Persönliche Gesundheit

„Brain Freeze“ und künstlicher Winterschlaf gegen das Vergessen

Fast 1,8 Millionen Deutsche haben Demenz. Immer mehr Menschen leiden an der Volkskrankheit. Forscher suchen deshalb nach neuen Methoden, den Verfall des Gehirns aufzuhalten. Eine davon: Der sogenannte „Brain Freeze“.

Einen „künstlichen Winterschlaf“ nennt Mediziner Sven Wellmann den Zustand, in den er eine Patienten versetzt. Der Chefarzt des St. Hedwig Krankenhaus Barmherzige Brüder in Regensburg kühlt ihr Gehirn für etwa 72 Stunden herunter, erzählt er dem „Spiegel“ . Sein Ziel: Nervenzellen schützen. Er nennt die Methode auch „Brain Freeze“.

„Brain Freeze“ soll Gehirn schützen

Wellmann etwa behandelt Kinder, deren Gehirne unter der Geburt unter starkem Sauerstoffmangel gelitten hatten. „Dabei werden Überlebensmechanismen aktiviert, die den Körperzellen helfen, Zeiten des Mangels besser zu überstehen und das Gehirn vor Folgeschäden zu schützen“, erklärt er den Kühlprozess.

Ganz unumstritten ist die Methode jedoch nicht. Denn: Das oberste Gebot sei es, Neugeborene nach der Geburt warmzuhalten. Bei 37 Grad Celsius. Für den „Brain Freeze“ muss die Temperatur jedoch auf 33,5 Grad abgekühlt werden. Zu viel Kälte könne gefährliche Folgen haben, etwa den Kreislauf stark verlangsamen oder diesen sogar zum Stillstand bringen.

Forscher suchen daher nach einer anderen Möglichkeit, sich die „Brain Freeze“-Methode zu Nutze zu machen – ohne dabei eine Unterkühlung zu riskieren. Ein Wissenschaftsteam aus Berlin will nun einen passenden Wirkstoff gefunden haben, mit dem sich neurodegenerative Erkrankungen aufhalten lassen sollen. Und das, ohne dass der Körper dabei zu sehr herunterkühlt.

Berliner Forscher finden Wirkstoff, der Organismus in Winterschlaf versetzt

„Wir haben einen Weg gefunden, dass wir den positiven Effekt von einer niedrigeren Körpertemperatur hervorrufen können, ohne dass wir diese niedrigere Körpertemperatur brauchen“, zitiert der „Spiegel“ Studienautor Florian Heyd. Im Versuch mit Mäusen habe sich der Wirkstoff bereits bewährt.

Das Team habe in den Laborversuchen mithilfe eines molekularbiologischen Verfahrens ein bestimmtes Gen im Körper aktiviert: RBM3. Dieses ist in der Regel dann aktiv, wenn die Körpertemperatur unter einen bestimmten Wert sinkt. Bei Säugetieren etwa im Winterschlaf, ihr Körper fährt dann herunter, in eine Art Energiesparmodus. Zudem bilden ihre Körper während dieses Zeitraums sogenannte Kälteschockproteine.

Gemeinsam mit Wissenschaftlern der University Camebridge stellen die Berliner Forscher fest, dass die Tiere dadurch in einen Schutzzustand versetzt wurden. Ihre Gehirne waren auch danach noch über mehrere Wochen geschützt, in diesem Fall vor einer, bei der schädliche Proteine im Gehirn verbreiten, der sogenannten Prionenkrankheit. Bei den Mäusen, die nicht heruntergekühlt wurden, wurde die Krankheit schlimmer.

Mit Genmanipulation gegen Alzheimer und Parkinson

Die Forscher fanden schließlich eine Möglichkeit, mittels Genmanipulation Kälteschockproteine herzustellen – auch in den Mäusen, die zuvor nicht heruntergekühlt wurden. Das gelang mithilfe eines sogenannten Antisense-Oligonukleotid (ASO). Und von genau diesem erhoffen sich die Forscher nun, es künftig auch beim Menschen bei Alzheimer und Parkinson anzuwenden, mittels Spritze. Wie und ob das funktionieren wird, bleibt abzuwarten. Denn, ob der Körper dieses aufnehmen kann – oder gar eine Abwehrreaktion auslöst – müssen die Wissenschaftler noch überprüfen. Im nächsten Schritt an Ferkeln, deren Organismus dem des Menschen sehr ähnlich sei.

Hoffnung gibt es jedoch: Denn, wie der „Spiegel“ berichtet, führte das ASO-Verfahren in der Vergangenheit bereits zu einem zugelassenen Medikament. Kinder, die eine angeborene Muskelschwäche haben, erhalten es, um ihre Muskeln zu stärken. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Forscher im Fachblatt „EMBO Molecular Medicine“ .

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