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SARS-CoV-2-Urintest erkennt schwere COVID-19 Verläufe – Naturheilkunde & Naturheilverfahren Fachportal

COVID-19: Frühwarnzeichen für schwere Krankheitsverläufe

Die Zahl der Menschen, die sich mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren, steigt inzwischen nicht mehr so stark, wie noch vor einigen Wochen. Längst nicht alle Personen, die sich mit dem Erreger anstecken, erkranken. Doch es gibt auch schwere Krankheitsverläufe, die häufig tödlich enden. Ein neuer Urintest soll nun dabei helfen, bereits in einem frühen Stadium herauszufinden, wer ein hohes Risiko dafür hat.

„Die Krankheitsverläufe sind unspezifisch, vielfältig und variieren stark, von symptomlosen Verläufen bis zu schweren Pneumonien mit Lungenversagen und Tod“, schreibt das Robert Koch Institut (RKI) zu den Verläufen der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19). Hohes Alter und Adipositas gelten als wichtige Risikofaktoren für schwere Krankheitsverläufe. Doch auch bei jüngeren beziehungsweise nicht übergewichtigen Personen kann die Infektion dramatische Auswirkungen haben. Ein Urintest könnte dabei helfen, früh festzustellen, bei wem das so ist.

Lebensbedrohliche Verschlechterungen und Todesfälle verhindern

Laut einer aktuellen Mitteilung der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben Fachleute der UMG einen Handlungspfad zur Früherkennung und Behandlung von schweren Verläufen bei COVID-19 Infektionen entwickelt.

Demnach soll ein einfacher Urintest dem ärztlichen Fachpersonal helfen, schon früher Warnzeichen für einen bevorstehenden schweren Verlauf der COVID-19 Erkrankung zu erkennen.

So kann anhand weniger Parameter, noch Tage, bevor Lunge und andere Organe schwer versagen, mit der Behandlung drohender Komplikationen begonnen werden. Bei vielen Erkrankten ließen sich damit lebensbedrohliche Verschlechterungen und Todesfälle verhindern.

Die Erkenntnisse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurden als „Correspondence“ in der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet“ online veröffentlicht.

Verbesserung der Krankenversorgung bei COVID-19 Infektionen

Ob und wie sehr der vorgeschlagene Handlungspfad zu einer Verbesserung der Krankenversorgung bei COVID-19 Infektionen beitragen kann, wird derzeit im Rahmen einer großen, nicht-interventionellen Beobachtungsstudie mit dem Titel „Covid-19 assoziierte Nephritis als Prädiktor für die Erkrankungsschwere und Komplikationen“ unter Beteiligung mehrerer Universitätskliniken in Deutschland untersucht.

Bei der stationären Behandlung von COVID-19 Infektionen war dem Team aus der UMG aufgefallen, dass gerade bei den Schwerstkranken – neben Lunge und Herz – schon frühzeitig die Nieren mit betroffen sind.

Daraufhin hatten die Ärztinnen und Ärzte der UMG begonnen, ihre Befunde mit Fachleuten aus dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und anderen deutschen Universitätskliniken zu evaluieren und zu diskutieren und sich mit Expertinnen und Experten aus Italien, China, England und den USA auszutauschen.

Aktuelle Gewebsuntersuchungen an Verstorbenen unterstützen die Annahme, dass aufgrund der Dramatik der Erkrankung der anderen Organe die frühe Nierenbeteiligung bisher vernachlässigt wurde.

Lebensbedrohlicher Verlust von Blutbestandteilen

Wenn im Urin der Verdacht auf eine COVID-19 assoziierte Entzündung der Nieren (Nephritis) besteht, folgt im Handlungspfad der UMG die Bestimmung von lediglich drei weiteren einfachen Parametern: Albumin im Blut, Albumin im Urin und Antithrombin III.

Diese drei Parameter dienen zusammen mit dem Urinbefund dazu, das sogenannte „capillary leak Syndrom“ zu diagnostizieren. Wie in der Mitteilung erklärt wird, bedeutet dies einen lebensbedrohlichen Verlust von Blutbestandteilen und Eiweiß aus dem Blut in das (Lungen-)Gewebe durch ein vom Virus ausgelöstes generelles Leck der kleinen Blutgefäße. Anhand der drei Parameter erfolgt die Risikoeinstufung der Patientinnen und Patienten.

„Ist auch nur einer von drei Parametern schwer verändert, besteht ein hohes Risiko, dass sich die Erkrankten auf Normalstation zeitnah verschlechtern, auf die Intensivstation verlegt werden müssen oder sich der Verlauf auf Intensivstation noch verschlechtert“, erläutert der Erst-Autor der Publikation, Prof. Dr. Oliver Gross, Oberarzt in der Klinik für Nephrologie und Rheumatologie der UMG.

Worauf das Fachpersonal besonders achten muss

Wie es in der Mitteilung heißt, sensibilisiert der Handlungspfad der UMG für die Früherkennung des capillary-leak Syndroms bei COVID-19 Erkrankten Fachpersonal dafür, ihr Handeln frühzeitig auf kritische Werte im Blut im Zusammenhang mit einer COVID-Erkrankung auszurichten:

Bei schwerem Mangel von Albumin im Blut entwickelt sich demnach ein interstitielles Lungenödem (Wasserlunge). Durch das Kapillarleck kommt es zum Verlust von Albumin aus dem Blut in das Lungengewebe, das Lungengewebe quillt an, das Atmen und der Austausch von Sauerstoff werden erschwert.

Laut den Fachleuten werden die Wassereinlagerungen mit Entwässerungstabletten behandelt. Durch die Früherkennung des schweren Albuminmangels im Blut weiß das Fachpersonal zeitig, worauf nun besonders zu achten ist:

  • Die Entwässerungstherapie kann noch vor Verschlechterung der Atmung beginnen.
  • Die Entwässerungsmedikamente wirken bei Albuminmangel weniger gut. Zur Entwässerung werden daher deutlich höhere Dosierungen gebraucht. Oder es müssen schon früher für den Wasserentzug Dialysemaschinen eingesetzt werden, bevor das Lungengewebe voller Wasser läuft.
  • Kritische Medikamente, wie Antibiotika, können durch die geänderte Plasmaeiweißbindung eine unerwartet andere Wirkstoffkonzentration haben. Daher sollten vorbeugend die Medikamentenspiegel bestimmt werden.
  • Der Mangel an Eiweiß im Blut kann besonders leicht zum Kreislaufversagen führen. So können frühzeitig vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden.

Bei schwerem Mangel an Antithrombin III im Blut sind Thrombosen (Gerinnsel in den Blutgefäßen) sowie Thrombembolien (Gerinnsel lösen sich und verstopfen die Lungengefäße) die Folge.

Blutverdünnungsmittel, wie beispielsweise Heparin, werden vorbeugend eingesetzt, um Thrombosen und Thrombembolien zu verhindern. Durch die Früherkennung des schweren Antithrombinmangels im Blut weiß das Fachpersonal auch hier zeitig, worauf besonders zu achten ist:

  • Die vorbeugende Therapie mit Blutverdünnungsmitteln kann vor der Bildung von Blutgerinnseln beginnen.
  • Das gebräuchlichste Blutverdünnungsmittel Heparin wirkt nicht richtig, da Heparin über das Antithrombin wirkt. Daher braucht es meist deutlich höhere Heparindosen, um den gewünschten vorbeugenden Effekt zu erzielen und so Blutgerinnsel zu verhindern.

„Wenn sich die Befunde des Ärzteteams der UMG bestätigen, hätte dies einen nachhaltigen Effekt. So könnte künftig bereits im Vorfeld die Notwendigkeit einer kommenden Behandlung auf Intensivstation vorhergesagt werden“, so die Senior-Autorin der Publikation, Prof. Dr. Simone Scheithauer, Direktorin des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektiologie der UMG.

„Zudem könnten Patienten früher und zutreffender für spezielle Therapien zugeordnet werden (auch bei Medikamentenstudien). Durch das frühe Erkennen des capillary-leak Syndroms könnten symptomatische präventive Therapien eingeleitet werden und so vielleicht sogar lebensbedrohliche Verläufe verhindert werden“, sagt Prof. Scheithauer.

Auch für Betroffene in Pflegeheimen geeignet

Da der Handlungspfad der UMG mit einer einfachen Urinuntersuchung beginnt, halten die Autorinnen und Autoren das Vorgehen auch für COVID-19 Patientengruppen in Pflegeheimen geeignet und für Betroffene, die nach Diagnosestellung zunächst ambulant zu Hause behandelt werden.

Hier könnte der Urinbefund als Frühwarnzeichen dafür dienen, dass eine Verschlechterung des körperlichen Zustandes droht. So könnte zeitig eine ambulante Maßnahme früher einsetzen und weiteren Schaden und vielleicht auch einen Krankenhausaufenthalt verhindern. (ad)

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