Vier europäische Regierungschefs haben einen Impfstoff-Brandbrief an Ursula von der Leyen geschrieben. Die EU-Kommisionspräsidentin verteidigt hingegen die gemeinsame Beschaffung. Alle aktuellen Meldungen rund um den Corona-Impfstoff und die Impfstrategie in Deutschland lesen Sie hier im Ticker von FOCUS Online.
Informationen zur Coronavirus-Impfung vom 6. Februar 2021
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Von der Leyen verteidigt gemeinsame Impfstoffbeschaffung erneut und weist Vorwürfe zurück
Samstag, 6. Februar, 10.56 Uhr: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die scharfe Kritik an der europäischen Beschaffung von Corona-Impfstoffen zurückgewiesen. "Ja, es dauert vielleicht länger, Entscheidungen zu 27 zu treffen als allein", räumte von der Leyen in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" ein. Und Deutschland und andere Staaten hätten den Impfstoffkauf aus ihrer Sicht auch alleine schaffen können – aber mit möglichen Folgen für die Einheit Europas, Binnenmarkt und Wohlstand. "Das wäre an die Grundfeste Europas gegangen", warnte die CDU-Politikerin.
Von der Leyen wird vor allem in Deutschland heftig dafür kritisiert, dass zu wenig Corona-Impfstoff zur Verfügung steht und nur langsam geimpft werden kann. Die Kommissionschefin räumte Verzögerungen ein. Doch seien in Deutschland immerhin schon fast drei Millionen Impfstoffdosen verabreicht worden. Täglich seien es aktuell mehr als 105 000 Impfungen, also im Schnitt alle 0,8 Sekunden eine. "Das ist noch lange nicht genug. Aber es ist auch keine ganz kleine Zahl." In den nächsten Monaten soll die Impfstoffmenge sehr stark zunehmen.
Von der Leyen wies auch den Vorwurf zurück, die EU-Kommission habe für die 27 Mitgliedsstaaten zu spät geordert. Es führe in die Irre anzunehmen, ein früherer Vertragsabschluss hätte zu einer schnelleren Lieferung geführt. Vielmehr liege der Engpass jetzt an komplexen Herstellungsprozessen und einem Mangel an wichtigen Inhaltsstoffen. Hätte man die Schwierigkeiten der Massenproduktion früh erkannt, dann "hätten wir früher auf allen Ebenen überhöhten Erwartungen an eine schnelle Impfung gedämpft".
Nun gelte: "Wir müssen uns schon heute auf ein Szenario vorbereiten, in dem das Virus nicht mehr mit den derzeitigen Impfstoffen ausreichend unterdrückt werden kann." Deshalb arbeite die EU eng mit Wissenschaft und Industrie zusammen, um rasch Impfstoffe gegen künftige Corona-Varianten entwickeln, zulassen und herstellen zu können." Als Lehre "aus den Schwachpunkten" des vergangenen Jahres sollten Produktionskapazitäten in Europa ausgebaut werden.
Bericht: Brandbrief an von der Leyen: Vier EU-Regierungschefs warnen vor erneuten Impfstoff-Problemen
17.30 Uhr: Vier europäische Regierungschefs haben einen Brandbrief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verfasst. Das Schreiben wurde unter anderem auf „Bild.de“ veröffentlicht. Demnach befürchten die Verfasser, dass es bei der Auslieferung des Impfstoffes von Johnson&Johnson zu Lieferschwierigkeiten kommen könnte.
Unterzeichnet wurde der Brief von Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, dem tschechischen Premierminister Andrej Babiš, Dänemarks Premierministerin Mette Frederiksen und Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis. dpa/Helmut Fohringer/APA/dpa Österreichs Kanzler Sebastian Kurz
In dem Schreiben heißt es: „Der kommende Impfstoff von Johnson & Johnson könnte ein Game Changer sein, da er leichter gelagert und transportiert werden kann und nur einmal verimpft werden muss.“
Doch es gebe einen großen Schwachpunkt: „[Wir] wurden darüber informiert, dass der Johnson&Johnson-Impfstoff offenbar für Abfüllung und Abfertigung in die USA versandt werden muss“, schreiben die Regierungschefs.
Dies könnte insofern ein Problem darstellen, dass die schwierigen Exportbedingungen in den USA die Ausfuhr nach Europa behindern könnten. Die Regierungschefs fordern deshalb eine frühzeitige Kommunikation, um sich auf Lieferprobleme einzurichten: „Wir sollten das Thema jetzt ansprechen, um Lösungen mit dem Unternehmen zu finden, um die europäischen Mengen zu sichern.“ dpa/Olivier Matthys/AP Pool/dpabild Mette Frederiksen, die Ministerpräsidentin von Dänemark.
Dass dies so schnell wie möglich passieren sollte, würden die Politiker in ihrem Warnbrief laut dem Nachrichtenportal mehrmals betonen. So sei von einem „frühen Dialog auf höchster Ebene“ die Rede. Und man dürfe „keine Zeit in dieser Sache und bei den Gesprächen mit den weiteren potenziellen Impfstofflieferanten verschwenden“.
Als letztere sei von den Pharmaunternehmen Novavex und Valneva die Rede. Weiter heiße es in dem Schreiben: „Unnötig zu erwähnen, die Genehmigung aller neuen Impfstoffe muss dann so schnell wie möglich erfolgen.“
Die EU hat sich bis zu 400 Millionen Dosen des US-Impfstoffes Johnson&Johnson gesichert. Deutschland soll davon 36,7 Millionen Dosen erhalten. Nach Angaben des Herstellers reicht eine Dosis, um eine Immunität zu erreichen. Zudem soll die Aufbewahrung und Lagerung des Impfstoffes leichter als bei anderen sein.
Großbritannien sichert sich 50 Millionen zukünftige Curevac-Impfdosen
14.36 Uhr: Großbritannien hat seinen Kurs der frühzeitigen Corona-Impfstoff-Beschaffung ausgeweitet und sich 50 Millionen Dosen eines zukünftigen Impfstoffs des deutschen Herstellers Curevac gesichert, der auch gegen Virus-Varianten wirken soll. Das Tübinger Unternehmen werde mit der britischen Regierung zusammenarbeiten, um solche Impfstoffkandidaten zu entwickeln, teilte Curevac am Freitag mit. Teil der Vereinbarung sind 50 Millionen Dosen, die Großbritannien zustehen sollen, wenn die Vakzine zugelassen werden. dpa/Sebastian Gollnow/dpa Das Logo des Biotech-Unternehmen Curevac.
Auch bei anderen Impfdosen hat die britische Regierung frühzeitig große Impfstoffmengen bestellt und hat daher aktuell weniger Nachschubprobleme als etwa die Europäische Union. Antony Blanc von Curevac bezeichnete das Land derzeit als "Vorreiter bei der Kontrolle, Impfstoffentwicklung" und der Verteilung der Vakzine. Das Unternehmen zeigte sich optimistisch, seinen Impfstoff schnell an neue Varianten anpassen zu können.
Spahn: Länder sollen Impfdosen von Astrazeneca nicht zurückhalten
14.21 Uhr: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) drückt bei der Verabreichung des Impfstoffs von Astrazeneca aufs Tempo: Er empfiehlt den Ländern, alle vorhandenen Impfdosen so schnell wie möglich zu verabreichen, und nicht wie eigentlich vorgesehen die zweite Dosis für die Erst-Geimpften zurückzuhalten, wie es nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums in einem Schreiben an die Landesgesundheitsminister heißt.
Hintergrund der Maßnahme ist offenbar der schleppende Impfstart – aber auch die Tatsache, dass für das Präparat von Astrazeneca wohl ein recht langer Abstand zwischen den beiden Impfungen von neun bis zwölf Wochen empfohlen wird. Das Ministerium hatte kürzlich prognostiziert, dass im ersten Quartal 5,6 Millionen Dosen von Astrazeneca zu erwarten seien. dpa/Kay Nietfeld/dpa Bundesgesundheitsminister Spahn während einer Pressekonferenz zur aktuellen Lage in der Pandemie.
Spahn kündigte in Berlin die wegen des Astrazeneca-Impfstoffs überarbeitete Impfverordnung für Montag an. Weil das Präparat in Deutschland nur für 18- bis 64-Jährige empfohlen wird, solle es an Menschen dieser Altersgruppe aus den ersten Prioritätengruppen für die Corona-Impfung verabreicht werden. Allein im Februar stünden nunmehr drei Millionen Dosen zusätzlich zur Verfügung, das mache bei den Impfungen einen Unterschied. "Es bleiben trotzdem noch einige harte Wochen", fügte der Minister hinzu. Spahn verwies erneut darauf, dass die Altersempfehlung bei Astrazeneca auf eine geringe Datenbasis bei den Älteren zurückgeht. Wenn mehr Daten vorliegen, könnten neue Entscheidungen getroffen werden.
WHO ruft Europa und Pharmakonzerne zur Zusammenarbeit auf
11.38 Uhr: Die WHO hat Europa und die Pharmakonzerne zur Zusammenarbeit aufgerufen, um die Impfkampagnen gegen das Coronavirus zu beschleunigen. "Wir müssen uns zusammentun", forderte der WHO-Direktor für Europa, Hans Kluge, in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Andernfalls müssten konkurrierende Pharmahersteller "ihre Anstrengungen bündeln, um die Produktionskapazitäten drastisch zu erhöhen", fügte er hinzu. Auf die Frage, ob die seit Dezember verfügbaren Impfstoffe auch gegen neue Virusvarianten wirksam seien, antwortete Kluge: "Das ist die große Frage. Ich bin besorgt." Die Länder müssten auf neue problematische Mutationen des Virus vorbereitet sein, warnte er und rief zu mehr Gen-Sequenzierungen auf. Das Virus habe weiterhin "die Oberhand über den Menschen".
Kluge wiederholte auch den Aufruf der WHO an die reichen Länder, ihre Impfdosen mit ärmeren Staaten zu teilen, nachdem sie einen Teil ihrer Bevölkerung geimpft haben. Die Marke von 100 Millionen weltweit verabreichten Impfdosen wurde am Dienstag überschritten, wobei 65 Prozent der Impfungen in Ländern mit hohem Einkommen verabreicht wurden.
Ungarn beginnt bald mit Impfungen von Sputnik V
09.14 Uhr: Ungarn will laut Ministerpräsident Viktor Orban in der kommenden Woche damit beginnen, den russischen Impfstoff Sputnik V zu verabreichen, wie "tagesschau.de" berichtet. Den EU-Mitgliedstaaten steht es frei, bislang nicht in der EU zugelassenen Impfstoffen eine nationale Notfallgenehmigung zu erteilen. Ungarn hat dies bei Sputnik V als einziges bereits getan. Das Land erhielt am Dienstag 40.000 Dosen des russischen Impfstoffs – und kann nun bald mit den Impfungen beginnen. Die EU-Kommission weist allerdings daraufhin, dass die Mitgliedstaaten in diesem Fall auf eigenes Risiko handeln, wenn der Impfstoff noch keine offizielle EU-Zulassung hat.
Johnson & Johnson beantragt Zulassung von Corona-Impfstoff in den USA
07.08 Uhr: Der Pharmakonzern Johnson & Johnson (J&J) hat in den USA eine Notfallzulassung für seinen Impfstoff gegen das Coronavirus beantragt. Die Tochterfirma Janssen Biotech habe den Antrag am Donnerstag bei der Aufsichtsbehörde FDA eingereicht, teilte der US-Konzern mit.
Die Prüfung des Antrags könnte mehrere Wochen dauern. Bislang sind in den Vereinigten Staaten die Corona-Vakzine der Mainzer Firma Biontech und ihres US-Partners Pfizer sowie des US-Konzerns Moderna zugelassen.
Der J&J-Impfstoff hat nach Angaben des Unternehmens eine durchschnittliche Wirksamkeit von 66 Prozent. Schwere Erkrankungen vermeide das Mittel zu 85 Prozent. Anders als bei den übrigen Wirkstoffen ist bei dem Vakzin von J&J nur eine Dosis und nicht zwei nötig, um die Immunität zu erreichen. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hatte vor einer Woche mitgeteilt, dass sie in Kürze ebenfalls einen Zulassungsantrag von J&J für dessen Corona-Vakzin erwarte.
Beschaffung von Corona-Impfstoff: Von der Leyen räumt in Interview Fehler ein
19.40 Uhr: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen räumt in einem Interview Fehler bei der Beschaffung von Corona-Impfstoffen ein. „Wir haben uns sehr stark auf die Frage fokussiert, ob es ein Vakzin geben wird, also die Entwicklung“, sagte sie gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" und einigen ausländischen Medien. „Rückblickend hätten wir stärker parallel über die Herausforderungen der Massenproduktion nachdenken müssen.“ dpa/John Thys/Pool AFP/AP/dpa „Europa geht voran“: Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission.
Hintergrund: Die Brüsseler Behörde orderte für die 27 EU-Mitgliedstaaten bei sechs Herstellern bis zu 2,3 Milliarden Impfdosen, doch im Moment liefern die Unternehmen weniger als erhofft oder versprochen. So kann Astrazeneca bis Ende März nur 40 statt 80 Millionen Dosen zur Verfügung stellen, wegen Problemen in einem Werk in Belgien. Die CDU-Politikerin gestand im Interview mit der Zeitung ein, unterschätzt zu haben, „welche Komplikationen auftreten können“. Das könnte auch überzogene Erwartungen geweckt haben: „Wir hätten den Menschen erklären sollen, dass es vorangeht, aber langsam, und dass es bei diesen komplett neuen Verfahren Probleme und Verzögerungen geben wird“, führte von der Leyen aus.
Mit Blick auf die stete Kritik, die EU habe zu zögerlich bei den Firmen bestellt, sagte von der Leyen im Interview, dass Entscheidungen mit 27 Beteiligten manchmal etwas länger dauern könnten: „Natürlich, ein Land kann ein Schnellboot sein, und die EU ist mehr ein Tanker.“ Sie betonte jedoch, dass alle Regierungen eng eingebunden gewesen seien in die Verhandlungen mit den Pharmakonzernen.
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