Gesundheit

Gegenstück zu Déjà-vu: Das steckt hinter einem Jamais-vu

Genau diese Situation habe ich doch schon einmal erlebt? Die meisten Menschen kennen das Gefühl eines Déja-vu. Weit weniger bekannt ist das Gegenstück, das sogenannte Jamais-vu. Was wir wissen.

Déjà-vu (frz. für „schon gesehen“) ist vermutlich den meisten ein Begriff. Dahinter steckt das Gefühl, das gerade Erlebte bereits zu kennen bzw. früher schon einmal erlebt zu haben. Allerdings kann man nicht genau sagen, wo, wie und wann. Eine belegte Erklärung für dieses Phänomen gibt es nicht, diskutiert werden jedoch verschiedene Ansätze.

Weit weniger bekannt ist das Gegenstück, das sogenannte Jamais-Vu (frz. für „nie gesehen“). Für ihre Studie zu diesem Thema habe Forschende um Nicole Bell, Akira O’Connor und Christopher Moulin gerade den Ig-Nobelpreis erhalten, der für ungewöhnliche und unterhaltsame Studien vergeben wird.

Déjà-vu – diese Erklärungsansätze gibt es

Zunächst zurück zu den Déjà-vus. Eine eindeutige Erklärung für dieses Phänomen gibt es nicht, diskutiert werden jedoch verschiedene Ansätze. Manche berufen sich auf spirituell-esoterische also übersinnliche Erfahrungen und führen das Gefühl auf frühere Leben zurück. Das lässt sich freilich nicht nachweisen. Forschende versuchen deshalb wissenschaftlich zu verstehen, was ein Déja-vu auslösen kann:

1. Fehlschaltung im Gehirn

Der erste Erklärungsansatz ist eine Fehlschaltung im Gehirn. Forschende erklären das so: Das Wiedererkennen funktioniere in drei Schritten – wir erleben also sehen, riechen, hören etwas (1), parallel ruft unser Gehirn Erinnerungen aus der Vergangenheit ab und gleicht diese mit neuen Eindrücke ab (2) und sendet, falls es Übereinstimmungen gibt, das Wiedererkennungssignal (3). Manche Forschenden gehen davon aus, dass sich Punkt drei manchmal verselbstständigt und das Gehirn das Wiedererkennungssignal sendet, ohne dass es dafür einen Anlass gibt.

Für diese Erklärung spricht, dass Déjà-Vus bei neurologischen Erkrankungen häufiger auftreten. So berichten beispielsweise Epileptiker besonders häufig von Déjà-vu-Erlebnissen. Bei einem epileptischen Anfall kommt es zu einer Art Kurzschluss im Gehirn, wobei teils auch die Hirnregionen beteiligt sind, die Gedächtnisinhalte bewerten.

2. Tatsächliches, aber unbewusst wahrgenommenes Erlebnis bzw. Antizipation

Eine zweite Erklärung ist, dass es sich bei einem Déjà-vu um ein tatsächliches Erlebnis bzw. eine Antizipation handelt. Allerdings wurde diese nur unbewusst wahrgenommen und kann deshalb nicht richtig abgerufen werden. Ein Beispiel wäre ein Spaziergang mit einem Freund über einen Hügel. Man sieht bereits ins Tal, das Gehirn macht sich einen ersten Eindruck, wie es dort wohl aussieht, allerdings vollkommen unterbewusst, weil man gerade in ein Gespräch vertieft ist. Kommt man nun im Tal an, kann es einem vorkommen, als sei man bereits hier gewesen. Das Gehirn antizipierte quasi das Gesehene.

Für diesen Ansatz spricht, dass Menschen unter Hypnose mit Erfahrungen konfrontiert werden, an die sie sich danach nicht mehr erinnern. Werden sie aber erneut damit konfrontiert, erleben sie es als Déja-vu.

3. „Faktenkontrolle“ für das Gedächtnissystem

Die Forscher Akira O’Connor und Christopher Moulin gehen dagegen davon aus, dass ein Déjà-vu entsteht, wenn das Gehirn, zwar Vertrautheit erkennt, es sich aber nicht mit der Realität übereinstimmen lässt. „Das Déjà-vu ist das Signal, das uns auf diese Merkwürdigkeit aufmerksam macht: Es ist eine Art ‚Faktenkontrolle‘ für das Gedächtnissystem“, schreiben sie in einem Beitrag für „Science Altert“.

Jamais-vu – das steckt dahinter

Noch weniger erforscht als das Déjà-vu ist das Gegenstück Jamais-vu. Dabei handelt es sich um das Phänomen, dass Altbekanntes und Vertrautes plötzlich surreal oder neuartig erscheint und ganz so, als würde man es gerade zum ersten Mal erleben.

„Ein Jamais-vu kann darin bestehen, dass man ein vertrautes Gesicht sieht und es plötzlich ungewöhnlich oder unbekannt erscheint. Bei Musikern kann es vorkommen, dass sie sich in einer sehr vertrauten Musikpassage verzetteln“, nennen O’Connor und Moulin Beispiele in dem Beitrag.

In einer neuen Untersuchung ist es ihnen und ihrem Team gelungen, Jamais-vus künstlich auszulösen. Dafür ließen sie Probanden immer wieder gleiche, teils sehr bekannte (“Tür“) , teils ungewöhnlichere Wörter („Grasnarbe“) auf ein Blatt Papier schreiben. Und tatsächlich: Nach durchschnittlich 33 Wiederholungen unterbrachen die Teilnehmer ihre Aufgabe. Der Grund dafür war bei 70 Prozent mindestens einmal ein Jamais-vu-artiges Empfinden. Sie gaben an, die Wörter plötzlich seltsam gefunden zu haben, sie hätten sich nicht mehr real angefühlt, so als ob sie sie zum ersten Mal sehen würden. Oder sie hatten das Gefühl, sie nicht mehr richtig zu schreiben.

Die Forschenden erklären das Phänomen so: „Das Jamais-vu ist ein Signal dafür, dass etwas zu automatisch, zu reibungslos, zu repititiv geworden ist. Es hilft uns, aus unserer aktuellen Arbeit auszubrechen.“ Ihr Resultat: „Das Gefühl der Unwirklichkeit ist in Wahrheit ein Realitäts-Check.“

Jamais-vu – Hilfe bei Zwangsstörungen?

Ihre Erkenntnisse könnten möglicherweise auch helfen, Zwangsstörungen besser zu verstehen, so die Forschenden. So kann das zwanghafte Starren auf Objekte – etwa um sicherzugehen, dass der Herd ausgeschaltet oder die Tür abgeschlossen ist – dazu zu führen, dass man die eigene Wahrnehmung infrage stellt. Ein Jamais-vu eben, durch das Betroffene ihrer Wahrnehmung noch weniger trauen und erneut nachsehen müssen. Ein Teufelskreis, so die Wissenschaftler.

Weitere Forschung auf dem Gebiet könnte also möglicherweise dazu führen, Zwangsstörungen besser zu verstehen und zu behandeln.

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