Coronavirus: Wissenschaftliche Untersuchungen zu Übertragungswegen
Es ist bekannt, dass das Coronavirus SARS-CoV-2 von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Der Hauptübertragungsweg scheint nach derzeitigen Erkenntnissen die Tröpfcheninfektion zu sein. Doch vieles, was die Ansteckungsgefahr betrifft, ist noch unklar. Forschende beschäftigen sich daher mit den verschiedenen Übertragungswegen.
Das neuartige Coronavirus wird wohl vor allem per Tröpfcheninfektion übertragen und hier am wahrscheinlichsten über die Nase, wie eine Studie vor kurzem zeigte. Außerdem gibt es Hinweise, dass SARS-CoV-2 über Aerosole übertragen werden kann, erklärt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) auf ihrem Portal „infektionsschutz.de“. Auch eine Übertragung über Fäkalien scheint möglich. Doch eine abschließende Bewertung ist zum jetzigen Zeitpunkt noch schwierig.
Noch keine abschließende Klärung
Wie genau das Coronavirus SARS-CoV-2 verbreitet wird – ob vor allem über eine Tröpfcheninfektion oder doch eher über Aerosole in der Atemluft – ist noch nicht abschließend geklärt, heißt es in einer aktuellen Mitteilung der Technischen Universität (TU) Berlin.
Wenn eine Corona-infizierte Person hustet, spricht oder niest, wird ein Strahl an unterschiedlich großen Tröpfchen und Aerosolen erzeugt, der in die Raumluft eindringt und sich dort ausbreitet. Alle diese unterschiedlich großen Tröpfchen und Aerosole können potenziell Viren enthalten.
Wie diese Partikel sich verhalten, ob und wann sie zu Boden sinken, wie weit sie sich verteilen, in der Luft stehen bleiben oder wo sie sedimentieren, ist ein aktuelles Forschungsthema von Prof. Dr. Martin Kriegel, Leiter des Hermann-Rietschel-Instituts an der TU Berlin.
Verweilzeit von Erregern in der Luft wird untersucht
„Wir untersuchen in verschiedenen Projekten die Verweilzeit von Erregern in der Luft unter den verschiedensten Bedingungen“, erklärt Martin Kriegel.
Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, inwiefern die Ausbreitung des Virus von der Zusammensetzung und Größenverteilung der Partikel innerhalb der ausgeatmeten Luft (Aerosol) abhängt.
Bei einem Aerosol (in der Luft schwebende Tröpfchenkerne kleiner als 5 Mikrometer; zum Vergleich: Ein menschliches Haar hat eine Dicke von etwa 100 Mikrometern) handelt es sich um kleinste, flüssige oder feste Partikel (das können beispielsweise Viren sein, einzeln oder im Verbund mit Speichelflüssigkeit oder auch Ruß, Feinstaub etc.) in einem Gas, üblicherweise Luft.
Auch das Raumklima und Lüften spielen eine Rolle
„Für das Corona-Virus scheint sich herauszustellen, dass sowohl Tröpfcheninfektionen als auch die luftgetragene Übertragung, also über Aerosole, relevant sind“, sagt Martin Kriegel.
Wie in der Mitteilung erklärt wird, gelangen bei einer Tröpfcheninfektion die Viruspartikel in einem Speicheltröpfchen direkt auf die Schleimhäute eines anderen Menschen. Bei einer luftgetragenen Übertragung gelangen die Erreger – gebunden in kleinsten flüssigen Partikeln – in die Atemwege.
Für das Verhalten von Viren in der Luft ist die Größe der Träger-Aerosole entscheidend, doch auch das Raumklima, die Luftwechselrate und die Art und Weise, wie gelüftet wird.
„Größere Partikel sinken schneller zu Boden. Kleinere Partikel folgen dem Luftstrom und können lange in der Luft verbleiben“, so Martin Kriegel.
Kleinere Partikel in der Raumluft – größere fallen zu Boden
Den Angaben zufolge erfolgt die Ausbreitung im Raum der Mischung aus Partikeln, Speichel und Luft, die beim Sprechen, Husten und Niesen entsteht, in zwei Schritten.
Zunächst wird durch das Husten/Sprechen/Niesen ein Strahl erzeugt, der in die Raumluft eindringt und sich zunehmend mit dieser vermischt. Der Verlauf des eintretenden Strahls ist dabei laut den Fachleuten abhängig von verschiedenen Randbedingungen wie der Geschwindigkeit, der Turbulenz, der Temperaturdifferenz zwischen dem Strahl und der Umgebungsluft sowie der Differenz der Luftfeuchtigkeit.
Aus verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen ist bekannt, dass beim Sprechen/Husten/Niesen Partikel von 0,01 μm bis 1500 μm auftreten.
„Nach vollständiger Vermischung des Strahls mit der Raumluft erfolgt die Verteilung“, erläutert Martin Kriegel.
„Die kleineren Partikel folgen weitgehend der Raumluftströmung, während größere Partikel sukzessive zu Boden fallen. Häufig unbeachtet wird die Tatsache, dass der Mensch nur beim Niesen sehr große Partikel emittiert. Beim normalen Sprechen und Husten werden fast ausschließlich kleine Aerosole generiert.“
Bestimmte Umstände begünstigen die weitere Ausbreitung im Raum
In verschiedenen Projekten haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die sogenannte Sedimentationszeit (Ablagerungszeit) von Partikeln verschiedener Größenklassen gemessen. Kleine Partikel (0,5 bis 3 μm) sind demnach nach einer Messzeit von 20 Minuten noch nahezu vollständig in der Luft vorhanden.
Eine Ablagerung dieser Partikel ist nicht oder lediglich geringfügig erkennbar. Für mittlere Partikel (3 bis 10 μm) sind nach einer Messzeit von 20 Minuten jedoch noch mehr als 50 Prozent in der Luft zu finden.
„Eine weitere Studie zeigt, dass sich selbst größere Tröpfchen (>60 μm) unter bestimmten Umständen weit im Raum ausbreiten können. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die Partikel im Auftriebsstrom von Wärmequellen (zum Beispiel von einer Person) emittiert werden. Sie steigen auf, verteilen sich horizontal und fangen erst dann an, sich abzulagern. Eventuelle horizontale Luftbewegungen verstärken den Verbreitungseffekt noch“, erklärt Martin Kriegel.
Jede Erhöhung der Außenluftzufuhr ist sinnvoll
Im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme eines Berufsalltags in einem mit mehreren Menschen besetzten Büro haben die Forschenden auch die Partikelausbreitung in einem mit vier Personen besetzten Büro mit und ohne maschineller Lüftung simuliert.
„Dabei zeigt sich, dass gerade kleinere Partikel unter 50 μm sich ohne eine maschinelle Lüftung weit im Raum verbreiten und lange verweilen. Im Gegensatz dazu breiten sich Partikel zwischen 5 und 20 μm in einem Raum mit maschineller Lüftung weniger weit aus und werden zu einem Großteil abgeführt“, sagt Martin Kriegel.
„Die entscheidenden Fragen, die wir jetzt in interdisziplinären Projekten untersuchen werden, sind, wie groß SARS-CoV-2-Partikel sein müssen, um noch infektiös zu sein und wie die Verweildauer dieser Partikelgröße durch gezielte Zu- und Abluftanlagen oder auch einfaches Belüften von Räumen beeinflusst werden kann“, so der Experte.
„Dabei spielt auch das Raumklima eine Rolle, denn die Aerosole werden durch Verdunstung sehr schnell kleiner und verhalten sich dann anders. Ganz grundsätzlich kann man festhalten, dass bei typischen Luftwechselraten in Wohn- und Bürogebäuden die Erreger über Stunden im Raum verbleiben. Die Sinkgeschwindigkeit und auch die Lufterneuerung dauern sehr lange. Jede Erhöhung der Außenluftzufuhr ist daher generell sinnvoll.“ (ad)
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