Gesundheit

Kaum Neuinfektionen, keine Information: China schweigt sich durch die Corona-Pandemie

Europa kämpft sich durch die zweite Welle, in den USA nimmt die Pandemie ihren Lauf. Und in China, dem Ursprungsland des Coronavirus? Normaler Alltag und offizielles Schulterklopfen für den Sieg über die Pandemie – erkauft mit rigorosen Methoden und Zwang.

Nach dem Nationalfeiertag am 1. Oktober genießen die 1,4 Milliarden Chinesen traditionell die „goldene Woche“. In dieser Zeit reist bis zur Hälfte der Bevölkerung kreuz und quer durch das Riesenreich zu Familienbesuchen oder macht Urlaub – außer es wird ihnen verboten. In Shanghai durften in diesem Jahr Familien mit schulpflichtigen Kindern die Stadt nicht für einen Herbsturlaub verlassen. Sie sollten keine Coronainfektion in die Stadt zurückbringen.

Als nach der goldenen Woche in der ostchinesische Metropole Qingdao ein Dutzend Infektionen mit Sars-CoV-2 auftraten, mussten zehn Millionen Menschen zum Test antreten. Nach vier Tagen war das erledigt – und der Chef der städtischen Gesundheitskommission suspendiert.

China besiegt die Pandemie – mit allen Mitteln

Die Beispiele verraten zweierlei: Zum einen können chinesische Behörden mit den Bürgern nach Gutdünken verfahren. Zum anderen ist die Angst vor dem Virus auch in China bei den Verantwortlichen noch da. Aber unter allen Umständen wird das Narrativ aufrecht erhalten: Unter der Führung von Staatspräsident Xi Jinping wurde die Pandemie in China besiegt.

Für das Land, von dem aus Sars-Cov-2 im Januar seinen fatalen Zug um die Welt antrat, ist die  Corona-Pandemie schon Geschichte: Seit August zeigt eine Ausstellung im Pekinger Nationalmuseum Gemälde im Stil des sozialistischen Realismus mit Krankenschwestern, Soldaten und vielen roten Fahnen: den Sieg des chinesischen Volkes (und seiner Führung) über das Virus.  

Im Alltag ist von der Pandemie kaum mehr etwas zu spüren. In den Ausgehvierteln von Shanghai oder Peking wird wieder gefeiert. An den Industriestandorten läuft die Produktion auf Hochtouren. Die im ersten Quartal so katastrophal abgestürzte Wirtschaft soll sich so schnell wie möglich erholen. Masken werden nur noch in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf Flügen sowie in Krankenhäusern, Schulen und Unis verlangt.  

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4500 Covid-Tote bei 1,4 Milliarden Einwohnern?

Insgesamt hat China in der Zeit seit Januar nur etwas über 90.000 Infektionen und 4500 Todesfälle gemeldet. Sie traten mit überwältigender Mehrheit in der Provinz Hubei auf, mit Wuhan als Hotspot und vermutetem Ursprungsort des neuen Coronavirus. Das ist im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung eine homöopathische Größenordnung.

Die Zahlen sind, wie so manche offizielle chinesische Statistik, mit Vorsicht zu genießen. Allerdings ist der Staat von Anfang an mit drastischen Quarantänemaßnahmen, Kontaktverfolgung und gigantischem Testaufkommen konsequent gegen eine größere Ausbreitung vorgegangen.

Dabei erfuhr die staatliche Überwachung breite Unterstützung durch ein System der sozialen Kontrolle, das sich der Denunziation und Bloßstellung bedient. Aus Wuhan kamen zur Hochzeit der dortigen Infektionswelle verstörende Bilder von vernagelten Wohnungstüren und Blockwarten, die Zugänge zu Wohnanlagen bewachten. Die Bewohner solcher Hotspots wurden über Wochen weggesperrt. Für ihre Versorgung waren die sogenannten Nachbarschaftskomitees zuständig.

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Radikal und erfolgreich gegen die Pandemie – für China ein Beweis seiner Überlegenheit

Die Art und Weise der Pandemiebekämpfung ist in der westlichen Welt undenkbar. Aber China hat mit diesem harten Vorgehen eine exponentielle Infektionskurve in kürzester Zeit auf nahezu Null gedrückt. Und die Bevölkerung zeigt sich überwiegend zufrieden mit der Effizienz im Kampf gegen Corona. Viele sehen darin auch eine Überlegenheit des Systems gegenüber demokratischen Staaten.

Im ZDF-Talk bei „Markus Lanz“ versuchte Anfang Oktober der chinesische Künstler Ai Weiwei den Umgang seines Heimatlandes mit der Pandemie zu erklären: „Man nimmt das Ziel ins Visier und versucht es mit welchen Mitteln auch immer zu bekämpfen. Da werden Opfer gebracht, auch menschliche Opfer“, erklärte der China-kritische Weiwei. Die „weiche“ Haltung des Westens wird verachtet. „In China lacht man über europäische Staaten, in denen die Corona-Welle zurückkommt“, sagte er.

Ai Weiwei spottet über zweite Corona-Welle: „In China lacht man über Europa“

FOCUS Online/Wochit Ai Weiwei spottet über zweite Corona-Welle: „In China lacht man über Europa“

Transparanz und Offenheit gegenüber der eigenen Bevölkerung und dem Rest der Welt sind für die chinesische Staats- und Parteiführung keine relevanten Größen – nicht nur, aber auch bezüglich der Pandemie.

So gibt sich die Führung immer noch schweigsam, was den Ursprung der Corona-Krise angeht. Die Versäumnisse und Vertuschungsaktionen zu Beginn der Krise werden heute mehr denn je totgeschwiegen.  Die Verdächtigungen, das Virus stamme aus einem Militärlabor, tat Chinaeifach ab. Eine Abordnung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) darf weiterhin nicht einreisen, um die Ursprünge der Corona-Pandemie aufzuklären. Und China hat den Ausbruch der mysteriösen Lungenkrankheit in Wuhan Anfang des Jahres erst nach zweimaligem Nachfragen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bestätigt.

  • Mehr zum Thema: Gastbeitrag von "The European" – Aus Chinas Blockade bei Corona-Aufklärung muss Deutschland harte Konsequenzen ziehen

China positioniert sich als Retter aus der Corona-Krise

Statt über Fehler in der Vergangenheit will sich China heute lieber als globaler Retter positionieren und verfolgt eine Art „Corona-Diplomatie“: Vier der sieben am weitesten entwickelten Impfstoffe gegen das Coronavirus kommen aus China. Und sobald eine Zulassung vorliegt, soll dieser Impfstoff der Welt als „globales öffentliches Gut“ zur Verfügung gestellt werden. Das versprach Staatschef Xi Jinping bei einem WHO-Treffen im Mai.

Sein Land hat sich inzwischen auch der Covax-Initiative angeschlossen, die unter Federführung der WHO die Ent­wick­lung und die Verbreitung bezahlbarer Impfstoffe fördert.

Wie sehr solche Charme-Offensiven Chinas auch nur ein Stich gegen die USA und Präsident Donald Trump sind, sei dahingestellt. Nachdem die USA die WHO verlassen haben, kann sich China dort als als global Player positionieren.

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  • Kaum Information über die vier vielversprechenden Impfstoffe in der Entwicklung

    Mit vier potenziellen Impfstoffen hat das Land einen Trumpf in der Hand. Und es impft auch schon. Experten gehen von bis zu einer Million Impfungen aus, die seit Juli mit einer sogenannten Genehmigung zur Notfallanwendung eingesetzt wurden. Zunächst wurde vor allem medizinisches Personal geimpft, auch Soldaten der Volksbefreiungsarmee waren Versuchskaninchen oder Mitarbeiter und deren Familien vom Impfstoffhersteller. BurdaForward

    Darüber hinaus testen die chinesischen Pharmaunternehmen ihre Impfstoffe im Ausland, wo die Pandemie noch hochaktiv ist, etwa in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Brasilien, Peru oder Argentinien. Im Gegenzug verspricht Peking diesen Ländern bevorzugten Zugang zu einem Impfstoff. Auch mehreren Staaten in Afrika und Asien hat Peking bereits bevorzugten Zugang zu einem Impfstoff zugesagt.

    Da Studiendaten so gut wie nicht zugänglich sind, wird Chinas Impfstoffwettrennen von ausländischen Wissenschaftlern skeptisch beobachtet. Es kann nicht unabhängig überprüft werden, wie sicher und effizient die Impfstoffe aus China tatsächlich sind.

    Und China hüllt sich in Schweigen.

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