Diabetesmedikamente gegen Herzinsuffizienz
Fachleuten zufolge leiden immer mehr Menschen in Deutschland an einer Herzschwäche. Nach derzeitigem Stand der Medizin ist die Erkrankung noch nicht heilbar, aber gut behandelbar. Die Behandlung soll das Fortschreiten der Erkrankung bremsen und die Beschwerden so verbessern, dass ein aktives Leben möglich bleibt. Nun wird berichtet, dass auch zwei Medikamente, die zur Diabetes-Behandlung entwickelt wurden, gegen Herzinsuffizienz wirken.
Die chronische Herzschwäche, auch Herzinsuffizienz genannt, ist eine der häufigsten Erkrankungen in westlichen Ländern. Allein in Deutschland wird die Zahl der Betroffenen auf zwei bis drei Millionen geschätzt. Ihre Lebensqualität ist oft enorm eingeschränkt. Unbehandelt kann die Erkrankung tödlich enden. Doch nun besteht Grund zur Hoffnung: In wissenschaftlichen Untersuchungen wurde die Wirkung von zwei Medikamenten, die eigentlich zur Diabetes-Behandlung entwickelt wurden, gegen die Herzinsuffizienz nachgewiesen.
Hohe Sterblichkeit
Wie die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK) in einer Mitteilung erklärt, entsteht eine chronische Herzinsuffizienz meist als Folge anderer kardiovaskulärer Erkrankungen wie Bluthochdruck, einer koronaren Herzerkrankung (KHK) und insbesondere nach Herzinfarkten oder Herzmuskelentzündungen. Außerdem gibt es bei manchen Formen der Herzmuskelerkrankung (genetische Kardiomyopathien) eine genetische Vorbelastung.
Zwar sind in den letzten Jahren effiziente Medikamente zur Therapie der Herzinsuffizienz und vor allem der zugrundeliegenden Erkrankungen entwickelt worden, dennoch blieb die Sterblichkeit und die Zahl der Krankenhausaufnahmen hoch.
Neue Studiendaten lenken das Augenmerk von Kardiologinnen und Kardiologen nun auf die ursprünglich für Diabetes mellitus entwickelten Medikamente Dapagliflozin und Empagliflozin aus der Gruppe der SGLT 2-Hemmer.
Nachdem einige orale Diabetes-Medikamente in der Vergangenheit eine Erhöhung der Krankenhausaufnahmen wegen einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz verursachten, hatte die amerikanische Zulassungsbehörde (FDA) Sicherheitsstudien für alle neu entwickelten Antidiabetika verpflichtend gemacht. Laut der DGK fiel bei Zulassungsstudien zu SGLT2-Inhibitoren auf, dass sie nicht nur bei Diabetes helfen, sondern auch eine Verbesserung der Herzschwäche zu bewirken scheinen.
Abnahme des Risikos für Todesfälle
Den Fachleuten zufolge hemmt die Substanzklasse der SGLT2-Inhibitoren die Wiederaufnahme von Glukose vom sogenannten Primärharn zurück ins Blut. Dadurch kommt es dann zu einem Glukoseverlust und so zu einer Blutzuckersenkung.
Die Substanzen führen aber nicht nur zu einem Glukoseverlust über die Niere, sondern auch zu einem Natriumverlust und zu Stoffwechselveränderungen, die energetisch günstig für das Herz sein könnten.
Die Wirkung der beiden Medikamente auf die Herzinsuffizienz wurde nun in zwei großen Studien untersucht: Kurz nacheinander wurden die Ergebnisse der DAPA-HF– und der EMPEROR-Studie in der Fachzeitschrift „The New England Journal of Medicine“ publiziert.
Es handelte sich um große multizentrische Studien mit zusammen mehr als 8.000 Patientinnen und Patienten, die doppelblind und randomisiert behandelt wurden. Interessanterweise wurden herzinsuffiziente Erkrankte mit einer eingeschränkten Ventrikelfunktion mit und ohne Diabetes eingeschlossen.
Alle Studienteilnehmenden wurden weiterhin mit einer optimalen Standardtherapie der Herzschwäche versorgt. Beide Studien zeigten übereinstimmend eine Abnahme des Risikos für kardiovaskuläre Todesfälle und Herzinsuffizienz-Krankenhausaufnahmen um etwa 25 Prozent. Die Effekte waren in beiden Studien unabhängig von einer modernen Begleittherapie und bei Patientinnen und Patienten mit und ohne Diabetes mellitus vergleichbar.
Auch die Nierenfunktion wird gebessert
„Beeindruckend ist die konsistente Abnahme von Herzinsuffizienzkomplikationen bei Diabetikern und Nicht-Diabetikern in den Studien“, sagt Prof. Dr. Michael Böhm, Pressesprecher der DGK und Wissenschaftlicher Leiter beider Studien für Deutschland. „Das zeigt, dass sich aus einem Diabetesmedikament ein effizientes Herzinsuffizienzmedikament ausweislich der Wirkung bei NichtDiabetikern entwickeln kann.“
DGK-Präsident Prof. Dr. Andreas Zeiher ergänzt: „Diese Studienergebnisse sind eine wirklich gute Nachricht für alle Patienten mit Herzschwäche. Bisher zeigte kein anderes Medikament derart überzeugende Ergebnisse, insbesondere auch weil gleichzeitig die Nierenfunktion deutlich gebessert wird.“
Böhms Fazit ist, dass die SGLT2-Hemmer in die Europäischen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Herzschwäche, die im Jahr 2021 erscheinen werden, höchstwahrscheinlich mit einer starken Empfehlung aufgenommen werden. Diese Leitlinie ist derzeit von einem internationalen Fachleutegremium in Vorbereitung. (ad)
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