl der Sterbefälle müsste unter normalen Umständen bei ungefähr 35 liegen. In diesem Jahr haben wir aber 158 (Sterbefälle) verzeichnet, also 123 mehr als im Durchschnitt." Die Zahl 31 könne also nicht stimmen.

Nach Angaben der beiden Männer gibt es ähnliche Auffälligkeiten in anderen Orten der Region, vor allem in Cernusco sul Naviglio. Dort gab es demnach sechs Mal mehr Tote als in der offiziellen Coronavirus-Statistik auftauchen. Claudio Furlan/LaPresse via ZUMA Press/dpa Medizinische Mitarbeiter in Schutzanzügen stehen mit einem Patienten in einem Notfallzelt in Brescia (Lombardei)

Am Mittwoch hatte auch schon der Bürgermeister der stark betroffenen Stadt Brescia Alarm geschlagen, dass die Zahl der Infektions- und Todesfälle viel höher sei als offiziell angegeben. Viele Kranke seien bei sich zu Hause "und wir wissen nicht, wie es ihnen geht", erklärte Emilio Del Bono.

Italien ist, nach China und den USA, das am drittstärksten vom Virus betroffene Land. Nach Angaben der Johns Hopkins Universität haben sich mehr als 80.500 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. 8215 Menschen sind bereits gestorben. Der Regionalpräsident der Lombardei, Attilio Fontana, sagte, die Zahlen seien "nicht gut" und würden ihm Sorge bereiten. Die Lombardei gilt als Epizentrum des Coronavirus.

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